>Bilder ganz unten!
…vom Joshua Tree Nationalpark an die Traumstrasse „1“ und zurück nach Los Angeles.
Für den zweiten Anlauf zum Joshua Tree N.P. wählten wir einen Nebeneingang, fernab einer gut ausgebauten Strasse. Zwar sind die Joshua-Bäume südseitig etwas spärlich, dafür ist die weite Landschaft sehr beruhigend und die grossen Steinfelder oder Berge laden zum Wandern ein. Für die Übernachtung fanden wir auf einem der zwei Campingplätze, wo die Regel ist „first come – first served“, einen tollen Platz mitten in eigenartig geformten Steinbrocken. Für die anderen Campingplätze muss man den Stellplatz vorher online buchen, oder man muss den Nationalpark verlassen um eine Verbindung zum Internet zu haben. Dieses Verlassen ist eine zweistellige Kilometerzahl im oberen Bereich; absoluter Blödsinn!
Am zweiten Tag fuhren wir zu lange um die Steinbrocken und Joshua-Bäumen herum und so kam es wie es kommen musste; auf den „freien“ Stellplätzen war so ziemlich alles belegt. Der Entschluss war schnell gefasst und die Fahrstrecke neu geplant. Nach dem Nachrechnen der exakten Distanz und checken des Dieselvorrats im Tank ging es los. Wir holperten über eine weitere Piste an den Südwestrand des Parks, wo wir auf einen ruhigen Stellplatz hofften. Dass dieser Weg einiges anspruchsvoller war als die Piste vom Vortag überraschte uns und es brauchte mehr Zeit als eingeplant. Dafür war unser Plätzchen direkt beim Verlassen des Nationalparks einmalig und entschädigte die mühsame Fahrt dorthin.
Der Joshua Tree N.P. hatte uns begeistert. Statt in Pioneertown zu übernachten, wo am Wochenende ein grosses Fest angesagt war, empfahl uns der dortige Platzwart einen anderen Platz anzufahren, ausser wir möchten uns mit den Möchtegern-Cowboys durch die Nacht im Bier ertränken. So standen wir erneut am Nordrand des Joshua Tree und genossen am folgenden Tag die abgelegene Nordwestecke, wo die wenigsten Touristen hinfahren.
Erneut kraxelten wir hinauf hinter die sieben Berge nach Pioneertown, wo zur früheren Zeit sehr viele Western gedreht wurden und heute noch Filme gedreht werden. Doch der Glanz ist etwas abgeblättert und vermutlich reiten die grossen Stars hier nicht mehr durch die staubenden Strassen. Dafür verstehen es die Amis ausgezeichnet um diese Bretterbuden ein touristisches Mekka zu machen.
Auf unserem Weiterweg entdeckten wir den Giant Rock mitten in einem grösseren BLM-Gebiet (BLM = Bureau of Land Management/nationale Verwaltung des öffentliche Land), den wir unbedingt aufsuchen wollten. Doch BLM-Land heisst auch, dass dort fast absolute Freiheiten herrschen und jeder machen kann, wie und was er will. Nebst den durchgeknallten Offroadern mit ihren Monsterfahrzeugen, knallte es fast hinter jeder Ecke, als wäre der Krieg ausgebrochen. Die Plätze sehen anschliessend entsprechend aus und die zerschossenen Gegenstände als auch die vielen Patronenhülsen werden nicht entsprechend entsorgt. Schade!
Durch die San Bernardino-Mountain bewegten wir uns weit oben in den Bergen um eine der grössten Agglomerationen der USA (L.A.) zu umfahren. Leider war es dunstig und die Fernsicht liess kaum tolle Fotos von diesem Moloch Los Angeles zu. Auch zwangen uns verschiedene gesperrte Strassen zu weiten Umleitungen oder die Weiterfahrt über irgendeinen Bergweg, der sich um steile Flanken windete und unser Herz manchmal in die Hose rutschen liess.
Eigentlich wollten wir in Los Angeles ein paar Nächte verbringen und Chantal wünschte sich unbedingt einen Besuch eines bekannten Filmstudios, wo u.a. auch Harry Potter gedreht wurde. Doch beim Durchrechnen der totalen Kosten verringerte sich die Lust für eines dieser Highlights von Minute zu Minute. Wollen oder können wir für zwei oder drei Tage so viel Geld ausgeben und anschliessend alles andere zurück stellen. Der Entschluss war bald klar – wir verzichteten.
So durchquerten wir das Beast – so nennen die Einheimschen ihr tägliches Verkehrschaos von Los Angeles – vom Nordosten herkommend in Richtung Venice. Selbstverständlich irrten wir noch ein wenig durch das Nobelquartier von Hollywood und waren erstaunt über dieses herausgeputzte Wohngebiet, wo nichts dem Zufall überlassen wird.
Nach dem Zentrum änderte sich das Bild erneut und Obdachlose waren überall mit Einkaufswagen aus irgendeinem Supermarkt unterwegs, mit denen sie ihre Habseligkeiten mitführen. Sobald wir den Pazifik in Venice erreichten, änderte sich das Bild wieder: Entlang des Strandes muss wohl ein herrliches Gebiet für allabendlichen Partys sein und die Nobles lässt grüssen. Wir sahen noch nie so viele Porsches und Ferraris als hier in Venice und Santa Monica.
Wir folgten der Strasse „1“ in westlicher, resp. nördlicher Richtung und waren erstaunt, dass nach Santa Monica, der letzte Stadtteil von Los Angeles, ein Wechsel von urbanem Gebiet in fast unbebaute Landschaft folgte. Wir hatten bald das Gefühl, dass wir irgendwo fernab von einer grossen Metropole unterwegs wären und genossen die freie Sicht auf die Weiten des Pazifiks.
Da uns noch eine gewisse Zeit bis zu unseren Ferien – ja, auch Langzeitreisende benötigen zwischendurch Urlaub – zur Verfügung standen, suchten wir einmal den Ort auf, wo wir unseren Jeep einlagern werden und konnten so einmal unsere Befürchtungen beruhigen. Die kalifornische Gesetzeslage ist für uns Europäer etwas speziell und als Einsteller muss man fast alle Risiken im Zusammenhang mit dem Lagergut übernehmen. Oder, verstreichen 60 Tag ohne Bezahlung, gehört das eingelagerte Material dem Besitzer der Storage und er kann es veräussern. Sehr speziell!
Mit gewisser Entspannung über die gesehenen Örtlichkeiten ging es weiter nordwärts, da wir sicher waren, die finanziellen Erfordernisse zu erfüllen. Wir wählten unseren Weg durchs küstennahe Gebirge, so dass wir nicht zwei Mal die gleiche Strasse fahren mussten. Gleich nach Santa Barbara stiegen wir hoch auf die erste Bergkette, wo ein abenteuerlicher Weg zwischen Himmel und Erde durchs fast unwegsame Gebirge führte. Schon der Name sagt einiges aus; Camino Cielo.
Die Blicke auf den Pazifik als auch ins Gebirge waren faszinierend. Wir waren auch nicht die einzigen, die diesen wunderschönen Tag fernab jeglicher Hektik genossen. Ob Sportler auf ihren Gravelbikes, oder Motorradfahrern mit den knatternden Enduros; auf diesem schmalen Weg weit oben auf der Krete waren einige Menschen unterwegs. Auch die beiden jungen Mexikaner, die mit ihrem brandneuen Truck die Kletterfähigkeit ausprobieren wollten und schlussendlich in einer absoluten Schieflage auf einer Geländekuppe strandeten. Da war unsere Vorbeifahrt in dieser einsamen Gegend fast wie ein Sechser im Lotto! In wenigen Minuten konnten wir das Auto wieder auf alle vier Räder ziehen. Als Dank wollten sie uns einen Joint anbieten, dass wir, angesichts der anspruchsvollen Fahrt, dankend ablehnten. Die gekühlten Biere nahmen wir jedoch gerne an und verstauten sie sofort im Kühlkasten, da sie abends sicher besser verträglich sind als hier oben auf den abschüssigen Bergwegen.
Vom Himmel ging es wieder hinunter ans Meer und angenehmeren abendlichen Temperaturen, wo auch das Bier besser schmeckte als weit oben in der Frische. Doch kaum hatten wir uns ans Rauschen des Meeres gewohnt, verliessen wir wieder die Meeresbrandung. Wir werden ja die Küstenstrasse wieder zurück fahren! Somit ging es wieder ins Hinterland, wo man nach wenigen Kilometern absolut einsame Landschaft erreicht. Dass wir anderntags den Park von (Michael) Jacksons Neverland entlang fuhren, war für uns eine Überraschung; gerne hätten wir auf der eigens fürs Neverland gebauten Eisenbahn eine Runde gedreht. Doch der neue Besitzer wünscht sich auf den 11 km² grossen Grundstück keine fremden Besucher und lässt die Ranch aufwendig mit Wachpersonal schützen.
Überhaupt war es danach nicht mehr so einfach eine abenteuerliche Strecke zu finden, da die vielen Ranch weite Gebiete für sich beanspruchen und die jeweiligen Tore mit dicken Ketten gesichert waren. So mussten wir einen grösseren Umweg zum Carrizo Plain Nationalmonument zurücklegen, bis wir durch dieses weite Grasland stauben konnten. Hier oben jagten vor langer Zeit die Urbevölkerung Tieren hinterher und beim Painted Rock wurden Felszeichnungen hinterlassen. Leider verstanden die früheren Siedler die Wandmalereien nicht ganz und kritzelten ihre Namen und Daten in die Felswände, so dass vieles an den ursprünglich wiedergegebenen Jagdszenen verloren ging. Auch wurde in diesem Gebiet von den Siedlern lange Getreide angebaut, was von den Menschen bei den sommerlichen Temperaturen einiges abverlangte. Heute gehört das Gebiet entlang des Andreas Grabens wieder der Natur und erst am Rande des Nationalmonuments sind wenige Siedlungen zu finden.
Wir erreichten erneut den weitläufigen Los Padres Nationalwald, wo wir schon zwei Mal vor gesperrten Wegen aufgeben mussten. Auch diesmal standen wir vor einem Schild, das uns auf eine gesperrte Durchfahrt aufmerksam machte. Doch unsere Abenteuerlust war grösser als das am Wegrand liegende Schild und so wagten wir die Weiterfahrt auf den Pozo Summit, den letzten hohen Übergang vor dem Pazifik und der Strasse „1“. Vermutlich wurde das Hinweisschild einfach nur vergessen zu entfernen, der Weg in die Höhen war jedenfalls gut befahrbar.
Bis zum Limekiln State Park waren es nur noch wenige Kilometer, wo auch für uns dann endgültig Schluss war. Durch Hochwasser wurde beim Pfeiffer Canyon ein Brückenpfeiler beschädigt, und in diesem Jahr hatte es gewaltige Erdrutsche gegeben, die selbst für einen Jeep unpassierbar waren. Doch wir genossen die Gelegenheit, ein grösseres Stück dieser landschaftlich wunderbaren Strasse zu befahren, die sich den steilen Bergflanken dem Pazifik entlang zieht. Nebst der aufregenden Landschaften bereicherten die Seeelefanten das Erlebte noch zusätzlich und liess uns lange auf dem Beobachtungsposten ausharren.
Bis nach Ventura/Santa Paula war es nicht mehr weit. Wir genossen noch die letzten Tage unserer Freiheit und Wärme tagsüber. Abends wurde es, sobald die Sonne am Horizont verschwand, kalt und nur das wärmende Feuer liess uns draussen in unseren Träumen verweilen. Doch der Alltag als auch unsere baldige Rückreise beschäftigte uns zunehmend und selbst diese kurze Rückreise in die Schweiz bedarf einer grossen Vorbereitung.
Auf dem Campingplatz in Santa Paula war die Zeit plötzlich knapp, und einiges verschoben wir auf unserer Weiterreise nächstes Jahr: Ich hätte gerne weitere Servicearbeiten am Jeep ausgeführt und das Auto innen vom Schmutz und Staub des letzten Jahres besser befreit. Doch plötzlich ging alles sehr schnell, was sicherlich nicht zu unterschätzen war. Ewiges herumsitzen und sich auf die Nerven gehen; nein, dies haben wir ausgelassen.
Die letzten Taschen waren schnell gepackt, den Jeep in den Storage gestellt und schon sassen wir vor dem Empfang des Campingplatzes. Und das Verrückte kam erst jetzt: Zu diesem Zeitpunkt stand kein Taxi zur Verfügung, das uns zum Flughafen von L. A. bringen könnte. In 6 Stunden wäre unser Flug und bis dorthin müssen wir durch den Moloch Los Angeles. Die Nervosität stieg ins Unendliche!
Chantal u. Tom/November 2023