Die Zeit der Warterei war trotz einem abwechslungsreichen Programm in Atlantic-City und der näheren Umgebung lang. Es war auch die Zeit, wo wir über unser „Unternehmen“ nachdenken konnten und immer wieder kam die Frage auf, ob’s nun richtig war, mit einer doch etwas älteren „Dame“ – unser Jeep – auf eine solche Reise zu gehen.
Endlich war Montagnachmittag und wir konnten unser Jeep wieder in Besitz nehmen. Die Jeep-Werkstatt hatte die ganzen Innereien der Vorderachse zerlegt, die defekten Teile – nun sollte das Innenleben der Vorderachse für die nächsten X-tausend Kilometer unser Vorwärtskommen unterstützen. Bei der Abholung machte uns der zuständige Mechaniker noch klar, dass irgendein wichtiges Teil in der letzten Werkstatt falsch montiert wurde. Uff, Glück gehabt und wir haben gelernt: Das nächste Mal fahren wir sofort zur richtigen Werkstatt!
Bis der ganze Papierkram erledigt war, dunkelte es schon, so dass wir erneut im nahegelegenen Park unsere Nachtruhe suchten, um am folgenden Tag früh los zu ziehen; morgen möchten wir unbedingt weiter südlich unser Nachtlager aufschlagen.
So durchstreiften wir in einem Zick-Zack die restlichen Kilometer in New Jersey, durch Farmgebiete, gefolgt von weiten Wäldern und Sumpflandschaften.
Das Cape May ist in der Küstennähe wieder fest im Griff der erholungssuchenden Menschen und die wunderbaren Ferienresidenzen nehmen die ganze Landschaft im Uferbereich ein.
Am Fährhafen ging’s dann gleich etwas zackig zu und schon hatten wir für die nächste Überfahrt nach Lewes/Delaware unsere Tickets in der Hand. Eigentlich hätte es hier noch dies und jenes zu bewundern gegeben, aber – wir wollten ja südwärts in die Wärme.
In knapp 2 Stunden standen wir am Pier eines neuen Bundesstaates und USA ist nicht immer gleich USA. Jeder Bundesstaat hat seine Eigenarten, aber auch unterschiedliche Einkaufsmöglichkeiten und andere Lebensmittelketten. Auch bei den Waren gelten überall andere Steuersätze. In Delaware wird auf die Produkte und Dienstleistungen keine Mehrwertsteuer erhoben, was zu einem gewissen Einkaufstourismus aus den Nachbarstaaten führt. Ebenso wäre unsere Autoreparatur um ein paar hundert Dollar günstiger ausgefallen. L
In den Dünen vom Cape Honolpen genossen wir die letzte Nacht am Atlantik, lauschten dem Wind, der durch den offenen Föhrenwald blies und der Brandung des nahen Atlantik, bis uns irgendeinmal die Träume einholten.
Nach einer kurzen Abschiedsrunde zum Meer verliessen wir die Küstenregion, steuerten westwärts, durchstreiften weite Felder und erblickten riesige Hühnerfarmen, wo anscheinend der ganze Appetit nach Chicken gestillt wird.
Delaware ist der zweitkleinste Bundesstaat, entsprechend schnell durchfahren und schon standen wir in Maryland. Weder Landschaft noch Farmbusiness änderte kaum etwas; flach, weite Felder mit entsprechend grossen Farmgebäude und Maschinen, aber auch kleinere Siedlungen und weite Waldflächen gehören zum Landschaftsbild.
Die Chesapeake-Bay – eine riesige Meeresbucht, die weit ins Landesinnere reicht – überquerten wir über eine gigantische Brücke, welche man vermutlich so nur in der neuen Welt erleben kann.
Kaum hatten wir das „Festland“ erreicht, folgten wir nicht dem schnellsten, sondern dem Genussweg durchs hügelige Hinterland nach Washington D.C.
Zuerst waren es sehr liebliche Gebiete mit Feldern, bewaldeten Taleinschnitten, gefolgt von immer mehr vornehmen Wohngebieten und – je näher wir uns der Hauptstadt näherten – immer mehr Verwaltungsgebäuden.
Durch ein gegenseitiges Missverständnis fuhren wir irrtümlicherweise ins Zentrum von Washington D.C. und ums Weisse Haus, kämpften uns durch den abendlichen Berufsverkehr wieder aus diesem Verkehrschaos hinaus in einen Park, wo wir spätabends endlich unser „Haus“ für die nächsten Tage hinstellen konnten.
Vermutlich steht der Besuch Washingtons bei den Europäern nicht an erster Stelle. Doch diese Stadt ist jederzeit ein Besuch wert und bietet für alle Interessen irgendetwas.
Die ganze Anlage vom Lincoln Memorial übers Weisse Haus bis zum Capitol, die nach französischem Vorbild angelegt wurde, überwältigte uns total. Nebst vielen Gedenkstätten, die die Menschheit an weniger glorreiche Zeiten erinnern sollten, findet man entlang der Mall X-beliebige Museen, die für jeden Geschmack etwas bieten können.
Wir (bzw. nur Thomas. Chantal wartete draussen mit seinem grossen Taschenmesser, das er irrtümlicherweise in der Hosentasche hatte und nicht durch die Eintrittskontrolle kam!) verbrachten viel Zeit im Space-, aber auch im Indianermuseum (…dort war Chantal wieder dabei!), wo es doch das einte oder andere „aha“ unsererseits gab.
Nach so viel Zentrum und Museen, machte sich bald wieder die Stadtflucht in uns bemerkbar und wir sehnten uns wieder nach etwas stilleren Gegenden. Bald waren unsere Sachen gepackt und schon flüchteten wir westwärts durch den nördlichen Speckgürtel von Washington D.C. hinaus in ländlichere Gebiete bis die letzten Villen im Rückspiegel verschwanden und folgten noch ein kurzes Stück dem Potomac-River nach Nordwesten.
Die Wolken hingen bereits sehr tief, als wir am östlichen Gebirgskamm der Appalachen hinauf fuhren und den Shenandoah-Nat.-Park erreichten. Ob’s nun der Regen oder Nebel war; wir sahen von den ersten Kilometer des Skyline-Drive so gut wie nichts! So stoppten wir unsere Fahrt beim nächsten Campground auf 850m.ü.M. und richteten uns – bei strömenden Regen – für die Nacht ein. Und, wir schlotterten wie kleine Schosshunde dem nächsten Morgen entgegen; es war wirklich schweinekalt und wir hatten bereits eine böse Vorahnung, dass am folgenden Morgen Schnee vor unserem mobilen Heim liegen könnte.
Schnee lag Gott sei Dank noch keiner, dafür regnete es weiterhin und inzwischen war alles irgendwie feucht oder nass. Ich braute uns noch einen Kaffee; wir packten unsere sieben Sachen irgendwie in den Jeep und bei voller Heizleistung ging es weiter über den Skyline-Drive.
Die Wärme und das Wohlbehagen kehrten langsam zurück und schon blickte auch die Sonne spärlich hinter den Wolken hervor. Die Wolkendecke hob sich mehr und mehr und machte den Weitblick über die westliche wie auch östliche Landschaft frei. Und, je weiter wir über diesen „Himmelsweg“ fuhren, der zwischen 1933 – 1942 durch das amerikanische Kriesenprogramm angelegt wurde, desto imposanter wurde das ganze Spektakel. An den vielen Aussichtspunkten konnte man sich von der Weite und Natur kaum satt sehen, schon folgte die nächste landschaftliche Attraktion.
Nach der Skyline folgt der Blue-Ridge-Drive, der quasi die Vorsetzung bildet und sich weiter über die Gebirgszüge der Appalachen in südwestlicher Richtung fortsetzt. Das Ganze erlebten wir auch als eine Art Mischung aus Schwarzwald, Vogesen und Jura, nur dass alles viel weiter und endlos gross ist.
Und immer wieder tauchten unerwartete Dinge auf, die wir hier kaum vermuteten und alte Museen, die von Freiwilligen liebevoll gepflegt werden. Und, für tierische Überraschungen musste man allzeit bereit sein, ob tagsüber oder nachts, es bewegte sich immer etwas.
Das Wetter: Je länger wir über die Kämme fuhren, je mehr zeigte es sich von seiner besten Seite.
Seit dem verregneten Einstieg in die Appalachen legten wir beinahe 800 Kilometer zurück und bis zu dem Smoky-Nat.-Park sahen wir weder eine Verkehrsampeln noch einen Stopp – eine verrückte Sache!
Den Smoky-Nat.-Park durchfuhren wir an einem gewöhnlichen Mittwoch, aber on-road war einiges los, als wäre es der letzte Tag vor dem grossen Schnee. Den Clingmans-Dom mit seinen stolzen 2012m.ü.M. erkraxelten wir bei dichtem Nebel und ohne jegliche Möglichkeit etwas von der einmaligen Aussicht zu erspähen. Dafür gab es bei den Cades-Cove einen nachmittäglichen Verkehrsstau und statt Tiere, die irgendwo in den weiten Feldern standen, mussten die Bremslichter des Vordermanns beachtet werden. Interessanterweise nehmen es die Amis sehr locker und schleichen so durch die Natur. Meckern dürfen wir unsererseits ja nicht, da wir es ihnen gleich tun und die Natur aus der Blechbüchse erleben wollen.
Im Staatendreieck North-Carolina, Tennessee und Georgia liegen, nebst dem Smoky-Nat.-Park verschiedene grosse Waldflächen, die zu den nationalen Wäldern gehören und fast noch grössere Freizeitmöglichkeiten in aller Art bieten als der durchfahrene Smoky-Nat.-Park.
Nach vielen Überquerungen, langen Tälern und endlosen Kurven holten uns das Regenwetter und tiefere Temperaturen wieder ein.
Irgendeinmal an einem Freitagnachmittag standen wir im Speckgürtel von Atlanta und – die Scheibenwischer wischten bei maximaler Geschwindigkeit – suchten wir eine Bleibe für die nächste Nacht.
Doch hier in Georgia fanden wir vor jeder möglichen Bleibe das Schild „closed“; anscheinend haben sich schon alle Zeltplatzwarte in den Winterschlaf gelegt!