Einsamkeit…

>Bilder ganz unten!

….erneut im Hochland und im Nordwesten (Westfjorde) von Island
Die Nordküste als auch die Westfjorde sind sehr dünn besiedelte Gebiete. An den Küstenstreifen und in den langgezogenen Tälern wird Schaf- und Pferdezucht betrieben und wenige Milchbauern runden das Bild ab. In den wenigen Orten an der Küste dreht sich alles um den Fischfang, oder was von der ganzen Fischerei übrig geblieben ist. Die Fischerei muss hier in einer tiefen Krise stecken und ein gewaltiger Umwandlungsprozess lässt in den ländlichen Küstenorte tiefe Spuren hinter sich. Aber auch bei den Bauern macht sich der Preiszerfall für ihre Erzeugnisse bemerkbar und die Kostenschere öffnet sich immer mehr zu Ungunsten der Produzenten. Nebst viele ehemalige Fischereibetriebe zerfallen auch unzählige Bauernhöfe oder stehen kurz vor der Aufgabe.


Bei einem zufälligen Gespräch mit einem Bauern, der Pferde züchtet – die Isländer essen auch ihre Pferde – bezifferte er den Preiszerfall seiner Erzeugnisse in den letzten 10 Jahre auf 40%; und die Ausgaben stiegen gleichzeitig extrem an. Viele geben deshalb auf, die Folgegeneration möchte nicht mehr in der Landwirtschaft tätig sein und wandert ab.
Fährt man einige Kilometer landeinwärts, so werden die menschlichen Siedlungen immer weniger. Die vielen Schafe, die irgendwo auf den Wiesen weiden, geniessen ihr eigenständiges Sommerleben und werden vor dem Herbst, bzw. dem ersten Schneefall von den Bauern eingetrieben; sonst gibt es – ausser viel Natur – weit und breit nichts!

Wir freuten uns jedenfalls auf die grosse Einsamkeit und Stille. Nach den vielen touristischen Highlights entlang der Ringstrasse (Strasse Nr. 1), waren wir beide froh, endlich den ganzen Rummel hinter uns zu lassen. Obwohl man das Ganze nicht mit unseren touristischen Hotspots in der Schweiz vergleichen kann, waren wir nicht ganz unglücklich, wieder auf etwas holperigen Wegen unterwegs zu sein.

Akureryri und das langgezogene Tal mit seinen unzähligen Farmen lag bereits hinter uns, als es wieder steil hinauf ins Hochland ging. Wir folgten dem Flusslauf der Eyjafjarđará und waren bald von der Schwierigkeit der Piste überrascht. Nur langsam ging es immer tiefer und höher hinauf, so dass bald ein Camp am Wegrand angesagt war. Der Nebel verlieh der ganzen Umgebung einen sehr gespenstigen Eindruck. Nur der nahe liegende Bach gab uns die Vertrautheit, dass wir doch noch irgendwo auf der Erde sind.

Anderntags lachte uns weiter oben bald die Sonne entgegen und schon waren wir uns einig, die Hauptpiste zu verlassen. Eine Nebenpiste lockte uns sehr und wir hatten genug von den unzähligen Schlaglöchern, dem nervigen „Wellenblechabschnitte“ und die andauernde Vibrationen, die durch Mark und Bein gingen. Unser kurzer Entschluss brachte eine wunderbare weiche Fahrstrasse durch weite Flächen aus Vulkanasche und feinstem Schotter; wir glitten wie auf einer Wolke durch die weite unberührte Welt. Nach dieser zauberhaften Strecke gönnten wir uns am frühen Nachmittag in Laugafell – einer Oase mitten in dieser Steinwüste – ein warmes Bad im Naturpool und liessen unsere strapazierten und durchgerüttelten Gesässmuskeln im Wasser entspannen. Später belebte sich der Zeltplatz mit vielen weiteren Reisenden und ihren Offroadern und der Platz im Pool wurde immer knapper.

Bei unserer Weiterfahrt in nordwestlicher Richtung mussten einem Flusslauf erneut klein beigeben; zu hoch und eine zu starke Strömung des Gletscherflusses! Mit nur einem Fahrzeug mitten in dieser Pampa sollte man gewisse Risiken vermeiden, da bis zum Eintreffen eines Hilfefahrzeuges unser Camper von den Fluten wohl bereits weggespült wäre. Auf der Rückfahrt liessen wir uns durch Wegspuren in die wilde Landschaft hinaus „verführen“ und mit etwas mulmigen Gefühl fuhren wir immer weiter hinaus durch eine fast unberührte Landschaft. Ob diese Wegspuren nun illegales Offroaden war, wissen wir zwar immer noch nicht, dafür lief uns ein Polarfuchs vors Auto und wir durften eines dieser absolut scheuen Tiere direkt vor unseren Augen beobachten; wow, war das ein Erlebnis!

Wieder zurück an der Nordküste, folgten wir der Strasse rund um die Skagaheiđi-Halbinsel, wo es an verschiedenen Buchten Seehunde zu beobachten gibt. Nach mehreren Abstechern durften wir endlich ein paar sonnende Seehunde auf ihren Steinen beobachten, die sich immer in kleinen Gruppen aufhalten. Nebst fressen ist wohl in der Sonne liegen ihre Hauptbeschäftigung; welch ein Leben!

Um den Langjökull, einem weiteren grossen Gletscherfeld im westlichen Hochland, soll es für Abenteuer hungrige Touristen viele Attraktionen geben. So folgten wir wieder einem Gebirgsweg hinauf ins Hochland und, wie immer, nicht auf direktem Weg, sondern auf unseren Umwegen. Dass wir dadurch erneut an einem Gletscherfluss die Nacht verbringen mussten um den morgendlichen tieferen Wasserstand abzuwarten, muss man auf solchen Wegen immer wieder einkalkulieren.

traumhafte Umgebung von dampfenden Tälern, Schwefelgeruch und Felswände, die sich in verschiedenen Farben an der Oberfläche zeigen. Und ganz oben thront ein Gletscher, der sich bei unserem Besuch komplett in Nebel hüllte. Eine Parallelpiste zur Strasse 35 brachte uns zum Gullfoss (Wasserfall). Zuerst fuhren wir auf der gegenüberliegenden Seite zum Wasserfall, wo kein Tourist die rund tausend Meter über die Lavafelder geht. Das Schauspiel an der Felsklippe, wo grosse Mengen Wasser in der engen Schlucht über zwei Stufen hinab stürzen, war sehr imposant und wir konnten etwas hämisch den Touristen auf der gegenüberliegenden Seite zuwinken. 😉
Heute ist der Gullfoss eines der grossen Naturschauspiele, wo tausende von Reisende jedes Jahr halt machen um dieses Wunder zu betrachten. Dabei wäre der Gullfoss beinahe einem Stauprojekt zum Opfer gefallen und nur wegen dem ausbleibenden Pachtzins wurde die Mauer nicht realisiert.

Nach dem Wasserfall ging es weiter zu den Geysiren, wo sich ebenfalls unzählige Touristen um den besten Platz fürs Foto drängten; doch alle 10 Minuten schoss eine Wasserfontäne gegen den Himmel und konnte so jeden Fotografen erfreuen, oder in den Wassernebel einhüllen. Infolge der vergangenen Erdbeben und Vulkantätigkeiten sprudeln die Löcher nicht mehr wie einst oder sind ganz versiegt.

Nach so viel Rummel zogen wir uns wieder auf die „F“-Strassen zurück, senkten den Luftdruck in den Reifen und fuhren wieder steil hinauf in die Berge. Der Regen und der Nebel versperrte uns zwar die Aussicht auf die Ebene, die sich südwestlich unterhalb von uns sich bis zum Meer ausbreitet, dafür wurden wir weiter oben von der Sonne und ihren Lichtspielen überrascht. Traumhafte Wege durch Sand und Lavagestein, unzählige Berge, resp. erloschene Vulkane machten für uns die Landschaft einzigartig und wunderbar.

Nach der ganzen Tour umrundeten wir den Langjökull (Gletscher) vom Norden herkommend über den Osten zum Südende und westlich wieder hinauf nach Norden. Auch hier reichte die Tageszeit oder unsere Lust fürs weiterfahren nicht für die ganze Strecke, und so liessen wir uns an einem See für die Nacht nieder. Dass es Freitagabend war wusste ich erst, als eine Gruppe Einheimischer nachts auftauchte – Chantal war schon in den Träumen versunken – und mit lauter Musik zum Fischfang ausschwärmte. Was sich zuerst fast als Chaos und Ärger anfühlte, endete später mit viel Alkohol. Als sie wieder abzogen, hatte ich einen Lachs in den Händen und im Wohnteil unseres Campers zappelte noch eine Forelle luftschnappend umher. Ob Fischen in der Nacht mit Licht überhaupt erlaubt ist, interessierte mich im Moment nicht; die Fische mussten noch ausgenommen werden und stellten mich vor einer nächtlichen Herausforderung. Anderntags erreichten wir erneut die Nordküste und schon bald brutzelten die beiden Fische in unserer Pfanne; es waren feine Leckerbissen und von der Menge her hatten wir mehr als genug. Diese Begegnung wird uns wohl noch lange in Erinnerung bleiben.

Ein kurzes Stück folgten wir der Ringstrasse in westlicher Richtung und schon bogen wir wieder von dieser Hauptverkehrsachse nach Norden ab. Auf einsamen Küstenstrassen ging es wieder weiter nordwärts in die Westfjorde, in ein Gebiet, das noch weniger besiedelt ist als der Rest von Island und viele Touristen aus Zeitgründen nicht hinauf fahren können. Eigentlich wären die Westfjorde ein eigentliches Reiseziel, wo viel Natur und ursprüngliche Landschaft zur erleben ist.

Wir folgten der Küstenstrasse – andere Möglichkeiten gibt es hier fast keine – soweit es möglich war. Pools an unserem Weg verwöhnten uns immer mit viel Wärme und es war ein Genuss, irgendwo in ein warmes Becken zu steigen. Den letzten Pool vor dem Ende der Strasse liessen wir jedoch aus; wir wollten keine 2000 IS-Kronen (ca. Fr. 15.-) für ein kurzes Bad in einem Warmwasserbecken bezahlen und drehten etwas enttäuscht um. Statt erneut der Küste nach Süden zu fahren, entdeckten wir einen Weg, der einer alten Stromleitung folgte und die vielen Spuren verleiteten uns, es doch zu versuchen. Dass wir schlussendlich zwei Tage für die wenigen Kilometer benötigten, sagt sehr viel über die Streckenschwierigkeit aus und unser Jeep wurde an manchen Stellen arg strapaziert.

Weiter folgten wir der Küstenstrasse den vielen Fjorden entlang. Von der aussenliegenden Landzunge bis in den Fjordgrund waren es immer viele Kilometer, um anschliessend auf der gegenüberliegenden Seite wieder hinaus zu fahren. Oft lag der Weg von einer Fjordspitze zur nächsten wenige hundert Meter entfernt; der Landweg aber jeweils sehr weit. Dafür entdeckten wir an verschiedenen windgeschützten Stellen immer wieder Seehunde und so waren die paar Kilometer schnell vergessen.

Auch in Island werden Passstrassen durch wintersichere Tunnels ersetzt, was unserem Reisestiel nicht ganz entspricht und so suchten wir immer wieder die alten Strassen um über den Berg oder drum herum zu fahren. Auch hier waren wir nicht immer ganz erfolgreich, mussten kurz vor dem Ziel wieder umdrehen und zurück zum Ausgangsort fahren. Anderseits waren wir immer wieder überrascht, dass bereits aufgegebene Strassen einen regen Verkehr aufweisen und trotz der „Nichtexistenz“ von vielen Isländern immer noch rege benutzt werden. 😉

Auf der West- als auch Südseite der Westfjorde zeigte sich das Wetter nicht mehr von seiner besten Seite; Regen, starker Wind und Kälte waren immer öfters unsere Begleiter. An der Küste prasselte der Regen zeitweise unaufhörlich nieder, in den Bergen lag zäher Nebel. So sahen wir weit draussen bei Látrabjarg keine Papageientaucher, sondern nur viel Nebel, und der Wind hätte uns beinahe über die Klippen geblasen.

An einem weiteren Regentag erreichten wir Stykkishólmur, das eigentlich bereits zu Westisland gehört und die Touristenroute des „Goldenen Kreises“ (Touristentour im Südwesten von Island). Nach so vielen Tagen der Einsamkeit und menschenleeren Strassen mussten wir uns auf die vielen Menschen und den regen Verkehr auf den Strassen wieder neu einstellen.