>Bilder ganz unten!
….Plage Blanche – Agadir – Tafraout – Erg Chegaga – Tan-Tan
Der Sandsturm war für unsere Verhältnisse sehr stark und die Sicht zeitweise eingeschränkt. Auf dem Campingplatz am unteren Flusslauf des Drâa entschlossen wir uns, nach intensiven Studium der Wetterkarten und Aussichten, vorerst in nördlicher Richtung zu fahren. Dort soll es einiges besser sein und das Gebirge besseren Schutz vor dem starken Nordostwind geben. Mit dieser Hoffnung verliessen wir die Ksar Tafnidilt und folgten dem Flusslauf des Drâa rechtsufrig dem Meer entgegen.
Entgegen unseren Erwartungen, war die Piste schlechter als uns gesagt wurde und erst nach einer längeren Holperfahrt erreichten wir den Atlantik. Man sagte uns auch, dass die Fahrt dem Stand entlang möglich wäre, doch wir wussten weder die Gehzeiten noch kannten wir den genauen Einstiegspunkt. So folgten wir der Holperpiste in nordöstlicher Richtung nach Sidi Ifni. Es war nicht mehr so stürmisch und gegen Sidi Ifni wurden die Sturmböen immer schwächer. Sidi Ifni, eine Stadt die einst die Spanier in ihrem Stil bauten, lud zum Schlemmen und Schlendern ein. Endlich wieder einmal eine Nacht ohne Windgeheul und Heizung! 🙂
Wir setzten unsere Fahrt der Küste entlang fort und genossen das warme Wetter. Es war auch Wochenende und aus der Agglomeration Agadir suchten ebenfalls viele Erholungssuchende das rauschende Meer und tobten sich in den Sanddünen südwestlich von Agadir mit allmöglichen Fahrzeugen, Dromedaren und Snowboards aus oder genossen einfach ein Pick-Nick am Strand. Auch wir wühlten noch etwas im Sand herum und verbrachten eine Nacht im illegalen Bereich der Küste. Der nahe gelegene Militärposten wendete nichts gegen unsere Anwesenheit ein, doch ein morgendlicher Spaziergänger machte uns auf das strikte Verbot aufmerksam.
Da unser Jeep viel Sand und Staub durch den Luftfilter zog und unsere Weinreserven erschöpft waren, planten wir einen Kurzaufenthalt in Agadir ein. Im Carrefour deckten wir uns zu vernünftigen Preisen mit Wein ein und unser Jeep erhielt neues Motorenöl inklusiv Ölfilter. Nachdem alle übrigen Vorräte besorgt und ergänzt waren, verliessen wir das hektische Treiben von Agadir und suchten vor der Rückreise in den Osten am Meer eine Bleibe für die Nacht. Doch diesmal war das Militär nicht ganz mit unserem Vorhaben einverstanden und verwies uns in den naheliegenden Nationalpark, wo wir zwischen kleinwachsenden Büschen unser Nachtlager einrichten durften.
Zwischenzeitlich hatten wir mit einem Paar Kontakt, die mit dem gleichen Fahrzeug unterwegs sind wie wir. Wieso nicht für ein „Benzingespräch“ sich ganz unverbindlich treffen? Für mich (Tom) war es keine Frage, sondern fast ein Muss. Zwar war lange nicht bekannt, wo dieses Treffen stattfinden könnte, da sie noch weit im Osten waren und den Spuren der Dakar-Eco-Rally folgen wollten. So machten wir uns auf den Weg in südöstlicher Richtung und kraxelten hinauf in die Höhen des Anti-Atlas.
Wir unterschätzten die starke Besiedlung des Anti-Atlas als auch die zunehmende Höhe. In den Tälern war es fast nicht möglich, einen Platz für ein ungestörtes Nachtlager zu finden und in den Höhen war es abends als auch nachts sehr kalt. Die Berglandschaft war einmalig und wäre ein wunderbares Gebiet für ausgedehnte Wanderungen. In Tafraout, ein Ort mitten in runden Granitblöcken, wäre Klettern wohl die richtige Sportart um sich zu verweilen. Wir schlüpften weder in Kletter- noch Wanderschuhe, sondern begaben uns in tiefere Höhenlagen; es war uns abends und nachts einfach zu kalt!
Beim südlichen Verlassen der höheren Gebirgslagen wurden die Schäden der September-Regenfälle immer augenscheinlicher. Fast überall wurde die Infrastruktur stark in Mitleidenschaft gezogen. Nebst fehlenden Strassenstücken wurden auch Häuser von den Fluten weggeschwemmt oder zerstört. Bis in diesem weitläufigen Land wieder alles so sein wird wie es einmal war, wird vermutlich noch viel Zeit vergehen und die Leute haben für ihr Haus wohl keine Versicherungen wie wir dies in Europa kennen.
Fast an der algerischen Grenze, bzw. in der weitläufigen Ebene des Drâa-Flusses erreichten wir Icht, wo wir einen Waschtag – für Mensch und Material – einlegten. Es war auch die Gelegenheit, ein unterirdisches Dorf zu besichtigen. Ganz unterirdisch wäre wohl übertrieben, doch die unteren Etagen der Häuser liegen unter der Erdoberfläche, so dass diese im Sommer angenehm kühl blieben. Viel dieses Dorfteils ist zwar noch intakt und wird im Sommer immer noch genutzt, doch ein Teil der Gebäude ist am zerfallen. Einerseits sind die Leute weggezogen oder verstorben, die Gebäude wurden von den Familien aufgegeben und anderseits fehlt das nötige Geld für den richtigen Unterhalt.
Der lokale Führer lud uns nach der Besichtigung der unterirdischen Stadt zu sich nach Hause zu einem Tee ein und erzählte noch ausführlich über das ländliche Leben in seiner Gemeinde. Obwohl der Kinderreichtum gross ist, ziehen viele, die eine gute Schulbildung haben, von den Dörfern weg und hoffen, irgendwo eine bessere Arbeit zu finden. Auch bei ihnen sei der Wunsch nach Europa zu immigrieren sehr gross und die Hoffnung für ein besseres Leben ein fast nicht erreichbarer Wunsch.
Von Icht aus reisten wir relativ zügig in östliche Richtung dem Erg Chegaga und dem Iriqui-Nationalpark entgegen. Dort sollten wir uns mit dem Paar, das ebenfalls mit einem Jeep Wrangler und Gazell-Aufbau unterwegs ist oder sein soll, endlich für einem „Hallo“ treffen. Wegen falscher Koordinaten oder falsch eingegebenem Format verpassten wir uns beinahe in den Weiten der marokkanischen Wüste, aber per Zufall klappte es dennoch. Doch statt ein Jeep Wrangler fuhr ein grasgrüner Toyota HiLux mit Campingkabine beim Treffpunkt vor. Etwas irritiert waren wir schon, doch die Sachlage um den Wrangler wurde uns gleich erklärt und schon waren wir mitten im „Benzingespräch“ über dies und jenes. Gesprächsstoff hatten wir mehr als genug und der Abend am Feuer verging viel zu schnell. Den nächsten Tag genossen wir gemeinsam über Pisten und Schotterwege zum Cobra-Pass, wo wir uns gleich unter der schützenden Cobra für die nächste Nacht einrichteten; wie schon angemerkt, Gesprächsstoff hatten wir mehr als genug. 🙂
Da unsere Reisepläne als auch die zur Verfügung stehender Zeit sehr unterschiedlich waren, trennten sich unsere Wege wieder; sie – das Paar mit dem Toyota – fuhren in den Anti-Atlas und wir versuchten es auf den Pisten der algerischen Grenze entlang. Ja, wir wussten, dass entlang der Grenze militärisches Sperrgebiet ist, doch weder auf einer Karte noch bei anderen Quellen sind die Gebiete zu finden. So erreichten wir weit südlich von Foum Zguid einen militärischen Kontrollposten. Nach dem abfotografieren der Pässe und einem längeren Gespräch mit irgendeinem Vorgesetzten öffnete der wachhabende Soldat den Schlagbaum und wünschte uns gute Fahrt. Nach wenigen hundert Meter Fahrt entdeckten wir weisse Schilder mit Hinweisen der vergangenen Dakar-Rally und für uns war klar, dass wir hier durchfahren können und dürfen. Doch nach 30 Kilometer war es aus; von weiter Entfernung staubte ein offener Land Cruiser uns entgegen und stoppte unsere Fahrt. Freundlich, aber bestimmt wurden wir aufgefordert, das Gebiet umgehend zu verlassen, d.h. die Rückfahrt anzutreten. Etwas enttäuscht kehrten wir um und befolgten den Befehl der Rückfahrt. Nördlich vom Check-Point entdeckten wir auf der Karte eine weitere Piste, die in westlicher Richtung führt und ausserhalb des Sperrgebietes lag.
Bei der weiteren Planung war wir etwas vorsichtiger und achteten auf genügenden Abstand zur algerischen Grenze als auch den rot eingezeichneten militärischen Gebäuden, die an allmöglichen Pisten lagen. Doch in diesem Gebiet waren für uns nicht alle Pisten fahrbar. Wo die Nomaden mit ihren 125-er Motorräder den Dromedaren und Ziegen nachfahren, war für unseren Jeep irgendeinmal Ende der Fahrt. Erneute Suche nach einer möglichen Streckenwahl; in dieser Wüste gibt es abertausende Wege und Spuren. Jedenfalls fanden wir auf unserer elektronischen Karte einen Weg, der in unsere Wunschrichtung führte. So ging es zügig weiter durch diese einsame Gegend, wo wirklich kein Mensch zu sehen war.
Wir hatten an unserem Weg weder ein Schild noch einen militärischen Check-Point passiert, als wir in weiter Einsamkeit von einer militärischen Patrouille gestoppt wurden. Freundlich wurde uns erklärt, dass wir uns im Sperrgebiet aufhalten würden und dies eigentlich streng verboten sei. Auf unsere Aussage, dass wir weder eine Infotafel noch ein Kontrollposten passiert hätten, wollten sie nicht eintreten, da sie einfach ihrer Aufgabe nachgehen und keine Diskussionen mit Touristen führen würden. Nach der Datenaufnahme von uns als auch vom Fahrzeug wurden wir in Eskorte zum nächstgelegenen Check-Point begleitet. Beim Verlassen des Sperrgebietes meinten sie noch, dass wir uns an die asphaltierte Strasse halten sollten; dort hätten wir kein Problem. Gerade aus sei die „richtige“ Strasse nach Tata.
Wir hatten aber wirklich keine Lust, auf dieser Asphaltstrasse westwärts zu fahren. So folgten wir noch viele Kilometer einer Piste durch sehr abwechslungsreiche Landschaften und als wir anderen Offroadern begegneten, beruhigte sich die etwas angespannte Lage unsererseits. Unsere Befürchtungen, wieder in ein Sperrgebiet hinein zu fahren, waren fast allgegenwärtig. Doch irgendeinmal mündete auch unsere Piste in die neu gebaute Strasse und in zügiger Fahrt steuerten wir Assa an.
In Assa besorgten wir wieder die nötigen Lebensmittel, streichelten beim Fleischverkäufer den aufgehängten Dromedarkopf und liessen ein grosses Stück Fleisch vom toten Tier abschneiden, füllten den Tank voll und schon ging es wieder hinaus in die einsame Landschaft. Südlich von Assa liegen der Drâa-Flusslauf und der Ouarkziz-Gebirgszug. Dort möchten wir einer Piste in direkter Linie westwärts folgen und hier sollten wir mit dem Militär keine Probleme bekommen; die südlich liegende Westsahara wurde von Marokko annektiert und bedarf sicher keiner Bewachung mehr.
Die Senke beim Drâa-Fluss war sehr grün und ein wahrer Augenschmaus; nach so viel trockener Wüste waren die grünen Felder mit den üppig wachsenden Grasbüschen ein Fest für die Sinnen. Doch sobald wir wieder hinauf in Richtung Ouarkziz-Gebirgszug fuhren, wechselte die Farbe wieder in braun bis grau; tausende von Steinen oder einfach nur Sand. Willkommen in der nächsten trockenen Gegend.
In den folgenden Tagen folgten wir südlich des Ouarkziz-Gebirge und dem Oued Tigerst (trockener Flusslauf) über holprige und staubende Pisten in westlicher Richtung. Nach Msied, einen früheren Militärstützpunkt, erreichten wir den atlantischen Ozean. Es war eine Fahrt durch weite und unberührte Gegenden, wo wir gerade einmal 10 Menschen sahen. Dafür lag der nächste Sandsturm uns im Nacken; vom heftigen Wind und Sand hatten wir eigentlich schon ziemlich viel abbekommen. In unserem Jeep findet sich immer noch Sand vom letzten Sturm.
Das letzte Streckenstück dem Oued Chbika entlang war stellenweise sehr bewachsen und ein Indiz dafür, dass unterirdisch viel Wasser vorhanden sein muss. Am atlantischen Ozean angekommen, drehten wir nach Südwesten und folgten der Küstenstrasse. Zwei touristische Sehenswürdigkeiten möchten wir noch kurz besuchen. Weiter südlich konten wir nicht, da unsere Versicherung die von Marokko annektierte Westsahara nicht in der Versicherung einschliesst und eine spezielle Versicherung wollten wir für die kurze Zeit nicht abschliessen.
So schauten wir ins das Teufelsloch an, das wenige Kilometer vor Akhfennir lag. Wir staunten über die Wasserkraft des Meeres, wo das Salzwasser ganze Tunnels in die Felsküste hinein frisst. In Akhfennir wollten wir noch in aller Ruhe das Nötigste an Lebensmittel besorgen, Geld am Bancomat beziehen und einen Tee geniessen. Wegen Stromausfall gab es weder Geld noch war die Bank offen. Den Teegenuss liessen wir auch aus; die bettelnden Kinder nahmen uns den Spass. Umgehend verliessen wir den Versorgungsort an der Atlantikküste.
Bald erreichten wir die Khnifiss-Lagune (Naïla), eine grosse Lagune, die von Sanddünen umgeben ist und Zugvögel auf ihren weiten Wanderwegen ins Winterquartier als Rastplatz nutzen. Da momentan keine Zugvögel in dieser sehr ausgedehnten Lagune rasten, gab es nur wenige Flamingos zu bewundern und viele Fischer, die gerne mit ihren Booten Touristen durch die Lagune führen möchten, was vermutlich erträglicher ist als dem Fischfang nachzugehen. Auch standen sehr viele Wohnmobile auf dem Parkplatz in Reih und Glied. Vermutlich waren diese Wohnmobilisten aus den nördlich liegenden Landesteilen in den Süden geflohen, sind, da weiter nördlich die Temperaturen sehr tief sein sollen. Gemäss unserem Reiseführer verlieren sich in der Regel nur wenige Touristen in diese verlassene Gegend.
Uns waren diese vielen Wohnmobile, die wirklich parkplatzähnlich parkiert waren, zu viel. Der Wind, der ebenfalls zügig über die Ebene blies, gab uns den letzten Entscheid: Wir fahren irgendwo hinter das Küstengebirge. Dort soll es nach weiteren Informationen bei einem Wasserfall einen total einsamen Stellplatz mitten im Nirgendwo geben. Wasserfall ist zwar in dieser total trockenen Wüstenlandschaft etwas übertrieben, doch die Einsamkeit war für uns mehr als nur lockend; nur weg von diesen vielen Wohnmobilen.
Bei der Hinfahrt in diese Einsamkeit war es bereits etwas stürmisch und es schwebte viel Staub in der Luft. Zwar fanden wir den angeblichen Wasserfall in dieser Wüste nicht, doch ein geeigneter Platz für die kommende Nacht. Wir hatten bei der Platzwahl irgendwie Glück; der Wind war uns gnädig und selbst während der Nacht war es beinahe Windstill.
Morgens reichte es gerade aus dem Camper hinaus an den Frühstückstisch, als der Wind immer stärker über die Landschaft strich. Den letzten Schluck Kaffee konnten wir noch einigermassen ohne Sand zu uns nehmen, als der Sturm richtig los legte. Innert wenigen Minuten befand sich überall Sand und den Abwasch war mehr ein Waschen im Sandwasser. Öffnete man irgendeine Tür, schon war innen alles voller Sand oder vom feinen Staub eingepudert.
Auch war die gestern noch gefahrene Piste von viele Sandverwehungen überdeckt und die Sicht sehr eingeschränkt. Wir waren froh, als wir die Hauptverbindungsstrasse wieder erreichten und suchten einen windgeschützten Ort um die Reifen wieder aufzupumpen. Per Zufall gesellte sich ein Nomade zu uns und quasselte uns in seiner Sprache voll. Doch irgendwie hatten wir uns doch verstanden und plötzlich zückte er sein Mobiltelefon und zeigte uns Bilder vom Wasserfall hinter dem Küstengebirge, der nahe an der ehemaligen Grenze zu der Westsahara liegt. Tja, wären wir nur weiter gefahren. 🙁
Doch wir hatten vom vielen Wind und Sand in der Luft genug. In Tan-Tan sollte der Wind, gemäss den Wetterprognosen, bereits schwächer sein und abends ganz erliegen. So begaben wir uns in nordöstlicher Richtung und erreichten bald El-Ouatia, früher hiess dieser Ort Tan-Tan Plage, mit seinen touristischen und militärischen Einrichtungen. Doch einladend war der Ort definitiv nicht; alles irgendwie halb fertig gestellt und überall war Unrat in den Strassen und angrenzenden Feldern.
Uns zog es hinaus an die Flussmündung des Drâa-Flusses und das dahinter liegende Einzugsgebiet. Doch eine Sandverwehungen verzögerte unser Vorwärtskommen auf seine Art und am Oued Drâa waren noch nicht alle Strassen passierbar, was zu einer erneuten Nacht in der weiten Wildnis führte. Unser eigentliches Tagesziel auf der gegenüberliegenden Flussseite erreichten wir nicht.
Um zur Ksar Tafnidilt zu gelangen, mussten wir am Folgetag den weiten Umweg über Tan-Tan fahren. Dafür konnten wir uns noch mit den nötigsten Lebensmitteln als auch Treibstoff eindecken. Angekommen bei der Ksar, ein wirkliches Bijou an Unterkunft, erklärte uns der Besitzer noch einiges über die Septemberregenfälle und dass es in den weitläufigen Flächen des Drâa-Flusses wieder einmal so richtig viel Wasser gegeben hätte. Viele Wege und Pisten waren bis zu einem Meter unter Wasser und über Wochen nicht mehr passierbar.
Hoffen wir, dass in den nächsten Tagen kein Regen im Landesinneren fallen wird, so dass wir unsere Fahrt fortsetzen können. Wir möchten auf dieser einsamen Ksar nicht unseren Lebensabend verbringen. 😉