Der „goldene Esel“…

>Bilder ganz unten!

…im südwestlichen Island unterwegs.
In der südwestlichen Ecke von Island wohnen die meisten Bewohner und hier reisen vermutlich ebenso der grösste Teil der Besucher durchs Land. Der Trumpf dieses Landesteil liegt fast auf der Hand: Hier sieht man eigentlich fast alles, was Island so speziell macht. Nebst aktiven Vulkanen, gibt es Gletscher, eine fast unzählbare Menge an Wasserfällen und Landschaften, als sei die Erde vor wenigen Stunden erschaffen worden. Die Isländer verstehen das goldene Geschäft mit dem Tourismus: Alles ist hier etwas teurer als in den anderen Landesteilen und für vieles fällt irgendeine Gebühr an. Dafür stehen wirklich überall Informationstafeln in verschiedenen Sprachen und es wird nichts dem Zufall überlassen. Eigentlich wahnsinnig, was so wenig Einwohner für ihre Gäste machen und organisieren.

In Stykkishólmur klickten wir uns in die Route des „goldenen Kreises“ ein und folgten den unzähligen Dacias, Kongoos und wie sie auch immer heissen mögen. Doch in Island bedeutet viel nicht das Gleiche wie in unserer Heimat und man steht sich in der Regel nirgends auf den Füssen herum. Vielleicht sorgten auch die schlechten Wetterbedingungen für etwas weniger Ansturm und selbst durch das Snæfellsnes konnten wir über einsame Bergstrassen alleine bis kurz vor den gleichnamigen Gletscher heran fahren, der sich komplett in den Wolken verhüllte und uns jegliche Weitsicht raubte.

An der Südküste von Snæfellsnes, bei einem bekannten Beobachtungspunkt von Seehunden, drängten sich dafür viele Leute, schwer bewaffnet mit Kameras und Objektiven, um die beste Position. Ich möchte gerne wissen, was die vier Seehunde draussen auf der Sandbank über uns dachten. Eine Infotafel am Rande des Parkplatzes, die kaum beachtet wurde, vermittelte noch viel Wissen über die Seehunde und, dass in den letzten Jahrzehnten die Tierpopulation in Island um 90% sank.

In Borgarnes, einer wunderbaren Kleinstadt, die ca. 60 Kilometer nördlich Reykjavík liegt, hatten wir vom ganzen Touristentross genug und schwenkten wieder in ein einsames Tal nach Osten ein. Vor dem urbanen Rummel der Hauptstadt wollten wir noch einmal Ruhe und Berge geniessen. Zwar waren die Wetteraussichten nicht besonders vielversprechend, doch Schneefall wurde keiner angekündigt. So wagten wir uns erneut ins Hochland und bald standen wir ein zweites Mal südlich des Langjökull (Gletscher) und umrundeten den Hlöđufell. Das Wetter änderte sich schlagartig – fast von einer Minute zur andern – und wir waren froh, dass wir unseren Jeep in den Schutz einer Berghütte stellen konnten. Der Wind heulte um die Hütte und unseren Camper, der immer wieder kräftig durchgeschüttelt wurde. Die „stürmische“ Nacht wollte kein Ende nehmen und der Regen prasselte von allen Seiten ans Dachzelt.

Die Fahrt aus dem Hochland heraus war, trotz stürmischer Wetterlage, ein eindrückliches Erlebnis und von einem Tal ging es ins nächste; so umrundeten wir unzählige Vulkane oder was von ihnen übrig geblieben ist. Am späten Nachmittag erreichten wir Ƥingvellier und fanden uns mitten in Reisebusse und Touristenautos wieder. Auch wir folgten in Gänsemarsch dem Graben entlang, der Island jährlich ein paar Millimeter auseinander zieht. Eigentlich schade, dass diese vielen Reisenden nur solche Attraktionen zu Gesicht bekommen; unser Erlebtes im Sturm und Regen rund um den Hlöđufell bleibt ihnen vermutlich verwehrt.

Bis zur Hauptstadt war es auch für uns nicht mehr allzu weit. Doch statt der schnellsten Verbindung stiegen wir wieder über unzählige Erhebungen, die im Winter ein wahres Eldorado für Snowmobile sind, guckten auf dampfende Quellen, die alle für die Energienutzung angezapft wurden und folgten der Dampfleitung in Richtung Westen Reykjavík entgegen.

Der Besuch der Hauptstadt war für uns eher ein Verdruss als Genuss; nebst kalten Temperaturen war der Regen unser Begleiter durch die ländliche Metropole. Etwas erschrocken waren wir jedoch, dass wir selbst nur für „Fish and Chips“ einen riesen Betrag hinlegen mussten und das zusätzliche Bier unser Budget fast überstrapazierte. Auch die vielen Museen mit ihren Sonderausstellungen lockten uns, doch bei den jeweiligen Eintrittspreisen war unser Interesse schon bald erloschen. So zog es uns bald wieder aus der Stadt heraus.

Wir folgten erneut der Küstenstrasse hinaus aus Reykjavík und bald waren die letzten Orte im Rückspiegel verschwunden. Das ländliche Island lag erneut vor uns und zwischen den Lavafeldern grasten die Kühe und Schafe auf den von Menschenhand mühsam erschaffenen Feldern. Selbstverständlich steuerten wir auch den südwestlichen Zipfel der Halbinsel von Reykjavík an, wo es vorgängig durch unzählige Geothermalanlagen hindurch ging, und überall qualmte der Dampf in die Höhe. Die schwefelhaltige Luft ist nicht jedermanns Sache und mit hochgezogenen Tüchern stiegen die Touristen bei Rekjanestá auf den höchsten Aussichtspunkt.

Die Parkgebühr in Rekjanestá vertrieb uns jedoch sehr schnell: Sie wollten tatsächlich 1000 isländische Kronen – umgerechnet ca. 8.00 sFr. – um kurz ein Foto zu machen. Auch um die „blaue Lagune“ machten wir einen riesigen Bogen. Die ganze Anlage sieht zwar super toll aus, doch die Eintrittspreise verschlugen uns gleich die Sprache. Nach den tollen Badeerlebnissen im Hochland wollten wir auch nicht unbedingt in diese Menschgemenge hinein; schlussendlich war Corona immer noch ein Thema.

Beim Fragradalsfjall – ein aktiver Vulkan mit viel Gesteinseruption und Gasentweichung – verstehen die Isländer erneut das Geschäft: Sofort wurden viele Parkplätze erstellt und über ein besonderes „Island-App“ kann man die Parkgebühr von lächerlichen 1000 isländische Kronen begleichen. Wahnsinn!

Gleich ein Tal weiter fanden wir erneut unseren Weg durch die unberührte Vulkanlandschaft und waren nahezu alleine unterwegs. Fürs nächtliche Camp hatten wir zuerst unsere Bedenken und begutachteten die speziellen Informationen zur Gasentwicklung und die bevorstehende Windrichtung.

Die Nacht östlich vom Fragradalsfjall überstanden wir ohne irgendwelche schlechten Gerüche, doch unser Jeep musste in eine entsprechende Werkstatt. Beim Räderumsetzten – dies macht man bei einem Geländewagen in regelmässigen Abständen – entdeckte ich am rechten Vorderrad ein ausgeschlagenes Achsschenkellager. Zähneknirschend fuhren wir wieder zurück nach Reykjavík zu einer offiziellen Werkstatt für unseren Amerikaner. Glück im Unglück: Die Werkstatt konnte unsere Reparatur gleich am Folgetag durchführen, obwohl das Arbeitsvolumen für mehrere Wochen vorhanden gewesen wäre und zu unserer Überraschung, das gewünschte Ersatzteil war an Lager. So setzten wir nach rund 5 Stunden Wartezeit unsere Fahrt fort und mit einer gewissen Beruhigung konnten wir bedenkenlos wieder über Wellenblechpisten im Hinterland fahren. Die Lenkung, resp. das entsprechende Lager sollte den Beanspruchungen wieder standhalten.

Der Sonnenschein war leider auch nicht mehr ganz zu unseren Gunsten und die vielen dunklen Wolken versperrten öfters die Aussicht auf die umliegenden Vulkane. Wir folgten über verschiedene Pisten nördlich um dem Eyjafjallajökull und Mýrdasljökull, wobei der erstgenannte 2010 ausbrach, den europäischen Flugverkehr gleich mehrere Tage stilllegte und für eine gewisse Reduktion der Abgase aus den Triebwerken sorgte. 😉

Auch wir waren dort oben hinter den Vulkanen nicht ganz Emissionsfrei unterwegs, genossen aber die abwechslungsreiche Landschaft sehr. Und, je näher wir nach Landmannalaugur kamen, desto mehr Verkehr war auf den sehr holperigen Pisten unterwegs. Allradgetriebene Busse und Superjeeps transportierten Reisende auf all möglichen Erhebungen und Aussichtspunkte. Ganze Wandergruppen umrundeten Vulkankrater und in Landmannalaugur musste man beim Warmwasserpool Schlange stehen. Dass die Betreiber der Unterkünfte und Anlagen im Hochland in kurzer Zeit das Jahreseinkommen generieren müssen, verstanden wir auch, aber die 5000 isländische Kronen für den Campingplatz, der eigentlich ein Parkplatz auf einem Kiesplatz ist, fanden wir erneut etwas überrissen. Nebst einer unsauberen Toilette, die sehr weit entfernt lag und immer überbelegt war, gab es keine anderen Dienstleistungen.

Bei unserer weiteren Planung der Route entdeckten wir eine weitere Piste, die direkt den Gletschern vom Mýrdalsjökull und Eyjafjallajökull dem nördlichen Rand entlang folgt. Kaum entdeckt, schon stiegen wir wieder hinauf in die gebirgige Vulkanlandschaft und linksliegend lächelte uns der erste Gletscher entgegen.

Für den Abend fanden wir abseits der Piste einen wunderbaren Platz fürs Camp und richteten uns bei Sonnenschein ein. Der plötzliche Windwechsel blies kalte Luft über den Gletscher und die Wolken verdunkelten sich immer mehr. Nach kurzer gegenseitiger Beratung verliessen wir das „Hochlager“ und fuhren wieder hinunter in etwas tiefere Lagen. Bei einer Schutzhütte fanden wir dann einen entsprechenden Platz für die Nacht und waren bald froh, diesen Rückzieher gemacht zu haben; es stürme und regnete bald sehr ausgiebig.

In Vík-í-Mýrdal soll die grösste Regenmenge von ganz Island fallen; so steht es in unserem Reiseführer und ganz unrecht war es bei unserem Aufenthalt nicht. Regen und kalte Temperaturen liessen unsere Aktivtäten auf ein Minimum beschränken und nur beim Autofahren oder unter der Bettdecke war es einigermassen erträglich. Von der grossartigen Landschaft um den südlichsten Punkt von Island sahen wir fast nur wolkenverhangene Felswände von einstigen Vulkanen, die alle irgendwo im Nichts hinter dicken Wolken verschwanden.

Ein Reisepaar empfahl uns, östlich von Vík von der Ringstrasse abzuzweigen und über eine Piste hinauf zu den Laki-Kratern zu fahren, was gut zwei Tage in Anspruch nehmen würde. Doch die Regenfälle liessen alle Flüsse stark ansteigen und schon bei der dritten Flussdurchquerung war für uns die Fahrt zu Ende: Zu hoch und zu reissend war der Fluss! Für unseren Jeep wäre es eindeutig zu viel gewesen und ab einer gewissen Wasserhöhe wird jedes Auto zum Schiff. So kehrten wir wieder zurück und suchten einen alternativen Weg zu den Laki-Kratern. Da der andere Weg kein offizieller Weg sondern nur eine Piste für hochgestellte Fahrzeuge ist und die Wetteraussichten sehr schlecht waren, liessen wir von der Fahrt hinauf ins Hochland und den Kratern ab.

Südöstlich vom Vatnajökull – dem grössten Gletscher der Erde ausser den polaren Eisfeldern – war es endlich wieder etwas trockener und wir konnten uns vor Höfn einer weiteren grossen touristischen Attraktion widmen. Hier kalbert der Breiđamerkurjökull – ein Gletscherteil vom Vatnajökull – grosse Eisbrocken in verschiedene Gletscherseen und der Wind treibt diese auf dem Wasser umher. Selbstverständlich werden die Touristen in Gummibooten um die Eisbrocken herum geführt und wir waren uns nicht ganz sicher, ob es mehr Boote oder Eisberge im See hatte. Bei östlichsten Gletschersee spült der Wasserfluss die Eisbrocken hinaus aufs offene Meer, werden von der Flut wieder an den Strand gespült und zerfallen in wechselnden Skulpturen zu Wasser.

Der einsetzende Regen beim letzten Gletschersee liess uns bald weiter ziehen und in Höfn planten wir an unserer Weiterfahrt; die Wetteraussichten waren wirklich nicht die Besten, Regen und Kälte waren angesagt und die Kälte machte uns im ungeheizten Camper immer mehr zu schaffen.