…auf nach Marrakech

>Fotos ganz unten!

Endlich war es soweit; ein stabiles Wetterfenster versprach uns kein Feststecken irgendwo südlich des Tizi n’Tichka – ein Passübergang im Hohen Atlas – und auch auf der nördlichen Seite sollte die feuchte Wetterperiode vorbei sein. Schnell waren unsere Sachen auf dem Zeltplatz in Zagora gepackt und beim Abschied des Platzwartes meinte dieser noch so nebenbei, dass wir sicher bald wieder bei ihm auf dem Platz aufkreuzen werden. Wir lachten noch gemeinsam und hofften, dass es nicht so sein wird.

Natürlich wählten wir nicht den einfachsten Weg; linksufrig folgten wir dem Oued Drâa über die alte Strasse, die fast sämtliche Orte mit den vielen Ksur und Kasbahs folgte. Leider werden die meisten alten Lehmbauten von den Besitzern stark vernachlässigt und vieles zerfällt langsam aber sicher. Selbst viele Gärten in den Oasen liegen brach und die Palmen sterben ebenfalls ab, da sie kein Wasser aus den Pflanzparzellen mehr erhalten. Wir deuten dies auf eine starke Landflucht hin!

Kurz vor Agdz bogen wir nach Osten ab und folgten kurz der Strasse nach N’Kob. Ich fand eine Bergpiste durchs Jbel Saghro-Gebirge; eine Verbindung in Richtung Ouarzazate fernab des Touristenstroms. Doch mitten im Gebirge war es plötzlich nicht mehr ganz sicher, ob es überhaupt weiter gehen würde. Die Piste wurde zunehmend schmaler und auf diesem Weg verkehren hauptsächlich Esel und deren zweirädrige Konkurrenz; Autospuren, bzw. Reifenabdrücke konnten wir keine mehr erkennen. Doch umkehren war für mich (Tom) keine Option; zuerst muss es versucht werden.

Schlussendlich klappte es mit unserer geplanten Route und die Schafhirten schauten uns etwas irritiert nach. Noch vor Tagemout erreichten wir die ersten Kobalt-Minen und gute Wege über diese Hochtäler. Bei Tagemout folgten wir einer bereits befahrenen Wegstrecke, bevor wir nach rechts abbogen und neuen Spuren folgten. Wie bei der letzten Durchfahrt; überall winkten uns die Kinder und riefen uns schon von weither bettelnde Wörter zu. Selbst die Erwachsenen waren an diesem Nachmittag ziemlich aufdringlich und alle wollten irgendetwas verkaufen oder erbetteln.

Der Weg über die Bergpiste bis an den Oued Dades war noch sehr weit und die Eindrücke überhäuften sich. Leider ist das Gebiet sehr dicht besiedelt und hinter jeder Ecke konnten wir ein neues Haus erblicken. Somit verzichteten wir auf ein Nachtlager in dieser wunderbaren Landschaft mit Blick auf den Hohen Atlas. Wir setzten unsere Fahrt noch bis zum Al Mansour Ad Dahbi-Stausee fort und suchten ein Campplatz an diesem See auf, den wir schon von einer früheren Übernachtung kannten. Diesmal standen sehr viele Wohnmobile am See, was für uns eine kleine Überraschung war, doch Platz für die kommende Nacht hatte es noch mehr als genug.

Nach dem kurzen Abstecher zu den Filmstudios in Ouarzazate steuerten wir dem Tizi n’Tichka und hohen Atlas zu. Doch auch hier war uns die Hauptverbindungsstrasse nach Marrakech zu einfach; bald bogen wir ins Tal des Oued El Maleh ab und erreichten die bekannte Ksar d’Aït Ben Haddou; ein Touristenmekka und übervoll mit Reisebussen. Alle warben um ihre Gunst und aufdringlich animierten sie die Durchreisenden für irgendeinen Besuch eines Lokals oder Geschäftes. Nein, hier bleiben wir definitiv nicht!

Der Weg bis auf den 2197 Meter hohen Tizi n’Tichka war durch das enge Tal des Oued Ounila und Oued Maleh noch sehr weit. Viele kleine Siedlungen und Dörfer säumen die Strasse und weit unten in den engen Talflächen wird auf engstem Raum das Nötigste angebaut. Über uns ragten die schneebedeckten Berggipfel immer mehr in die Höhe. Wow; welch wunderbare Gegend.

Nach den Fotos auf dem Passübergang ging es auf der Nordseite steil herunter und durch das langgezogene und enge Tal Marrakech entgegen. Aus lauter Langeweile bogen wir irgendeinmal nach links ab; eine Bergstrasse reizte uns mehr als die stark befahrene Hauptverbindungsstrasse. Auf dieser Nebenstrasse wurden wir von den bettelnden Kindern total überrumpelt; dass die Touristen bei ihnen wirklich anhalten, legen sie sich auf die Strasse und hoffen nicht überfahren zu werden. Keine Ahnung, wer ihnen solche gefährlichen Manieren beibrachte. Jedenfalls war es ein gefährliches Spiel, nicht nur für die Kinder, sondern auch für uns; wer möchte schon ein Kind in einer Kurve überfahren und erst noch ein Knabe in einem muslimischen Land! Nach solchen Erlebnissen kehrten wir bei der nächsten Möglichkeit zurück auf die Hauptstrasse, die uns in relativ kurzer Zeit in den Grossraum und Verkehrschaos Marrakech brachte.

Nördlich dieser Metropole fanden wir auf dem einzigen und total überfüllten Campingplatz noch ein kleines Plätzchen für unsere Auszeit. Auch wir wollten ins Getümmel des städtischen Souk – Markt in der Medina. Der Einstieg war der Jemaâ el Fna, wo uns die Schlangenbeschwörer und Gaukler mit den Berberaffen herzlich in Empfang nahmen. Auch die Wasserträger waren allgegenwärtig und gegen entsprechende Dirham durften wir entsprechende Fotos machen.

Im Souk selbst war es etwas angenehmer und dank den Ablenkungen der Smartphones waren die einzelnen Händler nicht gross auf Kundenjagt aus; vermutlich waren die Beiträge in den kleinen Mobilgeräten interessanter und wir konnten gemütlich durch die engen Gassen ziehen. Ein paar Kleinigkeiten wurden bei unterschiedlichen Händlern nach dem obligatorischen Verkaufsgespräch erworben. Erstaunlicherweise wurden wir nirgends zum Tee eingeladen, was mich (Tom) etwas enttäuschte. Selbst beim Teppichhändler war es eine trockene Angelegenheit.

Zum Discountpreis erlebten wir anschliessend bei einer Kutschenfahrt die Medina aus einer andern Perspektive und waren froh, unsere Füsse für eine Stunde zu entspannen, eh es wieder ins Menschengetümmel des Souks hinein ging. Bei einem mittelmässigen Nachtessen genossen wir noch die Abendstimmung hoch über dem Jemaâ el Fna und begaben uns nach Einbruch der Dunkelheit zum nächsten Taxistand. Der Tag war lange und wir waren froh, auf dem Campingplatz zu sein und bald unter der warmen Decke in die Träume der Geschichtenerzähler zu versinken.

Die vielen Animationen für den Besuch der Agafay-Wüste weckte auch in uns die Lust für dieses ultimative Abenteuer vor der Haustür von Marrakech. Wieso nicht auch dieser Wüste einen Besuch abstatten; vom städtischen Umfeld hatten wir bereits genug. Also, nichts wie hinaus zur nächsten (touristisch) bedeutenden Wüste. Doch die Enttäuschung unsererseits war gross: Mit den Ergs im südlichen Marokko noch den Sanddünen bei Agadir kann diese Gegend kaum mithalten. Doch der Kommerz war riesig; busweise wurden die hungrigen Abenteurer in diese Steinwüste gekarrt, wo nebst Quad- und Dromedartouren in den unzähligen Partyzelten zu den abendlichen Shows geladen wurde. Der Lärm dröhnte weit über Mitternacht hinaus in die Wüstenlandschaft. Nebst einheimischer Musik, die in Lautstärke kaum zu überbieten war, meinten wir, dass irgendwoher „Ballermann Musik“ durch die Landschaft dröhnte. Wow; welch Abenteuer hier draussen vor den Toren von Marrakech den Touristen angeboten wird!

Die Angebote waren jedenfalls mehr als nur „happig“ und hat nichts mehr mit Folklore und Brauchtum zu tun. Wir packten erneut unsere Sachen, fuhren den sandaufwirbelnden Quads nach und hoffen im mittleren Atlas andere Dinge zu erleben. Wir sind jedenfalls gespannt, welche ultimativen Dinge dort auf uns zukommen werden.