Corona treibt sein Unwesen…

>Bilder ganz unten.

….zurück nach Hause!
Eine verrückte Zeit lag bereits hinter uns und es sollten noch ein paar interessante Momente dazu kommen. Endlich hatten wir die Reservationsbestätigung der Fähre und alle nötigen Papiere heruntergeladen, die uns anschliessend Anja auf ihrem Drucker ausdruckte, so dass wir der Polizei die verlangten Papierversionen vorzeigen konnten.

Kaum waren wir am letzten Abend in den Träumen versunken, schon bimmelte der Wecker und riss uns zurück in die reelle Welt. Ein kurzes Frühstück, das letzte Mal die Hunde füttern, die restlichen Sachen einpacken und schon standen Ute und Thomas abfahrbereit neben uns. Der Abschied von Anja und Jochen war zwar kurz, doch etwas bedrückend; irgendwie wären wir noch gerne bei ihnen geblieben und hätten das eingeschränkte Leben in Griechenland noch etwas genossen. Doch der innerliche Drang zur Rückkehr in den heimatlichen Hafen trieb uns stärker an, als hier auszuharren.

Kurz nach Thessaloniki wollten wir den ersten Fahrerwechsel machen. Beim schnellen Wechsel und einer Unachtsamkeit stolperte Chantal über eine Fahrbahnunebenheit und klatschte flach auf die Fahrbahn. Bis ich den Sturz bemerkte, eilten schon aus allen Richtungen Leute zu unserem Jeep um ihre Hilfe anzubieten. Etwas länger lag Chantal etwas benommen auf der Strasse und konnte sich kaum bewegen. Obwohl ihre Schmerzen extrem stark waren, sagte sie nur: „Nein, ich will nicht ins Spital, nein, jetzt nicht! Wir müssen jetzt weiter nach Igoumenitsa, das Schiff und diese Möglichkeit müssen wir nutzen.“
Mit viel Schmerzmittel und einem stark verzerrten Gesicht setzten wir unsere Fahrt fort. Hoffentlich wird es keine allzu grosse Verletzung sein!

Die vielen Kilometer, mehrheitlich auf der Autobahn, führten uns durch Zentral- und Westmakedonien nach Epirus der Hafenstadt Igoumenitsa entgegen. Eigentlich schade, dass wir diese wunderbare Landschaft im nördlichen Griechenland in Windeseile durchstreifen mussten. Jetzt im Frühjahr, wo alles aus dem Winterschlaf erwachte und der Landschaft neues Leben einhauchte, mussten wir mit rund 90 Km/h durch die Gegend huschen. Doch, die Corona-Infektion und die Einschränkungen waren sehr klar: Keine Umwege oder andere unerlaubte Abenteuer. Erstaunlicherweise war die Polizei über unsere Verschiebung informiert und nur bei zwei Kontrollen mussten wir Papiere vorzeigen. Sonst reichte eine kurze Erklärung über unseren Grund der Fahrt, oder ein kurzer Blick auf unsere Nummernschilder und schon wurden wir durchgewinkt.

Gegen Ende des Nachmittags erreichten wir die Zufahrt zum Fährhafen von Igoumenitsa, wo schon viele mitteleuropäische Touristen mit ihren Wohnmobilen auf den Einlass warteten. Unsere Lage war für alle sehr speziell und herausfordernd, so war schnell irgendein Kontakt geknüpft und die jeweilige Leidensgeschichte erläutert. Auch trafen bald Ina und Christopher ein, die nach ihrer Odyssee durch halb Griechenland und Blockierung an der bulgarischen Grenze sich doch noch in die zweiwöchige Heimisolation in Deutschland begehen müssen. Ob auch wir eine solche Selbstisolation in der Schweiz antreten müssen, wussten wir im Moment der Abfahrt noch nicht und fanden auf der Seite des BAG (Bundesamt für Gesundheit/CH) kaum eine entsprechende Antwort.

Noch während wir unsere definitiven Unterlagen für die Überfahrt entgegen nehmen konnten, wurden von der griechischen Polizei die Wohnmobile vom örtlichen Campingplatz (hauptsächlich Franzosen) in Eskorte zum Hafen gebracht und verlieh der Situation, wo sich momentan die Weltgemeinschaft befindet, einen gehörigen Nachdruck.

Nach dem Einlass ins zollfreie Hafengelände wurden wir in beachtlichen Abständen aufgestellt und eine längere Wartezeit stand uns bevor. Trotz der grossen Abstände gab es nach links wie rechts verschiedene Kontakte und Gespräche; teils lustige und aufmunternde, anderseits auch nachdenkliche, ja fast unglaubliche Geschichten.

Kurz vor 22 Uhr tauchte endlich unsere Fähre von Patras herkommend in der völlig dunklen Nacht im Hafen von Igoumenitsa auf. Ein etwas gespenstiger Anblick und auf den ersten Blick erschien die Fähre eher als ein kleines Boot und wir fragten uns, ob in diesem Schiff wohl alle Wohnmobile ihren Platz finden würden, da immer mehr Lastwagen mit ihren Aufliegern in Kolonnen aufgestellt wurden. Doch vermutlich passen in den Schiffsrumpf mehr Fahrzeuge als dies der Anschein machte und selbst ein nicht im Voraus gebuchter Australier konnte mit seinem Lastwagen mitfahren.

Da unser Jeep eher ein normales Auto ist, konnten wir sehr bald verladen und tief in den Schiffsrumpf hinunter fahren. Zwar können wir in Zielhafen Ancona erst am Ende wieder raus fahren, dafür konnten wir bei der Schiffsrezeption die weiteren Papiere und Schlüssel zur Kabine sofort und ohne grosse Warterei abholen. Schlussendlich sollte man in dieser Zeit entsprechend Distanz wahren, was bei den anschliessenden Passagieren kaum mehr möglich war. Ein Schiff mit seinen engen Gängen und Räumen ist vermutlich in Corona-Zeiten eher ein schlechter Platz für einen respektvollen Abstand.

Pünktlich legte die Fähre in Igoumenitsa ab und im Hafen blieben keine Fahrzeuge zurück, weder Autos oder Wohnmobile noch irgendein Lastwagen. Während die Motoren das Schiff in ein leichtes Vibrieren versetzte, wiegelten uns die sanften Wellen der Adria in einen sanften Schlaf. Auch genossen wir, nach unseren 25 Tagen Azapika-Strand den Komfort unserer Kabine und liessen ausgiebig das warme Wasser der Dusche über unsere Körper perlen. Obwohl die körperliche Hygiene nicht zu kurz kam, konnte das kalte Wasser bei der Kapelle nie diese warme Dusche ersetzen.

Entgegen unserer Erwartungen mussten wir unsere Kabinen am späteren Vormittag bald verlassen und uns irgendwo für die weiteren Stunden niederlassen. Wir begriffen diese Anordnung nicht ganz, da sämtliche Passagiere in sehr engen Verhältnissen die Wartezeit auf dem Deck oder in einem Innenraum auf die Ankunft verbringen mussten. Wir wählten das Deck, wo der Freiraum etwas grösser war als in den innenliegenden Aufenthaltsräumen. Nebst der immer wärmeren Sonne bereicherte ein französischer Gitarrist mit seinen Liedern die Stunden des Nichtstuns und versetzte uns in Openair-Stimmung.

Fast auf die Minute genau liefen wir in Ancona in den Hafen ein und auch wir konnten nach rund einer halben Stunde von der untersten Verladeebene hinaus ins Tageslicht fahren. Die italienische Polizei kontrollierte unsere Papier und Zielort innerhalb Italien sehr genau, eh wir auf dem Quai in verschiedene Reihen aufgestellt wurden, die – Reihe um Reihe – von Polizeifahrzeugen zum Autobahnanschluss ausserhalb von Ancona eskortiert wurden. Ab dort konnten wir unsere Heimfahrt in Eigenverantwortung antreten. Doch die Anweisungen waren sehr klar und es wurde uns auch von den jeweiligen Botschaften ans Herz gelegt, dass wir quasi Pioniere seien und wir die Ausnahmebewilligung nicht überstrapazieren sollten. Die Ländervertretungen in Griechenland planen noch weiter Rückfahrten von Wohnmobilen, doch bei allzu vielen Übertretungen der Anweisungen könnten die italienischen Behörden solche Transitfahrten wieder unterbinden.

Wir folgten auf der „Autostrada Adriatica“ dem gleichnamigen Meer entlang in nördlicher Richtung, drehten nach Nordwesten ab, folgten der untergehenden Sonne immer schön dem Teerband der kommenden Nacht entgegen.

Wir waren bereits beim Verlassen von Ancona sehr erstaunt, dass sich fast keine Menschen in den Strassen aufhielten noch irgendwie unterwegs waren. Auf der Autobahn waren praktisch nur Lastwagen und ein Konvoi von Wohnmobilen unterwegs; sonst bewegte sich fast nichts. Selbst die flüchtigen Blicke von der Autobahn in die naheliegenden Dörfer und Städte vermittelte uns den Eindruck, dass halb Italien ausgestorben sei.

Der Zufall wollte es, dass wir erneut gemeinsam mit Ute und Thomas die vielen Kilometer bis kurz vor Bologna zurücklegten, dort auf einer Raststätte uns dann definitiv verabschiedeten und gegenseitig noch eine gute Heimfahrt wünschten. Sie werden dem Brenner und der Selbstquarantäne entgegen fahren, wir weiter in Richtung Mailand.

In der Zwischenzeit ist die Nacht über der Po-Ebene hereingebrochen und die Dunkelheit schränkte auch die Sicht ein. Unser Entschluss, bei der nächsten Raststätte zu bleiben war bald gefällt und vor Parma fanden wir eine entsprechend Bleibe (natürlich auf einer Autobahnraststätte!), wo schon bereits andere Wohnmobile von der Fährüberfahrt ihr Nachtlager aufschlugen.

Nach einer ruhigen Nacht, was eigentlich an Autobahnen selten üblich ist, kochte bald der Kaffee in unserer Espressokanne und hauchte uns wieder die notwendigen Lebensgeister ein. Während wir am Kaffee schlürften, gesellte sich ein polnischer Lastwagenfahrer in unsere Nähe und es entstand ein kurzes Gespräch über die Missstände, denen sie als Fahrer von lebensnotwenigen Güter ausgesetzt sind. Nicht nur halb Europa wurde still gelegt, sondern auch ihre notwendige Infrastruktur für einen geordneten Transport. Die Regierungen versprachen der Bevölkerung, dass die Lebensmittel jederzeit in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, doch jene, die die Waren anliefern, wurden gleich vergessen und alle möglichen Einrichtungen wie Verpflegung oder Toiletten geschlossen. Obwohl nach seinen Aussagen Italien noch gut sei, können wir sein Anliegen teilen, da uns die vielen geschlossen Serviceanlagen gleich zu Beginn auffielen.

Wir setzten unsere Fahrt fort, umfuhren den Grossraum Mailand auf beinahe lehren Autobahnen und schwenkten in Richtung Verbania ein. Wir wählten für unsere Reise nicht den Weg durchs Tessin, da dieser Kanton für Schweizer Verhältnisse die meisten Corona-Erkrankungen verzeichnete, sondern wählten den schöneren Weg über den Simplon-Pass, was von den italienischen Behörden auch akzeptiert wurde, obwohl nicht alles Autobahn war. Die Fahrt auf der leeren Autobahn in Richtung Domodossola hinterliess an diesem Samstagmorgen einen gespenstigen Eindruck von einer ausgestorbenen Menschheit. Es war wirklich nichts unterwegs und die Blicke links und rechts verstärkte diesen Eindruck sehr stark.

Nach Iselle folgte die Ausreisekontrolle, die, entgegen unserer Erwartungen, sehr schnell durchgeführt wurde und die Beamten interessierten sich nicht für die mitgeführten Papiere oder anderen Dokumente. Schnellsten wurden wir zur Weiterfahrt aufgefordert! Dafür staunte wenige hundert Meter weiter der Schweizer Grenzbeamte. Mit grossen Augen musterte er zuerst den Jeep, fragte ganz ungläubig, woher wir kämen und nach unserem Reiseziel. Touristischer Verkehr war wohl seit einiger Zeit kaum hier unterwegs und nun stehen plötzlich Reisende aus Griechenland an seinem Grenzposten.

Auf unsere Frage, ob es hier in der Schweiz irgendwelche Einschränkungen gäbe oder ob wir uns gleich in eine Selbstquarantäne begehen müssten, meinte er nur kurz und trocken, dass wir uns fast frei bewegen und nach Hause fahren können. Es bräuchte weder Mundschutz noch Handschuhe, wir sollten uns einfach an die einfachen Regeln vom BAG halten. Wir waren erleichtert, da wir zu diesem Zeitpunkt nicht wussten, wo wir unsere Selbstquarantäne hätten verbringen sollen.

Die Fahrt auf den Simplonpass war entsprechend ruhig und wir erblickten nur eine Handvoll Autos. Doch weiter oben, wo links und rechts Schnee lag, standen viele geparkte Autos, deren Besitzer mit grösster Wahrscheinlichkeit auf irgendeiner Skitour unterwegs waren; die Spuren im Schnee waren klare Indizien dafür.
Ums Hospiz als auch beim Hotel Kulm erneut viele Autos mit Skiträgern und vereinzelt Menschen. Es gibt sie doch noch – die Menschen! Doch was ist mit den Einschränkungen? Hier bewegen sich die Leute umher, als sei alles ganz normal.

Schon vor Brig erlebten wir das pure Gegenteil der südlichen Länder. Zwar standen bei den Einkaufsgeschäften Bewachungsleute, und drinnen waren gewisse Bereiche und Produkte mit Absperrbänder vom übrigen Laden abgetrennt, doch die Geschäftigkeit und das Verhalten der vielen Menschen waren für uns sehr irritierend; wir waren schockiert, ja, wir hatten einen Corona-Schock!

Da wir zu keiner Eile verpflichtet waren, wählten wir den Weg in Richtung Genfersee und Jura. Schon im Wallis waren wir vom Verkehr überrascht; nebst vielen Velofahrern waren auch ganze Gruppen mit ihren Motorrädern unterwegs. Abgesehen von den geschlossenen Restaurants erweckte es den Eindruck, als wäre es ein normaler Tag und dass keine Einschränkungen zu beachten wären.

Wir suchten oberhalb von Yvorne eine nächtliche Bleibe und erfreuten uns einer absolut stillen Nacht hoch über dem Rhonetal. Die Weiterfahrt zum Hongrin-See war leider verboten. So mussten wir erneut hinunter ins Tal und ab Aigle wieder hinauf dem Col des Mosses entgegen fahren. Auch hier: Verkehr wie an einem normalen Sonntagmorgen – Velos, Motorräder und viele Autos! Ist der Corona-Virus in der Schweiz schon ausgerottet oder besteht in der Alpenrepublik keine Ansteckungsgefahr? Auch die grösseren Gruppen um den Hongrin-See vermittelte alles andere als irgendeine Gefahr durch einen unsichtbaren Feind, der die halbe Menschheit zum Nichtstun verurteilte.

Isoliert in unserem Auto, durchstreiften wir die Weiten der Waadt und kraxelten am späteren Nachmittag hinauf in den Jura, wo wir erneut für die kommende Nacht unser nächtliches Lager fernab jeglicher Zivilisation ausschlugen. Das Erlebte in dieser kurzen Zeit in unserem Heimatland irritierte uns zusehends und wir waren irgendwie ratlos, was wir nun machen dürfen und was nicht.

Bevor wir uns ins „Asyl“ nach Aesch zurück zogen, gab es einen kurzer Abstecher auf den Chasseron, gefolgt von vielen Irrfahrten in den Wäldern oberhalb des Val de Travers, wo viele Strassen infolge von grösseren Schneefeldern (nördliche Abhänge) unpassierbar waren. Später durchsteiften wir die Franches-Montagnes auf vielen Nebenstrassen und steuerten in Richtung Delémont. Von dort war es nur noch ein Katzensprung bis nach Aesch und zu unserem nächsten Camp.

Die ganze Fahrt war für uns ein wunderbares Erlebnis, wieder durch eine sehr vertraute Gegend zu fahren und diesen Genuss teilten wir an diesem Tag mit vielen andern Menschen, die sich draussen mehr Erholung erhoffen als bei sich zu Hause in der Isolation.

Vermutlich sind wir Schweizer wirklich gegen alles resistent, selbst gegen die bösen Corona-Käfer. Wir sind sehr gespannt, wie es sich bei den umliegenden Ländern verhält – ob wir bald wieder durchstarten können, oder für zu einer längeren Warterei verurteilt sind.