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….nach Halifax
Die Provinz New Brunswick war vor langer Zeit der Rückzugsort, der noblen Gesellschaft der nordamerikanischen Ostküste. Diese Zeiten sind längst vorbei und die gut betuchten Bevölkerungsschichten haben bereits neue Gebiete für sich gefunden. Zurück blieben wunderbare Orte, die heute wahre Perlen sind und viele Besucher anziehen. Auch wir waren begeistert von den einst wunderbaren Kleinstädten entlang der Küste, wo sich einst die Oberklasse sich gegenseitig die Türklinken in die Hand drückte.
Saint Andrews war so ein Ort – ein wahres Touristenmekka, wo bereits in der Vorsaison viele Besucher über den Gehsteig der Waterstreet entlang schlängelten. Für nordamerikanische Verhältnisse war es fast zu sauber und aufgeräumt. Dafür standen überall irgendwelche Verbotsschilder, was auch ganz untypisch für dieses grosse Land ist und dort, wo man etwas kann oder dürfte, standen auch die entsprechenden Preise; für gehobene Verhältnisse!
Wir folgten weiter die Küstenstrasse von der Bucht um Saint Andrews der Fundy-Bay entgegen. Teilweise mussten wir uns weit ins rückliegende Hinterland zurückziehen, da die vorgelagerten Küstenstrassen in Dörfern endeten oder auf die Schnellstrasse führten und die wollten wir nicht befahren. Doch kurz vor Saint John war es nicht mehr möglich diese Nebenstrassen zu befahren und so standen wir – ruck zuck – im Verkehrschaos dieser Grossstadt.
Ewas unüberlegt und ohne vorher die Karte über Nova Scotia eingehend zu studieren, buchten wir im Hafen eine Fährüberfahrt über die Bay of Fundy nach Digby/Nova Scotia. Doch gebucht ist gebucht und zu spät für einen Kaufrücktritt am nächsten Tag. Die Fahrt über die Landstrasse in die nordöstliche Ecke und hinauf zum Cape Breton wäre vom Routenverlauf einiges logischer gewesen als mit der Fähre zuerst in die südwestliche Spitze von Nova Scotia zu schippern.
Dafür tauchten wir in das Gewimmel von Saint John ein, besuchten die Reversing Falls, wo dank der extremen Flut aus der Fundy-Bay die Binnenschifffahrt über diese Stromschnellen möglich ist und entsprechend genutzt wird. Auch durfte das Zentrum nicht fehlen und zu unserer Überraschung; es wird gebaut, als gäbe es kein Morgen mehr und das halbe Stadtzentrum war eine Baustelle mit unübersichtlichen Umleitungen.
Nach der Übersetzung nach Nova Scotia setzten wir unsere Fahrt der Fundy-Bay entlang fort. Der extreme Wasserpegel zwischen Flut und Ebbe sind in dieser Gegend sehr eindrücklich; manchmal sieht man das Wasser kaum und kann sich problemlos verleiten lassen, das Auto zu weit ins Flutgebiet hinein zu parken. 13 Meter soll hier der normale Tidenhub betragen und ist gleichzeitig der höchste weltweit. Dieser Tidenhub ist auch verantwortlich für die einzigartige Landschaft, die sich über mehrere Jahrtausende so geformt hatte und auch den rückliegenden Flussläufen ein spezielles Aussehen gaben.
In Truro verliessen wir die extremen Hoch- und Tiefstände es Meeres und wechselten hinüber nach New Glasgow an die Northumberlandstrasse, die wiederum ein Teil des St. Lorenz Golfes ist. Zahlreiche Fischerdörfer säumen die Küste. Nebst dem Hummerfang müssen diese Küstengewässer sehr ertragsreich sein und, dank des kanadischen Hoheitsgebiets, tummeln sich keine ausländischen Fangflotten auf dem Wasser umher.
Das Cape Breton wäre eigentlich eine Insel und ist durch einen Wasserkanal vom Festland getrennt. Ein Damm und eine Hubbrücke ermöglichen die einfache Überfahrt nach Port Hastings, wo wir gleich nach links abbogen und der Nordwestküste hinauf zur nördlichsten Spitze fuhren. Die vielen kleinen Orte liegen teilwiese an wunderbaren Stellen und verleiten zu Träumereien. Doch vermutlich ist dies nur die halbe Wahrheit und die Kehrseite der Medaille könnte eher ungemütlich sein. Regen und Wind oder die winterlichen Verhältnisse, wenn sich im Meer die Eisschollen auftürmen und ein eiskalter Wind über die weiten Flächen peitscht; nein, dann möchten wir nicht hier sein.
Nördlich vom Cape Breton Highland N.P. fanden wir einen wunderbaren Übernachtungsplatz, der auf einem Felsvorsprung über dem St. Lorenz-Golf lag. Am Feuer sitzend genossen wir den wunderbaren Sonnenuntergang und waren wirklich glücklich über das grossartige Naturschauspiel, das sich vor unseren Füssen abspielte. Anderntags war es, als Ausgleich fürs erlebte, nass und sehr frisch. Ich möchte nicht sagen kalt, doch das Frühstück war eher Pflicht als Genuss und wir verliessen bald diesen kalten Felsvorsprung, wo sich hundert Meter unter uns die Fischerboote durch die Fluten pflügten.
Die Zeit drängte immer mehr und die Heimreise stand bald an. So ging es über Sydney an die Südostküste vom Cape Breton und der Küste entlang aufs Festland von Nova Scotia. Doch was heisst hier Küstenstrasse; die vielen und tiefen Buchten zwangen uns immer wieder für weite Umwege ins Landesinnere. Zu unserem Erstaunen sind die vielen Gewässer durch Häuser und Streusiedlungen ziemlich stark bebaut. Die Winter sollen hier etwas milder sein als anderswo und viele Menschen geniessen hier ihren dritten Lebensabschnitt.
Bis Halifax war es nicht mehr weit und per Zufall entdeckten wir auf einer einsamen Insel, die über einen Damm zu erreichen war, unseren letzten freien Übernachtungsplatz mit Meeresrauschen. Der Name der Insel; Indian Island war passend für den Abschied. Das abendliche Feuer versetzte uns erneut ins Träumen der vergangenen Tage und mit etwas Wehmut legten wir uns unters Dachzelt. Ein solch freies Leben wird in Europa kaum möglich sein und die gemütlichen Campfeuer ein „no go“.
Am nächsten Morgen wurden wir von den ersten Hobbyfischern, die neben uns ihre Boote ins Wasser liessen, früh morgens geweckt. Für unser Vorhaben war dies vorteilhaft und verschaffte uns einen zeitlichen Vorteil. Es war Freitag und wir mussten beim Spediteur die Verschiffungspapiere für unseren Jeep nach 9 Uhr abholen. Auch standen weitere zeitaufwändige Arbeiten an, die vor dem Camperumbau erledigt werden mussten. Ich wusch noch nie ein Auto so gründlich, doch richtig sauber war es immer noch nicht. Immer wieder kam irgendwoher Schmutz und Sand hervor, der sich in den letzten 2 Jahren in den unzähligen Ecken und Ritzen ansammelte.
Auf dem aufgesuchten Campingplatz standen noch ein paar Wartungsarbeiten an und anschliessend wurde unser Auto komplett ausgeräumt. Wir waren erstaunt, was alles in diesem Auto mittransportiert wurde. Für den Rücktransport mussten wir den Camper – ich spreche hier ausdrücklich von Camper und nicht Auto – entsprechend den Vorschriften des Reeders vorbereitet werden. Der Camper muss „blickfrei“ sein und den Eindruck eines leeren Fahrzeuges vermitteln, was bei unserem Auto nicht ganz einfach zu bewerkstelligen ist. Dank unserer Erfahrung und Bastelfantasie konnten wir alles entsprechend herrichten und das Material so verstauen, dass wir die Bedingungen für die Fahrzeugabgabe im Hafen erfüllen werden. Zwar erschwerte ein Schlechtwettertag mit viel Regen unsere Arbeiten und versetzte uns in leichte Panik. Schlussendlich war alles zur richtigen Zeit fertig und via Flughafen ging es zum Hafen von Halifax, wo wir uns von unserem „RuGa-li“ – unser Camper – für die nächsten Wochen verabschieden mussten.
Wegen Umbuchungsproblemen mussten wir noch ein paar Tage in Halifax ausharren, und so genossen wir noch ein paar Ausflüge als „Standardtouristen“ im Mietauto. Nebst der näheren Umgebung stand eine Fahrt nach Peggys Cove, einem touristischen Fischerdorf auf unserer Wunschliste. Auch der Besuch der Gedenkstätte vom Swissair-Absturz 1998, wo 229 Menschen mitten in der Nacht und wenige Kilometer vor der Küste ins Meer stürzten. Etwas nachdenklich verliessen wir den Ort; in wenigen Tagen fliegen wir ebenfalls über diesen Punkt und Atlantik nach Europa.
Die letzten Tage waren wunderbar und für Halifax sehr warm. Die letzten Erkundungen und Besorgungen waren bald getätigt und an der Hafenmole genossen wir unseren letzten Hummer, bevor es zum Flughafen ging. Während unser Jeep noch ein paar Tage länger in Halifax stehen durfte, jetteten wir in mehreren Stunden über das Meer in unsere Heimat.
Unsere neuen Pläne für die nächsten Wochen oder Monaten und wo es demnächst hingehen soll? Zuerst muss unser Jeep in Europa ankommen, anschliessen muss er in die Werkstatt, da in Nordamerika nicht alle Wartungsarbeiten an unserem Jeep ausgeführt werden. Zu viele europäische Teile sind am Fahrzeug verbau und aus rechtlichen Gründen wagen die amerikanischen Mechaniker nicht an solche Dinge.
Jedenfalls geht es bald nach Schottland (Hochzeit von unserem ältesten Sohn) und für den nächsten Winter nach Marokko ins Winterquartier. Wir freuen uns riesig auf die nächsten Abenteuer und das unabhängige Leben.
Anmerkung:
Rückblickend verbrachten wir sehr viel Zeit auf den amerikanischen Kontinenten, ein Fahrzeugproblem des ersten Jeeps und die Covid-Pandemie zwang uns jeweils zurück nach Europa. Es war auch eine Zeit, wo wir auf dem nordamerikanischen Kontinent und hauptsächlich in den USA eine Veränderung spürten. Es sind zwar nur subjektive Empfindungen unsererseits, aber die US-amerikanische Gesellschaft hat sich aus unserer Sicht mehr gespalten als noch vor 5 Jahren; die „gut oder böse“ Gesellschaft spürt man irgendwie und überall. Der laufende Wahlkampf um das Präsidentenamt machte es noch viel deutlicher als zuvor und der Präsident, der zurzeit die Geschicke des Landes lenkt, konnte diesen Graben nicht ausbügeln.
Ich (Tom) bin froh, dass unsere Bundesräte vom Parlament gewählt werden und die Volksaufwühlungen oder Verblendungen bei uns in der kleinen Schweiz ausbleiben. Selbst im liberalen Kanada war der Respekt für den Präsidenten auf ein tiefes Niveau gesunken; eine sehr nachdenklich Entwicklung!
Chantal und Tom/Ende Juni 2024