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…..Kurztrip rund um Almería und eintauchen ins marokkanische Leben
Unsere Expresslieferung mit den gewünschten Ersatzteilen traf fast fristgerecht auf dem Zeltplatz in Spanien ein. Noch am selben Nachmittag wurden die hinteren Bremszangen montiert und das Bremssystem entsprechend entlüftet. Nach den weiteren Wartungsarbeiten musste selbstverständlich die getätigte Arbeit noch ausgiebig getestet werden. Zeit hatten wir noch und die naheliegenden Sierras boten sich für den Test der neuen Bremszangen bestens an.
Die nächsten drei Tage verbrachten wir auf unzähligen Nebenstrassen und Wegen in den Sierras von Alhamilla, Filabres und den östlichen Ausläufern der Sierra Nevada. Es waren tolle Tage abseits der grossen Strassen und der Hektik der Küstenorte. Auch hielten unsere Bremsen was sie sollten, da viele Talfahrten steil und ausgesetzt waren. Den letzten Abend vor der Fährüberfahrt nach Melilla, der spanischen Enklave in Nordafrika, verbrachten wir noch einmal auf dem uns bekannten Campingplatz, wo wir uns noch einmal gründlich unserer persönlichen Hygiene widmeten. Was uns auf der anderen Seite des Meeres erwarten wird, konnten wir nur erahnen.
Wir wählten die günstigste Überfahrt, die am Mittwoch kurz vor Mitternacht in Almería ablegte und am Folgetag vor sieben Uhr in Melilla anlegen sollte. Auf eine Kabine verzichteten wir und wählten die normalen Ruhesessel im Grossraum. Rückblickend wäre eine Kabine auch für diesen Kurzaufenthalt wohl erholsamer gewesen als sich im unbequemen Sessel die halbe Nacht zu quälen.
Bei unserer Ankunft lag Melilla noch im Tiefschlaf; Kaffees oder Geschäfte waren geschlossen und ausser offiziellen Ordnungskräften war niemand unterwegs. So stellten wir uns geduldig in die Autokolonne für die Ausreise aus der „EU“. Der Rückstau von der marokkanischen Seite zwang uns zur geduldigen Warterei, bis wir von den Spanier verabschiedet wurden und endlich nach Marokko vorrücken konnten. Das Schweizer Kontrollschild und der rote Pass machte die Einreise sehr einfach: Selbst die Fahrzeugkontrolle war schnell zu Ende; der Zollbeamte fragte uns nur nach gewisse Dinge wie Drohne, Waffen und Rauschmittel. Selbst die reichlich vorhandenen alkoholischen Getränke interessierten ihn nicht. Jedenfalls hiess es bald; herzlich willkommen in Marokko und gute Fahrt.
Kaum hatten wir die stark gesicherte Grenze hinter uns, schon standen wir mitten im Getümmel der fliegenden Händler; alle wollten uns irgendetwas anbieten. Tja, willkommen in Marokko!
In Beni Ensar, der Grenzort gleich nach Melilla, ergänzten wir unsere Vorräte in einem Supermarkt, der unseren Vorstellungen eines Supermarkts glich und das Angebot unsere Bedürfnisse decken konnte. Doch eine auf Papier gedruckte Landkarte fanden wir keine. Deshalb versuchten wir unser Glück in Nador, wo wir uns bis ins Zentrum vorwagten und voll ins Verkehrsgetümmel mit hupenden Taxis und Eselkarren stürzten. Auch hier gab es unser gewünschtes Produkt nicht und wir wurden von einem Laden zum nächsten verwiesen. Tja, hätten wir uns bereits zu Hause entsprechend eingedeckt, wo solche Produkte fast in jeder Buchhandlung erhältlich sind! 🙁
Nun ging es endlich richtig los und mit viel Euphorie verliessen wir das dicht besiedelte Gebiet an der Mittelmeerküste und steuerten hinauf in die östlichen Ausläufer des Rifgebirges. Die vielen Strassenhändler mit ihren umwerfenden Angeboten waren augenblicklich verschwunden, dafür winkten von überall her Kinder mit irgendwelchen Rufen wie; Cadeau, Euro, Dinar, Stilo, usw. Die Aufforderungen waren sehr unmissverständlich und meist begann es; „Bonjour Monsieur, donnez-moi…“. Wir waren etwas irritiert und fragten uns, ob vor uns irgendeine Wohltätigkeitsorganisation unterwegs war. Selbst auf Routen, die wirklich nicht von vielen Touristen befahren werden, standen sie – die Kinder – in Reih und Glied und hielten die Hand aus.
(Gemäss dem Buch von M. Brunswig, Reise Know-How; Marokko, Alltagsleben, Traditionen, Begegnungen sind bettelnde Kinder fast landesweit eine Plage. Seitens der Kinder ist es ein Volkssport geworden, den Touristen hinterher zu jagen und etwas abzubetteln. Leider geben immer noch zu viele Leute Geschenke ohne irgendeine Gegenleistung. Hoffen wir, dass Steine werfen nicht der nächste Volkssport sein wird!)
Den ersten Tag in Marokko wollten wir etwas gemütlicher angehen und wählten einen Übernachtungsort in der Nähe der Staumauer Mohamed V, wo wir auf ein ruhiges Plätzchen hofften. Da die Mauer sich noch im Bau befindet und das Gelände weiträumig abgesperrt war, setzten wir unsere Fahrt fort, wechselten auf die Westseite des sich auffüllenden Stausees und hofften dort auf ein ruhiges Nachtquartier, das wir bald fanden.
Bei angenehmen Temperaturen genossen wir beim Abendessen den Sonnenuntergang, beobachteten noch den Sternenhimmel, bevor es hinein in unseren Camper ging. Doch kaum hatten wir uns für die Nacht eingerichtet, schon hörten wir draussen irgendwelche Rufe und umgehend klopfte es an unserem Camper. Irgendetwas von Police war aus dem Arabischen zu entnehmen. Kaum stand ich draussen, schon standen zwei weitere Männer dem Verhandlungsführendem beiseite. Polizisten waren es wohl keine, doch sie waren extrem besorgt um unsere Sicherheit. Da keiner der Drei weder französisch noch spanisch sprach, telefonierten sie mit unterschiedlichen Personen, die uns die Situation in einer uns verständlichen Sprache erklären konnten. Irgendeiner gab sich sogar als Distriktchef aus, und sein Französisch war entsprechend verständlich. Er bat uns, mit den Männer zur 2Km entfernten Ortschaft zu fahren und dort im Dorf zu übernachten; unserer Sicherheit zuliebe.
Auf diese Bitte hin packten wir unsere Sachen zusammen und fuhren mit einem mulmigen Gefühl ins besagte Dorf, wo wir zwischen Schulhaus, Moschee und dem Privathaus des angeblichen Polizisten unser Nachtquartier einrichten konnten. Was es sich mit dem „Polizisten“ auf sich hatte konnten wir nur erahnen, doch zu unserer Verwunderung wollte er die Personalien in unseren Pässen als auch der Einreisestempel abfotografieren, bevor er uns gute Nacht wünschte.
Trotz dieses aufregenden Momentes, überwältigte uns die Müdigkeit und erst der morgendliche Ruf der Moschee weckte uns aus dem Tiefschlaf. Nach den ersten Sonnenstrahlen bewegten wir uns aus dem Camper. Eigentlich wollten wir unser Frühstück zubereiten. Doch kaum war ich (Tom) draussen um den Kocher für den morgendlichen Kaffee aufzubauen, schon standen unzählige Kinder um uns herum – die Knaben ziemlich nahe an unserm Jeep, die Mädchen in einem gewissen Abstand. Vermutlich war für heute der Weg zur Schule eher zweitrangig und alle wollten etwas. Hungrig wären sie und schon kam die erste Aufforderung, dass wir ihnen Euros geben sollten; natürlich mit „donnez-moi“!
Zum richtigen Moment kam unser nächtlicher Aufpasser oder Polizist und jagte die Kinder in die Schule. Er entschuldigte sich für dessen Benehmen und blieb in unserer Nähe zurück. Unsere Kaffeelust war jedoch augenblicklich verflogen und in relativ kurzer Zeit hatten wir unsere Gegenstände im Auto verstaut. Wir hatten keine Lust von allen Seiten beobachtet zu werden, als wären wir gerade vom Monde herab gestiegen.
Wir setzten unsere Fahrt in Richtung Atlas fort, schlussendlich wollten wir noch vor dem grossen Wintereinbruch durch dieses Gebirge fahren. Für unser verspätetes Frühstück suchten wir einen ruhigen Platz neben der Landstrasse. Doch kaum sprudelte der Kaffee in unserem Kaffeetopf, schon winkten uns unzählige Schüler aus einem vorbeifahrenden Schulbus entgegen. Dass der Bus diese Schüler hinter dem nächsten Hügel entlud, konnten wir nicht erahnen. Die Kaffeetasse hatten wir noch nicht angesetzt, schon kamen die Jugendlichen über den Hügel uns entgegen. Ich möchte nicht übertreiben, aber jeder zweit hatte ein Smartphone in der Hand, bettelte, nein, fast befehlerisch fragten sie nach irgendetwas. Natürlich wären Euros das willkommenste Geschenk! Ein vorbeifahrender Lastwagenfahrer entschärfte die ganze aufdringliche Situation und jagte die Jugendlichen von uns weg. Kaum war dieser verschwunden, schon standen die Kinder wieder um uns herum und bettelten. Somit suchten wir erneut das Weite!
Noch keine 2 Tage in Marokko und fragend schauten wir uns gegenseitig an; wollen wir dies? Alle schwärmen von diesem aufregenden und offenen Land; sind wir einfach in der falschen Ecke gelandet? Auf der Weiterfahrt diskutieren wir lange, wie wir alles anders angehen könnten und was wohl das Beste wäre. Selbst der Abbruch des Marokko-Abenteuers stand zur Diskussion. Unser Frust war gross und die Stimmung im Keller!
Gemäss dem oben erwähnten Buch, sollte man sich auf die Kinder einlassen, was sehr bereichernd wäre und die Kinder meist das Interesse verlieren würden. Doch wir sprechen weder ihre Sprache noch sind sie einer unserer Sprachen mächtig.
Jedenfalls entschlossen wir uns, vorerst den Kopf nicht gleich in den Sand zu stecken und fuhren weiter. Für Übernachtungen wählten wir ab sofort nur noch offizielle Campingplätze, wo man seine Ruhe hat und aufs Winken reagierten wir nicht mehr besonders. Zwar wissen die kleinen Jungs, wie man die Touristen ausbremsen kann, indem man einfach direkt vors Auto läuft und wer möchte schon irgendeinen Zwischenfall mit einem Kind riskieren? Für Ortsdurchfahrten versuchten wir auch allmöglichen Tricks, um möglichst nicht aufzufallen, doch selbst hinter den Grosstaxis erkannten sie uns schnell als Fremdlinge und schon schallten die bettelnde Wörter durch die Gegend.
Irgendwie gewöhnten wir uns an diesen Umstand und konzentrierten uns aufs Wesentliche; unsere Reise durch Marokko. Wir genossen das Mittelgebirge und tauchten immer mehr hinein in die ersten Ausläufer des Hohen Atlas. Nebst den wilden Tälern und Schluchten waren wir immer wieder über die fruchtbaren Talböden überrascht, wo mit viel Handarbeit all möglichen Flächen bearbeitet werden. Natürlich sahen wir auch die grossen Schäden der starken Regenfälle vom vergangenen September, der mit Hagel begonnen hatte und grossräumig die Apfelernte zu einem Grossteil vernichtete. Die Infrastruktur, wie Strassen waren Grossteiles wieder geräumt, doch auch hier braucht es noch enorme Anstrengungen bis alles wieder so sein wird wie es war.
Nach einer weiteren und sehr kalten Nacht auf 2500 Meter erreichten wir das Dadès-Tal mit seinen wunderbaren Orten und Schluchten, wunderbar angelegte Felder und schneebedeckte Berge im Hintergrund. Bettelnde Kinder waren plötzlich eine Seltenheit und eine gewisse Ruhe kehrte in uns ein. Abgesehen der Kinder, die erwachsenen Männer waren jederzeit zuvorkommend und hilfsbereit. Ich schreibe absichtlich nur Männer, da Frauen für uns kaum ansprechbar waren, resp. sind und wir uns in dieser ländlichen Gegend wirklich in einer reinen Männergesellschaft bewegten.
Am Talausgang des Dadès-Tal hatten wir plötzlich Lust auf mehr und drehten gleich wieder nach Norden um. Gemächlich stiegen wir das Rosental hoch, wo alljährlich im Mai das grosse Rosenfest gefeiert wird. Doch weder Rosenbäume noch Büsche waren zu entdecken, dafür viele Souvenirshops, wo die begehrten und duftenden Wässerchen angeboten wurden.
Nach so vielen wohlriechenden Düften ging es wieder hinauf auf hohe Übergänge und von einem Tal ins nächste. Um uns herum waren die Bergketten mit Schnee verzuckert, während in den tiefen Taleinschnitten von den fleissigen Bauern die Felder bestellt wurden. Wasser für die Bewässerung muss hier zu Genüge zur Verfügung stehen und teilweise werden mit modernsten Bewässerungsanlagen grosse Plantagen mit der nötigen Feuchtigkeit versorgt.
Nach den kahlen Bergflanken folgten weiter nördlich ausgedehnte Kiefernwälder, tiefe Schluchten und steile Felswände. Das Fahren über diese nicht befestigen Wege machte uns, oder eher mir (Tom) unheimlich viel Spass und wieso nicht über die Assif-Melloul-Piste nach Anergui fahren. Der Name war wirklich vielversprechend und schon bogen wir ab und folgten dem immer enger werdenden Tal. Jedenfalls war es wirklich eine Herausforderung; Abenteuer pur und Fahrfehler ein absolutes Tabu. Unser Jeep ist wirklich nicht sonderlich breit, doch mehr an Breite hätte es an gewissen Stellen nicht ertragen und die stille Hoffnung, dass uns kein Fahrzeug entgegenkommen wird, erfüllte sich gottseidank.
An diesem Abend stoppten wir bei einem Gasthof mit Campingplatz, der durch einem ehemaligen Mountainbike- und Wanderführer geführt wird. Dies sind auch immer wieder Highlights, wo man mit Menschen zusammen kommt, die aus ihrem Leben erzählen und spannende Geschichten bei einem Glas „Berber-Whisky“ (Pfefferminztee mit viel Zucker) weiter geben. Selbstverständlich wurden wir auch mit Tipps überfüllt, und oft wissen die Andern vor unserer Ankunft Bescheid, dass wir kommen werden; spannend. 😉
Durch die Todra-Schlucht verliessen wir abermals die hohen und weit oben schneebedeckten Berge. Eigentlich könnte man sich hier tagelang sportlich austoben, sei es mit klettern oder ausgedehnten Wanderungen. Für unsportliche bieten die vielen Souvenirshops in der Schlucht eine riesige Auswahl an all erdenklichen Gütern und bei einem Pfefferminztee kann man ausgiebig über den Preis diskutieren; Langeweile wird da bestimmt nicht aufkommen.
Wieder – mehr oder weniger ebener Landschaft – steuerten wir in die südöstliche Ecke Marokkos, wo sich ein riesiger Sandkasten und bekanntes Gebiet für Outdoorfreaks befindet. Ein kurzer Stopp bei den Khettaras von Fezna liess uns ebenso erstaunen wie das frühere Wissen über die unterirdischen Wasserläufe. Die Khettaras selbst war auch eine wahnwitzige Angelegenheit der Urzeit, wo quasi jede Familie ihren eigenen Wassertunnel durch die Wüste zur jeweiligen Oase grub. Heutzutage werden die Wasserleitungen im Kollektiv verlegt und das individuelle Graben ist längst vorbei.
Nach Arfoud ging es über eine Nebenstasse und Pisten dem Erg Chebbi (Merzouga) entgegen; ein Spielkasten für Offroader und Wüstenfreaks aus aller Welt. Wir waren gespannt, was wir dort so alles antreffen werden und ob wir bald irgendwo im Sand stecken bleiben.
Das Abenteuer lockte! 🙂
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