Albanien

>Bilder ganz unten!

…ein Land der extremen Gegensätze
Die strengen Blicke des albanischen Grenzbeamten waren uns noch lange in Gedanken, als wir bereits einige Kilometer in dieses, jahrzehntelang isolierte Land fuhren. Nebst den vielen Warnungen und Ratschlägen war unser erster Eindruck etwas getrübt. Überall lag Abfall umher und auf den ersten Kilometer machte das Land auf uns einen sehr unordentlichen Eindruck.

Bei den ersten Durchquerungen von grösseren Orten machte die starke Männerpräsenz eher den Eindruck, dass wir irgendwo im Orient unterwegs sind. Chantal fühlte sich eher unwohl; sie als westliche Frau bei den vielen männlichen Gesichtern und erst noch am Steuer eines Geländewagens. Die Blicke waren auch entsprechend in dieser ländlichen Region, schliesslich sitzen hier die Frauen auf dem Hinterbank vom Auto.

Das Land war lange durch den kommunistischen Herrscher Hoxha von allem abgeschirmt und formte vermutlich seine Landsleute entsprechend. Er behauptete, dass er den richtigen Kommunismus vertritt, baute 700‘000 Bunker um sein Volk vor bösen Eindringlingen zu schützen und liess die Bevölkerung am Hungertuch hängen.

Heute ist dieser Spuck jedenfalls vorbei und wir dürfen die Grenzen zu Albanien in friedlicher Absicht überschreiten. Doch, wie schon erwähnt, es war für uns eine Fahrt in die Vergangenheit, wo vieles noch anders tickt als wir dies in der westlichen Welt gewohnt sind. Auf den Hauptverbindungsstrassen laufen Kühe, oder ganze Schafherden umher. Die Schäfer mit ihren Eseln sind noch allgegenwärtig. Auf den Feldern in den tiefliegenden Gegenden wird noch fleissig in Handarbeit gearbeitet und die eingesetzten Landmaschinen erinnerten mich an meine Kindheit, wo der Pflug noch ein einfaches Gerät war.

Nebst dem Vieh auf der Strasse, erlebten wir eine noch nie so gefühlte Mercedes-Benz-Dichte wie hier in Albanien. Der Stern aus Stuttgart ist omnipräsent und anderes sieht man in ländlicher Gegend kaum. Ob alle legal hierher kamen wissen wohl nur die Götter. Und, es wird gefahren, solange der Motor läuft, ob mit oder ohne Scheiben. Dreht das Motörchen nicht mehr, so ist noch lange nicht Schluss damit; hier werden alle Fahrzeugteile, man weiss ja nie, neben dem Haus beiseitegelegt und Albanien muss vermutlich für jeden Oldtimer-Fan ein wahres Mekka für alle Teile dieser Marke sein.

Jahresbedingt liessen wir in Albanien grössere Abstecher in die Berge gleich weg und begnügten uns eher auf tiefere Höhenlagen und steuerten sehr direkt Tirana an.
Die Vororte erreichten wir vermutlich zum schlechtesten Zeitpunkt; alles was irgendwie Räder hatte, bewegte sich in Richtung Zentrum und das Verkehrschaos war ernüchternd und hinreissend zugleich. Wo sich drei Fahrspuren befinden würden, steht man in einer Sechserreihe und trotzdem funktioniert ein Spurwechsel von ganz links nach ganz rechts, oder umgekehrt irgendwie immer. Eigentlich fantastisch, wie so ein Chaos funktionieren kann!

Das Zentrum von Tirana erreichten wir nicht! Wir hatten keine Lust mehr, uns durch dieses Verkehrsgewühl zu würgen und bogen bald einmal ab, durchquerten irgendwelche Vororte und fanden uns wieder draussen in ländlicher Umgebung. Die Euphorie über das schöne Tal, das wir erreichten war grösser als das genaue Kartenstudium. Die Fahrt in das immer einsamere Tal war wunderbar und von der Fahrstrecke her teilweise sehr anspruchsvoll. Dass es schlussendlich wieder über die gleiche Strecke zurückgehen wird, ahnten wir zu Beginn nicht. Mit einem Esel wäre es wohl machbar gewesen, doch unser vierrädriger Untersatz war schlussendlich doch etwas zu breit.

Die Fahrt zurück war entsprechend lang und erst spätabends erreichten wir eine kleine Bade-Bucht. Zwar brannte in verschiedenen Gebäuden Licht, doch keine Menschenseele war auszumachen. So richteten wir uns am Rande des Geländes für die Nacht ein; vielleicht ist es ja wie im Orient, wo man auf öffentlichen Grund überall bleiben darf.
Die Brandung des Meers wiegelte uns in einen tiefen Schlaf und niemand war an unserer Anwesenheit interessiert.

Erst am nächsten Tag merkten wir die offenherzige Hilfsbereitschaft der Menschen, obwohl die sprachlichen Barrieren relativ gross waren. Bereits ein freundliches Zuwinken oder Grüssen löste bei vielen Menschen viel Freude aus. Eigentlich schade, dass wir nicht in nähere Beziehung treten konnten; wir sprechen kein Albanisch und sie keine unserer mächtigen Sprachen. Schade!

Da unser Jeep bei der Irrfahrt in das Seitental stark verschmutz wurde, liessen wir das Auto bei einer Waschstation reinigen. Für wenig Geld wurde unser Jeep wieder weiss und wir konnten in der Bar nebenan, die vermutlich von der Mutter geführt wird, einen feinen Kaffee geniessen. Und wie es in Albanien üblich ist, gibt es für den Fahrer noch einen Ouzo – selbstverständlich vom Haus offeriert – dazu.

Im Westen, oder ist eher der Südwesten des Landes wird sehr viel für den sommerlichen Badetourismus getan, reist alte Gebäude ein und es entstehen überall moderne Bauten, die vermutlich für die lokale Bevölkerung kaum mehr erschwinglich sind. Die Käuferschaft könnte von weiter östlich her kommen; auffallend für uns waren die vielen Fahrzeuge mit russischen Kennzeichen. Viel Luxus auf der einen Seite, gleich gegenüber fahren Eselkarren und Ziegenhirte behüten ihre Herde am Ortsrand.

Unser Weg führte uns erneut über einen Pass, von wo aus wir einen fantastischen Blick über diese karge Landschaft auf das adriatische Meer hatten. Obwohl wir fast vom Berg geblasen wurden, die Rundsicht war fantastisch. Entlang der Küste versucht die lokale Bevölkerung auch etwas vom Touristenstrom abzubekommen und mit viel Eigeninitiative wird mit einfachen Mitteln etwas unternommen. Ob dann die zukünftigen Badetouristen den Weg durch die Müllhalde und Bauschutt an den Strand finden werden, wird sich bald zeigen. Vielleicht sind wir in dieser Sache auch einfach zu empfindlich?

Ganz unten im Südwesten war bei unserer Durchfahrt gerade die Mandarinenernte im vollen Gang; überall wurde fleissig gepflückt und die Früchte in die dörfliche Sammelstelle gefahren, wo diese auf riesige Sattelschlepper geladen wurden. Wie die Früchte dann abtransportiert werden, konnten wir nicht ganz erraten, da die lokalen Strassen mehr schlecht als recht waren und kaum Platz für diese riesen Lastwagen haben.

Wir genossen in einem lokalen Restaurant einen feinen Kaffee, kauften noch ein paar Kleinigkeiten ein, so dass wir die lokale Währung verbrauchen konnten. Den Restbetrag, etwas weniger als einen Franken, legten wir der Wirtin hin. Diese war dermassen überrascht, dass sie gleich über die Strasse lief, einen Sack mit Mandarinen besorgte und diesen uns voller Freude überreichte.

Die Griechische Grenze lag nur noch wenige Kilometer entfernt und unser Drang in den Süden an die Wärme war immer noch ungebrochen.  Doch, in der kurzen Zeit, die wir in Albanien verbringen durften, fanden wir plötzlich viel Freude an diesem Land und den dortigen Menschen. Das bergige Hinterland hätte sicher noch einiges zu bieten und, wir können ja irgendeinmal zurück uand die verwinkelten Bergtäler geniessen.