Die letzten Tage

>Bilder ganz unten!

Agafay-Wüste – Mittlerer Atlas – Meknès – Rabat – Tanger – Ceuta(ES)
Das Staunen in der Agafay-Wüste war unsererseits riesig; verlängerte Wochenenden in Marokko mit vollem Erlebnis in der Wüste, wo man sich im Pool von den Strapazen der Quad-Tour erholen und die schneebedeckten Gipfel des Hohen Atlas anschauen kann. Verrückte Welt! Nein, wir liessen diesen Kommerz links liegen und zogen unseren Weg weiter in Richtung Hohen- und Mittleren-Atlas.

Wir folgten dem Hohen-Atlas auf der nördlichen Seite dem Mittleren Atlas entgegen. Teils erreichten wir immer wieder breite Flussläufe, die aus dem hohen Gebirge in die Ebene hinaus führen, bevor unser Weg wieder steil in irgendein Tal hinein ging. Die Täler als auch die engen Gebirgstäler sind dank dem grossen Wasservorkommen entsprechend fruchtbar und dadurch dicht besiedelt. An vielen dieser Talausgängen stehen grosse Talsperren, die das Wasser für trockene Perioden zurück halten. In verschiedenen Teilen werden grosse Dämme erstellt, um noch mehr Wasser für die Plantagen in den Ebenen zu speichern und als Nebeneffekt dienen diese Mauern dem Hochwasserschutz. Was mit der Bevölkerung im Staubereich passiert, wissen wir nicht, doch in einem Königreich werden die Interessen der einzelnen Leute wohl kaum berücksichtig.

So kletterten wir über unzählige Höhen und Pässe, durchstreiften enge Täler und folgten steilen Bergflanken in nordöstlicher Richtung. Zu unserer Verwunderung; auch fernab der grossen Touristenrouten kennen die Kinder den Volksport des Betteln bestens und schon von weither hörten wir sie immer wieder rufen, dass sie irgendetwas von uns wollen. Natürlich mit; „donnez-moi un stylo..“, usw. und die europäische Währung kennen sie bestens. Schade, wir wären so gerne an manchen Stellen geblieben, doch sobald man anhält, geht es keine zehn Minuten und schon wird man von 10 kleinen Augen gemustert. Die Bettelei folgt dann in kürzester Zeit und Geduld haben sie mehr als genug.

Aber auch erwachsene Männer können sehr aufdringlich sein und erfinden die abenteuerlichsten Geschichten, um irgendetwas zu erbetteln. Beim Bin-El-Ouidane-Stausee tauchte morgens ein älterer Herr auf und gab sich als Platzwart des „Campplatzes“ aus und er sei vom Forstamt. Im Laufe des Gespräches widersprach er mehrmals seinen Äusserungen, doch seine Forderung war klar; er bräuchte 100 Euro für die Herzmedikamente seiner kranken Mutter und als arbeitsloser hätte er dafür kein Geld. Mir (Tom) wurde das ganze Gespräch etwas zu bunt und stellte ihn als Lügner hin, da er zuerst beim Forstamt angestellt und ein paar Minuten später arbeitslos sei. Kaum hatte ich die Anschuldigungen ausgesprochen, schon suchte er das Weite. War wohl nichts mit abkassieren der Campinggebühr!

Östlich, oder war es mehr südöstlich von Beni Mellal, erreichten wir den Mittleren Atlas, wo es nicht mehr so weit in die Höhe ging und die Landschaft in mehrheitlich sanftere Hügel überging. Wir durchstreiften wieder grössere Wälder und Hochebenen, wo fleissig die Felder bestellt wurden. Traktoren sind hier noch sehr selten zu entdecken, dafür werden mit Esel und Maultieren die Äcker aufgelockert. Die menschliche Arbeitskraft ist reichlich vorhanden und wird entsprechend eingesetzt. Es waren auch die wenigen Momente, wo wir Männer bei der Arbeit sahen. Sonst sassen sie immer in den vielen Kaffees oder sitzend in einer Männerrunde am Strassenrand, vertieft in einer Gesprächsrunde.

Weiter nördlich und nach vielen Irrfahrten, durchstreiften wir den Khénifra- und Ifrane-Nationalpark, wo dichte Wälder und grosse Lichtungen das Bild prägten. Nebst den Schaf- und Ziegenherden, ist in Marokko so üblich, endeckten wir die freilebenden Berberaffen, die ziemlich neugierig unser Auto musterten und nach irgendeiner Leckerei Ausschau hielten. Wir waren etwas verwundert über das dicke Fell der Affen, doch in schattigen Flächen lag Schnee und die Temperatur war selbst tagsüber im tieferen einstelligen Bereich.
Und zu unserer Verwunderung; östlich von Azrou liegt ein kleines Skigebiet. Bei unserer Durchfahrt waren die Schneebedingungen jedoch nicht gerade optimal für einen Skitag. 🙁

Bevor wir erneut dem Atlantik zusteuerten, galt unser Interesse dem Weingebiet um Meknès, wo aus eigener Erfahrung gute Säfte heran reifen und als Wein ausgebaut werden. Leider fanden wir keine unserer gewünschten Weinkellereien. So blieb es bei einer kurzen Stadtbesichtigung von Meknès, eh wir weiter in westlicher Richtung Rabat zusteuerten. Vor dem Küstengebirge liegen noch weite Gebiete, die ebenfalls sehr fruchtbar sind und die Landwirtschaft bereits einen gewissen technischen Fortschritt hinter sich hat; Traktoren und grosse Arbeitsgeräte hatten in dieser Gegend die Handarbeit weitgehend verdrängt.

Rabat ist das pure Gegenteil vom restlichen Marokko; die Stadt als auch die direkt angrenzenden Vororte glänzten vor Sauberkeit und die Häuser sind fertig gebaut, verputzt und bemalt. Überall waren Männer und Frauen mit bunten Arbeitskleidern unterwegs und reinigten die Strassen, entfernten den Abfall und waren für die allgemeine Sauberkeit besorgt. Wo dann der ganze Unrat und Müll hingebracht wird, blendeten wir einmal aus, doch nördlich von Salé entsteht zurzeit ein neuer Berg und im Umkreis dieser Müllhalde sah es entsprechend aus; überall Plastiktüten und weiteren Unrat.

Die von Sauberkeit glänzender Hauptstadt konnten wir nicht übergehen und schon waren wir mitten im Getümmel der vielen heimischen Touristen. Königliche Monumente sind wohl nicht nur für Schulen auf dem Pflichtprogramm, Busse entluden sauber gekleidete Männer und Frauen, die fleissig mit ihren Mobilphones Selfies knipsten. Aus lauter Euphorie wählten auch wir einen falschen Weg, der zum Königspalast führte, was gleich zu einer kleineren Aufregung sorgte und wir umgehend zurück auf den öffentlichen Weg beordert wurden.

Über Larache und Asilah, die Künstlerstadt, ging es weiter dem Atlantik nordwärts Tanger entgegen. Die tollen und weiten Strände werden entlang der Küstenlinie immer mehr mit Feriensiedlungen überbaut, während im Hinterland Gemüse und Früchte für den lokalen Markt als auch den Export angebaut wird. Leider sah die Landschaft infolge des intensiven landwirtschaftlichen Anbaus entsprechend aus; Abfall als auch viel Kunststoff lag überall herum. Die vielen Ferienhaussiedlungen am Meer waren zwar fertig gebaut, doch an den Details fehlte es fast überall. Bei den halb fertiggestellten Häusern, die mehr Ruinen ähneln, wird oft aktiv Müll deponiert. Schade um diese wunderbare Landschaft.

Dafür wird vom Cap Spartel bis nach Tanger die Landschaft gehegt und gepflegt als würde gleich der König aufkreuzen. Sie ist wirklich atemberaubend schön und Touristen standen sich bei den Fotos mit den Dromedaren gegenseitig im Wege. Auch empfanden wir die jeweiligen Preise bei den Touristenattraktionen überrissen hoch und grenzte an europäische Verhältnisse; doch schön waren die jeweiligen Punkte trotzdem.

Da die Überfahrt von Tanger nach Algeciras hundert Euro teurer war als jene von Ceuta, wählten wir die zweite Möglichkeit und setzten unsere Fahrt ab Tanger weiter in östlicher Richtung fort; Eile hatten wir keine. Chantal lotste mich östlich von Tanger Maritime noch einmal über eine ausgesetzte Piste dem Meer entlang. Schade, dass hier das Militär mit ihren Wachposten stark präsent war; es wäre eine super Gegend für eine wilde Übernachtung oberhalb der Brandung der Strasse von Gibraltar gewesen.

So ging es noch gleichentags der Grenze von Ceuta/Spanien entgegen, wo unsere Geduld auf die Probe gestellt wurde. Über vier Stunden standen wir geduldig in der Kolonne für den Grenzübertritt. Bei der Ausreise dann lange Gesichter; wo ist das weisse Zettelchen, dass mir der Zoll bei der Einreise im letzten Jahr in den Pass gelegt haben sollte? Ohne Zettelchen keine Ausreise des Autos! Eine gewisse Aufregung machte sich breit und wir waren uns sicher, dass wir nichts erhalten hatten. Doch die Beamten beschuldigten uns dies verloren zu haben und wir nun ein grosses Problem hätten. Die weitere Warterei war fast unerträglich und etwas verloren standen wir bei den unterschiedlichen Zoll- und Polizeibeamten. Uff, was machen wir nun?

Doch plötzlich regelte sich die Geschichte von selbst oder die Beamten hatten Mitleid mit uns. Vielleicht war es auch eine Mischung aus beiden; einer streckte mir die Pässe und die Fahrzeugpapiere entgegen und meinte trocken, dass wir nun gehen sollten. Etwas schuldzuweisend sagte er noch, wir wären in der Schuld und sollen das nächste Mal besser aufpassen!

Erleichtert rückten wir zur spanischen Einreise vor. Hier erfolgte nur noch eine kurze Untersuchung des Fahrzeuges; der Zollbeamte wollte ganz sicher sein, dass wir in unserem Camper keine Person versteckt haben, gefolgt von einem kurzen Blick in unsere Pässe und schon hiess er uns willkommen in Spanien. Die ganze Geschichte um dieses Zettelchen, als auch die lange Warterei hatte uns komplett zermürbt. Doch die Freude war trotzdem gross in der spanischen Enklave in Afrika zu sein.

Es war schon lange dunkel, als wir uns im Yachthafen fürs kommende Nachtlager einrichteten und bald in die erlösenden Träume versanken.