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Madrid – Andorra – Frankreich – Schweiz
Den letzten Abend in Madrid genossen wir bei einem feinen Wein, zeichneten erneut eine gerade Linie auf die elektronische Landkarte in Richtung Andorra und träumten schon von den weiteren erlebnisreichen Wegen und Pisten abseits der Asphaltbänder. Andere fahren möglichst auf dem schnellsten Weg, wir werden den geradesten Weg suchen und so in etwas unbekanntere Gebiete vorstossen.
Madrid und seine östliche Agglomerationen lagen bereits hinter uns und schon standen wir in weiten landwirtschaftlich genutzten Flächen. Nordwestlich, oder in Fahrtrichtung rechts von uns, lag die „Sierra de Guadarrama“ mit ihren noch schneebedeckten Bergrücken und steilen Gipfeln. Doch hier, wo wir uns bewegten waren die Temperaturen sehr angenehm, und die Feuchtigkeit der letzten Wochen sorgte für ein üppiges Pflanzenwachstum wie wir dies kaum in dieser Gegend von Spanien erwarten würden.
Keine hundert Kilometer von der Hauptstadt entfernt, begegneten uns die ersten Schäfer mit ihren Herden. Wir fühlten uns sofort um Jahrzehnte zurückversetzt oder gar in einer anderen Welt. Wir durchstreifen auf unserer Fahrt auch Siedlungen, wo vermutlich nur noch wenige Menschen leben; bei den meisten Häusern waren die Fensterläden verschlossen und ringsherum hatte sich die Natur wieder festgesetzt. Bei andern Gebäuden nagte die Zeit stark an der Substanz; zerfallene und teils eingestürzte Häuser sind keine Seltenheit und dies Mitten in den Dörfern.
Bei unserer Wahl des Weges war uns auch bewusst, dass es an der Strecke kaum touristische Infrastruktur geben würde und wir allabendlich einen geeigneten Platz suchen mussten. In Spanien eigentlich kein Problem, solange man auf öffentlichem Grund steht – dies ist aber oft nicht einfach abzuschätzen; was ist öffentlich und was Privatland? Doch die spartanischen Camps, wo man in der Nacht nur von den Wildschweinen gestört wird und vor lauter bewundern des Sternenhimmels fast seinen Schlaf vergisst, haben auch ihren Reiz.
Nach ein paar Tagen frühlinghaften Wetters und einmaligen Landschaften kündigten dicke Wolken eine Wetterveränderung an. Wir hatten Zaragoza noch nicht erreicht, als Petrus seine Schleusen öffnete und mit viel Regen die Erde aufweichte. Die nicht asphaltierten Wege verwandeln sich innert kurzer Zeit zu wahren Schleuderparcours, und das schmierig klebrige Erd-Sandgemisch auf den Pisten wickelte sich um unsere Geländereifen. Diese wiederum konnten ihre Aufgabe der Spurführung nicht mehr richtig wahrnehmen und der Jeep war – mehr oder weniger – dem Schwerkraftgesetz ausgeliefert. So mussten wir bei einer Verbindung, die abfallend einem tiefen Bachgraben folgte, Forfait geben und unter äusserster Vorsicht den Rückweg antreten. In einer Waldecke schlugen wir dann unser Camp auf und verbrachten eine nass kalte Nacht, wo das Thermometer tief sank. Tja, die Finger einer Hand genügten um die Grade anzuzeigen.
Welche Freude: Nach dem Regen scheint ja immer die Sonne und so war es auch am folgenden Morgen. Zwar war es noch sehr frisch, doch die ersten Sonnenstrahlen hauchten uns wieder neuen Mut ein und die nächsten Heldentaten konnten folgen. Auf einem anderen Weg versuchten wir unsere Reise wieder fortzusetzen. Das frische Licht und die zunehmende Wärme sollten jedoch nicht über den Zustand des Weges hinweg täuschen. Der Boden war immer noch feucht und schmierig und öfters rutschte unser Jeep auf diesen Wegen hin und her und das Fahrzeugheck folgte öfters der Erdanziehung.
In Zaragoza planten wir unsere nächsten Grosseinkäufe, da draussen in den Weiten der spanischen Pampa noch kaum Einkaufsgeschäfte zu finden sind. Selbst die Spanier legen weite Strecken zu irgendeinem Discounter zurück, statt lokal ihre Grundbedürfnisse zu decken. Doch mit unserem Vorhaben wurde nichts und, infolge eines Kirchenfeiertages, waren überall die Türen verschlossen. An einem Tankstellenshop fanden wir das wirklich Allernötigste um nicht gleich zu verhungern und wurden von der Betreiberin über die vielen Sonderheiten der spanischen Feiertage aufgeklärt.
Die Ebenen von „Los Monegros“ mit den sanften Hügeln und seinen unzähligen Windrädern war schnell durchquert. Schon standen wir vor der „Sierra de Alcubierre“, die auf der südwestlichen Seite steil und zerklüftet abfällt. So steil die Flanken abfallen, so steil war auch der Weg und…. abrutschen war unsererseits nicht erlaubt! Die Belohnung oben war aber eine umwerfende Aussicht und die schneebedeckten Ausläufer der Pyrenäen waren in Griffnähe gerückt.
Die letzten Fahrtage durch die weiten landwirtschaftlich genutzten Flächen war bald hinter unserem Rücken und die Landschaft vor uns türmte sich immer mehr auf.
Die Backroads, die uns in die gewünschte Richtung führe sollten, waren immer schwieriger zu finden. Die anfänglich noch zahmen Bergrücken wichen immer schrofferen Erhebungen mit steilen Felszacken und Abhängen, wo es keine Wege mehr für unser Gefährt gab. Doch, Chantal fand immer wieder eine mögliche Verbindung, die auch fahrbar war.
So erreichten wir Orte, wo schon lange keine Menschenseele mehr dem kargen Leben nachging und alles seinem Schicksal überlassen wurde. Die Dächer waren teilweise schon eingestürzt und die Natur nimmt ihren Platz wieder zurück. Eigentlich verrückt, was hier einmal die Menschen erschaffen haben, mit viel Energie ganze Siedlungen in die karge Gebirgslandschaft gestellt und nun zerfällt alles!
Je mehr wir uns dem Hauptkamm der Pyrenäen näherten, desto mehr Gebiete waren als Wälder oder Naturpärke ausgewiesen. Im Gegensatz zu anderen Ländern sind in Spanien diese Wege unter gewissen Bedingungen für den motorisierten Verkehr offen und dürfen legal befahren werden. Doch wir hatten Pech! Diese Pisten werden erst zu einem späteren von den Park- und Forstverwaltungen frei gegeben. Dies zwang uns die letzten Kilometer bis zur Landesgrenze schön brav auf dem Asphaltband zurück zu legen. Schade!
Andorra gilt als etwas Besonderes in den steilen Bergen mitten in den östlichen Pyrenäen, wo es nebst einem gewählten Parlament noch zwei Co-Präsidenten gibt: Der französische Staatspräsident und der Bischof von „La Seu d’Urgell“. Unsere Erwartungen waren von gemischten Gefühlen geprägt und wir waren etwas überrascht: Sehr dichte Besiedlung dem Haupttal entlang, wo städtische Bauten auf emsige Tätigkeiten deuten; nebst den viele Neubauten wird emsig an neuen Gebäuden gearbeitet und ein ohrenbetäubender Verkehr, der sich durch die engen Strassen wälzt. Und als Einkaufsparadies empfanden wir den Ort kaum. Selbst in den vielen Outlets mit ihren verlockenden Angeboten erachteten wir die Preise nicht sonderlich günstig. Ausserhalb von „Andorra la Vella“, dem Hauptort des Fürstentums, änderte sich das Bild doch etwas und nach den Beton- und Glasbauten folgten vertraute Holzbauten, so ganz nach dem alpinen Vorbild, wo immer wieder modernste Architektur sich als Fremdkörper einfügen. In den höheren Lagen wird auch sofort ersichtlich, dass hier im Winter der Schneesport für den Lebensunterhalt der lokalen Bevölkerung sorgt. Wir konnten die Enden der Lifte und Seilbahnen in den Wolken nicht ausmachen, doch der Betrieb war an diesem Regentag noch nicht eingestellt und ein paar hartgesottene Skifahrer rutschten über die nassen Pisten.
Für uns war Andorra definitiv etwas surreal!
Bei Regen und Nebel verliessen wir Andorra über den Pass von Envalira, der über 2‘400 Meter beidseitig noch von Schneemauern gesäumt war und uns in den Winter zurück katapultierte. Nordseitig, d.h. auf der französischen Seite folgte Schneefall und die Sicht sank stellenweise unter 20 Meter. Etwas überrascht waren wir, dass trotz fehlender Sicht von den Einheimischen ein zügiger Fahrstiel praktiziert wurde und auch für Überholmanöver durchaus auf die Gegenfahrbahn ausgewichen wurde; Gottvertrauen müssen sie wohl haben. L
Bei „Ax-les-Thermes“ wollten wir wieder unser Linie auf der Karte folgen und weiter über diverse Pässe fahren. Doch bei der Ausfahrt aus der Kleinstadt kündigte ein grosses Schild all die geschlossenen Übergänge an. Während der Regen unaufhörlich aufs Autodach prasselte, suchten wir etwas frustriert andere Wege, die Chantal nach akribischer Suche auf unserer Karte auch fand. Leider, und dies stellten wir wenig später fest, sind in Frankreich nicht alle Strassen für den Privatverkehr erlaubt und grosse, runde Schilder verboten uns die Durchfahrt.
Trotz des Regens und den frostigen Temperaturen war auf dem Campingplatz der Stadtverwaltung von Carcassone einiges los. Wir fragten uns, was die Leute in dieser Jahreszeit hier machen und wir waren die einzigen, die nur für eine Nacht einen Stellplatz buchten. Während unsere Heizung draussen vor sich hin säuselte, sank unser Jeep immer mehr in der feuchten Erde ein. Der Regen wollte einfach nicht aufhören und ich (Tom) hatte für einen Moment die Nase voll vom ewigen „kalt haben“. Doch nichts anmerken lassen, so dass wir uns nicht noch gegenseitig die Moral verderben lassen würden.
Trotz der misslichen Wetterbedingungen wollten wir an unserem Programm festhalten, so dass doch noch ein möglicher Besuch beim Erbauer unserer Campingkabine möglich wäre. Dort wollten wir unbedingt viele offene Fragen über den Aufbau der „Gazelle“ klären. So ging es vorerst in Richtung „Clermont-Ferrand“ und bald standen wir wieder in weiten, einsamen Gebieten, wo viele Kleinstädte und Dörfer den Eindruck einer etwas verträumten und heilen Welt vermitteln. Wenn noch die Sonne lachen würde; es wäre ein Traum durch diese Gegend zu streifen.
Nach Saint-Affrique stiegen wir weiter in die Höhen des Zentralmassivs und die vielen „Parc natural“ stellten uns immer wieder vor das gleiche Problem: Wir mussten auf unserem eingeschlagenen Weg umkehren. Nebst den Verbotsschildern standen auch oft massive Eisenstangen quer in unserem Weg, die unsere Durchfahrt unweigerlich verhinderten. Andere Wegverbindungen waren überraschenderweise weder gesperrt noch verboten und brachten uns auf die nächste Erhebung, wo es meist wieder steil auf der nächsten Seite in den folgenden Taleinschnitt hinunter ging.
Nach diesen vielen eindrücklichen „Höhen und Tiefen“ in dieser einmaligen Gegend westlich des Rhonetal übernachteten wir auf einem Bauernhof, der über dem gleichnamigen Tal lag. Die östlich von uns liegenden Berge waren in dicke Wolken verhüllt, dafür gab es ein ausgiebiges Gespräch mit dem Besitzer, der zusätzlich zum Hof als Förster amtet. Viele seiner Aussagen überraschten uns und aus dem „laisser faire“-Land wurde ein reglementierter Alltag. Nach unseren liebgewordenen Freiheiten in Spanien mussten auch wir uns wieder an die entsprechenden Gegebenheiten gewöhnen.
Aus dem Besuch zum Erbauer unseres Gazell-Campingkits wurde leider nichts. Somit konnten wir auf einer neuen virtuellen Linie Genf entgegenfahren. Für den nächsten grossen Sprung unserer Reise müssen wir erneut den Jeep als auch die Wohnkabine anpassen. Der erste Fachhändler, den wir anfahren wollten, hat sein Geschäft am Stadtrand von Genf. Aus der erneuten Erfahrung und Erlebnissen der vergangenen Monate war der Wunschzettel entsprechend lang und anspruchsvoll.
Nach den vielen Beratungen in Genf, Thun, Zollbrücke und Hindelbank nahmen wir die letzten Kilometer zu unserem temporären Domizil unter die Räder. Da ich (Tom) schon lange nicht mehr über den Grenchenberg gefahren bin, wählten wir diesen steilen Weg hoch hinauf in den Jura. Wer diesen Streckenverlauf kennt, der weiss auch, dass es steil hinauf geht, die Strasse öfters an Felswänden entlang führt und man oben mit einer umwerfenden Aussicht auf die Alpen belohnt wird. Doch mit der Aussicht wurde nichts und der Genuss stürzte – schockbedingt – tief ab! Nach erneut x-tausend Kilometer in allmöglichen Gegenden Europas knallte bei der Hochfahrt zum Grenchenberg ein Steinbrocken auf unsere Motorhaube und Windschutzscheibe. Mit viel Glück schützte der untere Scheibenrahmen vor dem kompletten Durchschlag und verschonte uns vor möglichen Verletzungen durch Splitter und Stein. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis wir uns vom Schrecken erholten, den Schaden von aussen begutachtet hatten und das Nötigste für die Weiterfahrt abklären konnten.
Die genussreiche Aussicht übers Mittelland liessen wir aus; wir hatten wirklich keine Lust mehr dafür!
Irgendwann, später als geplant, standen wir in Aesch und waren froh, dass es nur bei Blech- und Glasschaden blieb. Oder wie sagt man doch so schön; Scherben bringen Glück!
Hoffentlich wird es mit der Instandstellung unseres Jeeps klappen und die nötigen Teile sind verfügbar. Heutzutage ist vieles nicht mehr ganz selbstverständlich!
Wir halten euch auf dem Laufenden……