Endlich geht’s los!

Lange dauerte es, bis es soweit war. Das Haus im Rainenweg war bereits teilweise geräumt, neu gestrichen und in den letzten Nachtschichten wurden auch noch die letzten Räume von unseren Habseligkeiten befreit.

Der Termin stand fest, die letzten Abschiedstränen bald abgewischt und es wurde bei der Wegfahrt im Grubenweg noch lange das Abschiedstaschentuch geschwungen. Wir beide befanden uns ebenfalls in einer Berg- und Talfahrt; zwischen freuen aufs Neue, Traurig sein und los lassen auf der anderen Seite! Doch kaum schwenkte Daniel auf die Flughafenstrasse ein, so stieg auch unsere Spannung auf das Neue, was bald auf uns zukommen wird.

Eigentlich klappte alles von Beginn an ausgezeichnet und Chantal’s gute Vorbereitungen überliessen nichts dem Zufall. Nach einem längeren Aufenthalt in Frankfurt ging’s endlich los über das grosse Meer Kanada entgegen.

Bei der Landung in Halifax war’s bereits am Eindunkeln und die Autoreservierung war ein weiterer Segen. Die Velofahrt vom Flughafen zum Motel wäre es wohl keine gute Idee gewesen; in der Nacht über den Highway nach Halifax zu radeln.

Den Mietwagen brachten wir am Folgetag zurück, suchten uns für den Rückweg einen möglichen und fahrbaren Weg fürs Radel. Gleich zu Beginn unserer Rückfahrt stellten wir fest, dass es wirklich keine vernünftige Möglichkeit gibt, mit einem Fahrrad vom Flughafen nach Halifax zu kommen. Für mich waren die Naturwege und Trails super; für Chantal eher Verdruss als Lust! Und einen ersten groben Fehler haben wir auch gemacht: Unsere Trinkflaschen waren leer und niemanden kam es in den Sinn, diese vor der Wegfahrt mit Wasser zu füllen; nach Schweizermanier sind wir los geradelt mit der Idee, an jeder Ecke gäbe es eine Beiz. Schlussendlich gibt’s ja sicher eine Beiz irgendwo. Der Durst kam bald und gelitten habenwir bis zum ersten Subway kurz vor dem Ziel! Also, bei jeder Möglichkeit immer auftanken!

Mittwochs traten wir bereits mit dem lokalen Spediteur in Kontakt und begannen sofort mit der Erledigung des Papierkrams. Die Fahrt, erneut mit dem Velo, zum Spediteur war erneut weit und anstrengend und die erste Ernüchterung stand bereits im Haus; es seien noch nicht alle Papiere für das Auto da und das zuständige Büro in den USA habe wegen des Nationalfeiertag geschlossen! Ansonsten wäre alles bereit, selbst die Kontrolle von Agriculture ging problemlos vonstatten.

Anschliessend ging’s erneut zurück ins Zentrum von Halifax und zur Zollkontrolle; auch dort mussten noch diverse Papiere abgestempelt werden. Zwischen Hoffen und Bangen versuchten wir die Auslösung des Autos im Hafen. Vielleicht sind die Papiere doch noch eingetroffen? Aber gleich nach dem Betreten des Büros folgte eine kleine Ernüchterung; alles wäre da und in Ordnung, nur ein kleines Stück Papier fehlte und ohne dieses gibt’s keine Aushändigung der Schlüssel! Wie und warum es schlussendlich doch noch klappte, wissen wir nicht mit voller Gewissheit, aber wir hatten den Passierschein für die Hafenausfahrt und unseren Jeep für die grosse Fahrt endlich wieder im Besitz. Zur Feier des Tages gab’s im alten Hafenteil von Halifax ein feines Nachtessen und wir freuten uns wie kleine Kinder, dass es nun endlich losgehen wird. 

Den ganzen Donnerstag verbrachten wir vor dem Motel mit ausräumen und wieder einräumen des Fahrzeuges. Wir hatten gewissen Anlaufschwierigkeiten für die optimale Ordnung im Auto und so ging’s eben chaotisch los auf die erste Shoppingtour. Gesucht wurde zum Beispiel eine geeignete Gasflasche für unsere Küche. Nach verschiedenen Geschäften und vielen Kilometern fanden wir doch noch einen, die in unserem Halter passen sollte. Alle andern wären einfach viel zu gross, und kleine Flaschen aus dem Outdoorbereicht für unsere Armaturen, resp. Anschlüsse nicht geeignet. Es war schon Mitte Nachtmittag als wir endlich das Zentrum von Halifax in nordöstlicher Richtung verliessen.

Unser Weg sollte uns der Südküste entlang nach Nordosten bringen. Unsere Navigationskünste waren dermassen gut, dass wir gleich mehrmals am gleichen Ort vorbei kamen; oder waren die Leute von uns so begeistert, dass wir gleich mehrere Runden drehen mussten?

Gleichzeitig öffnete Petrus seine Schleusen und bei Regen fanden wir doch noch aus den Vororten von Halifax heraus in die weite kanadische Landschaft.

Bereits dämmerte es und in ungewohnter Gegend musste irgendwo ein kleines Plätzchen für die Nacht gefunden werden, was beim zweiten Versuch auch auf einem Forstrückweg gelang. Das regnerische Wetter stellte uns gleich auf die erste Probe und die chaotischen Verhältnisse im Innern des neuen Zuhause waren nicht gerade die erwünschten Aufsteller.

Das feine erste Outdooressen bügelte fast alles wieder hin; oder, die Liebe geht meist durch den Magen.

Nach dem Regen scheint bekanntlich die Sonne! So wurden wir am nächsten Morgen mit der wärmenden Sonne geweckt. Nach dem Frühstück wurden die Inneneinrichtung und alles ums Auto perfektioniert, gewisse und überflüssige Sachen gleich entsorgt.

Unsere Weiterfahrt der Nordost-, oder ist’s doch die Südküste, führte uns durch weite Waldlandschaften, Ferienhäuser und unzählige Streusiedlungen. An den Hafenmauern waren die meisten Fischerboote vertäut, die Langusten-Fangsaison ging vor wenigen Tagen zu Ende und das Leben in den kleinen Fischerorten war dadurch beinahe erloschen.

Je weiter wir von Halifax weg fuhren, je mehr wurde uns die Vergangenheit der Bewohner von Nova Scotia bewusst. Verschiedene Fahnen machten auf die wechselseitigen und meist nicht wohlwollenden Beziehungen zwischen den Franzosen und Briten, sowie der einst einheimischen Bevölkerung aufmerksam. Heute kann man wiederum aus diesen Reibereien und gleichzeitigem Verschmelzen diverser Kulturen profitieren, sei es durch kulturelle Events oder auch das lustvolle Leben der Leute in den verschiedenen Orten.

Seit dem Damm zwischen dem „Festland“ von Nova Scotia ist die nordöstliche Insel nicht mehr so richtig eine Insel; dafür leichter mit den eigenen Fahrzeug zu erreichen.

Die weiten Wälder und hunderten von Seen und Flüsse im Cape Breton haben es uns sehr angetan. Abends, wenn die Sonne tiefer steht werden die Farben intensiv und laden gleich zum Verweilen ein.

Und, wir können; Zeit haben wir!