>Bilder ganz unten!
…hurra, wir sind in Island
Erdgeschichtlich ist Island eine recht junge Insel, und erst seit etwas mehr als 1500 Jahren sind dort menschliche Spuren zu finden. Heute leben auf dieser Insel, die in der Fläche etwa 2½ Mal der Schweiz entspricht, rund 350‘000 Einwohner, wobei der grösste Teil in der südwestlichen Ecke zu Hause ist. Daher ist Island auch eines der dünnst besiedelten Gebiete der Erde und es gibt riesige Landstriche, wo wirklich keine Menschenseele zu finden ist. Die verschiedenen vulkanischen Tätigkeiten, aber auch das Auseinanderdriften der europäischen und amerikanischen Kontinentalplatte lassen uns Menschen immer wieder erstaunen, was hier unmittelbar unter der Erde vor sich geht und schon für ein paar Überraschungen sorgte.
Island steht bei vielen Reisenden ganz oben auf der Wunschliste, und viele wollen ein Stück der Urgeschichte der Erde hautnahe erleben. Es brodelt und gluckert noch an vielen Orten und warme Quellen sind überall zu finden. So reisen jedes Jahr über eine Million Menschen nach Island und bevölkern die touristischen Hotspots während den Sommermonaten stark. An der Ringstrasse, die um die Insel herum führt, ist einiges los und allmögliche Fahrzeuge bewegen sich von einer Attraktion zur nächsten. Auf den Parkplätzen herrscht dann öfters Rushhour und viele Reisende sind in grosser Eile; Island in einer Woche – da muss man sich wohl etwas mehr als nur beeilen.
Zum Strassennetz können wir nur so viel sagen, dass hier noch Offroadträume war werden können. Nur die wichtigsten Hauptverbindungen sind geteert, der Rest der Verbindungen sind Schotterstrassen und reichen bis zur Hardcorepisten, auf denen man oft nur im Schritttempo vorwärts kommt. Fahrverbote gibt es fast keine; höchstens der Hinweis, dass die Verbindung unpassierbar wäre. Auf eigenes Risiko kann man dann weiterfahren und versuchen, ob man durchkommt oder den ganzen Weg wieder zurück holpern muss. Zum „Offroaden“ noch diese Anmerkung: Wirkliches „offroaden“, d.h. Querfeldeinfahren ist auch in Island strengstens verboten. Doch die Pisten bieten genügend Fahrspass und das Auto wird auch so ziemlich strapaziert.
Zurück zu unserer Geschichte und den Weg auf die Insel! Ja, Zeit hatten wir ja genügend und die Überfahrt war für uns eine kleine Erholung; wie eine Minikreuzfahrt auf dem Atlantik. Am zweiten Morgen erspähten wir endlich Island und gemeinsam mit allen Reisenden standen wir draussen auf dem Deck, als unser Schiff langsam in die Bucht von Seyđisfjörđur glitt.
Die Spannung der Einreise war bei allen irgendwie ins Gesicht geschrieben. Auch wir waren auf das Prozedere am Zoll gespannt. Zwar wurden bereits auf dem Schiff wichtige Abklärungen wegen der Corona-Pandemie getätigt und als geimpfte Touristen erhielten wir einen grünen Schein, was doch etwas beruhigend war. Die Möwen kreischten noch immer um das Schiff, während wir aus dem Schiffsrumpf ins Tageslicht fuhren und unter strenger Aufsicht in verschiedene Kolonnen dirigiert wurden. Doch der grüne Schein war vermutlich der schnelle Eintrittsschlüssel und niemand wollte irgendetwas über unerlaubte Lebensmittel oder dergleichen wissen. Nach einer kurzen Befragung zu unserem Aufenthalt hier in Island wurde uns ein angenehmer Aufenthalt gewünscht und schon standen wir draussen, bzw. in Island drinnen. 😉
Bei sommerlichen Wetter kletterten wir über den ersten Pass nach Egilsstađir. Die ersten Wasserfälle lockten für einen kurzen Zwischenstopp und in uns machte sich ein Glückgefühl breit; ja, wir sind auf der Insel, die von Urkräften nur so protzen soll.
Bevor wir unsere grosse Fahrt starten konnten, mussten wir unsere Vorräte ergänzen und alle Frischprodukte besorgen. Der Parkplatz vor dem Einkaufsgeschäft in Egilsstađir war in kurzer Zeit von unzähligen Wohnmobilen und Expeditionsfahrzeugen überstellt. Alle mussten ihre Vorräte ergänzen und die beiden Lebensmittelgeschäfte waren von Reisenden übervoll. Die Stimmung war wie an einem Sonder- oder Schlussverkauf, wo gierig die Einkaufswagen gefühlt wurden.
Schnell waren unsere Sachen im Auto verladen. Noch etwas unentschlossen fuhren wir nach Bakkagerđi, wo Papageientaucher ausserhalb des Dorfes in einer grossen Brutkolonie leben. Kaum dort angekommen, flatterten diese lustigen Vögel um unsere Ohren. Leider waren sie für meine fotografischen Fähigkeiten zu schnell und kein Landeanflug konnte ich wunschgemäss verewigen. Lange blieben wir dort und beobachteten nicht nur die Papageientaucher, sondern auch die andern Seevögel, die am gleichen Ort ihre Brutstätte haben.
Infolge des bevorstehenden Openair war der Campingplatz in Bakkagerđi bereits übervoll und wir wollten dieser Festivalstimmung etwas aus dem Weg gehen. So suchten wir im nächsten Tal ein ruhiges Plätzchen etwas abseits der Strasse am ruhigen Unterlauf der Selfljót (Fluss).
Nach einem kurzen Abstecher nach Húsey, einem Hof mit kleiner Herberge, der weit draussen im Flussdelta vom „Jokulsá á dal“ liegt, fuhren wir wieder zurück nach Egilsstađir. Für unsere weiteren Abenteuer mussten wir, nebst zusätzlichen Lebensmittel, auch noch zwei Benzinkanister besorgen. Die bevorstehenden Strecken im Hochland sind weit, und im schwierigen Gelände wird sich unser Jeep auch einiges mehr am kostbaren Saft gönnen.
In südwestlicher Richtung verliessen wir Egilsstađir. Als erstes grösseres Ziel wollten wir das nördliche Gebiet des Vatnajökull, den grössten Gletscher ausserhalb der Polargebiete, und den Askja-Krater aufsuchen. Egilsstađir lag bereits hinter uns, ländliches Gebiet, wo hauptsächlich Schafzucht betrieben wird, folgte auf das emsige Leben vom letzten Ort. Es wurde immer einsamer und auf der Strasse war fast nur noch ein spärlicher Freizeitverkehr unterwegs. Bald stieg es steil hinauf ins Hochland, wo bereits auf rund 800 Meter über Meer hochalpine Verhältnisse herrschen und wir die Weite dieses Land zum ersten Mal so richtig erblicken konnten. Wir verliessen das Teerband, das sich zu den unzähligen Stauseen durch diese unwirtliche Landschaft schlängelt und rüttelten wir unseren fahrbaren Untersatz bis zum Vatnajökull-Gletscher noch kräftig durch.
Obwohl Hochsaison war, begegneten uns keine Handvoll Fahrzeuge, und das Gefühl auf einer einsamen Insel unterwegs zu sein, wurde immer stärker. Bis zum Askja-Krater holperten wir zwei weitere Tage über unzählige Nebenpisten und sahen weder Menschen noch Fahrzeuge; jetzt nur keine Panne oder ein Festfahren!
Kurz vor dem touristischen Highlights rund um den Askja-Krater erreichten wir eine vielbefahrene Piste, wobei viel mit rund ein Duzend Fahrzeuge gemeint ist, und schon standen wir ebenfalls hoch oben beim Parkplatz, ab wo es zu Fuss weiter zu den grossen Vulkanseen ging. Infolge des frischen Windes liess ich (Tom) die Badehose zurück, was ich beim Erreichen des Viti-See (Kratersee) gleich bereute; das Bad im warmen Wasser wäre wirklich eine Belohnung gewesen.
Beim Camp in Askja wollte die Rangerin noch unsere Pläne wissen und empfahl uns, da sie unseren Jeep als absolut tauglich einstufte, die Piste (Gæsavatnaleiđ-Route) entlang es Gletschers zu nehmen. Leider war am folgenden Tag das Wetter für diese Routenwahl nicht besonders ideal; Regen und Nebel liessen die Fernsicht in eine Nahsicht verwandeln. Wir tasteten uns durch die weite Vulkanlandschaft und trotzdem; es war ein einmaliges Erlebnis in dieser einsamen Bergwelt, wo es vor ein paar hundert Jahren so richtig knallte und krachte.
Dass sich unser Jeep viel Diesel in diesem Gelände gönnen würde, ahnten wir, doch der Durst überraschte auch unsere Vorstellungen. Für die weiteren Pistenvorhaben mussten wir zuerst unseren Vorrat an Treibstoff ergänzen. Nebst den Reservekanistern war auch der Tank bald leer! So mussten wir – wohl oder übel – einen grösseren Umweg zur nächsten Tankstelle fahren, was zwei zusätzliche Tage Fahrt beanspruchte; die Einsamkeit im Hochland hatte ihren Preis. Bei der Rückfahrt ins Hochland mussten wir auf einer anderen Strecke bei einer Flussdurchfahrt „klein beigeben“; zu tief und der Wasserstrom für unseren Jeep zu stark. Mit nur einem Fahrzeug sollte man sich hier nicht ins Wasser wagen. Etwas enttäuscht mussten wir einen weiten Umweg fahren um auf unseren Weg zurück zu gelangen!
Dafür entdeckten wir am späten Nachmittag wenige Kilometer neben der Piste eine warme Quelle, die nirgends in einem Prospekt, noch bei einer Wegmarkierung zu finden war. Unverzüglich fuhren wir dorthin und erfreuten uns bald im warmen Wasser mit Gletscherblick mitten in der Pampa. Eine kleine Belohnung für den weiten Weg zur Tankstelle und dem Scheitern an der Furte (Wasserdurchfahrt).
Nach der Erholung im warmen Pool holperten wir weiter durch die Vulkanlandschaft westlich des Askja-Massivs zum Mývtan-See, der in Nordisland liegt. Bis wir an diesem touristischen Hotspot ankamen, durchstreiften wir auf unserm Weg weite und menschenleere Gebiete. Die 4 Offroadfahrzeuge, denen wir begegneten, waren wie kleine Zeichen, dass es doch noch Menschenleben auf dieser Erde gibt.
Das touristische Zentrum um Reykjahliđ am Mývatn-See, wo viel für den Besucher getan wird und allesmögliche als „die Sensation“ verkauft wird, erreichten wir kurz vor einem Wochenende. Es war einiges los und nebst abenteuerlichen Jeep-Touren wurden die Touristen Bus Weise zu den Sehenswürdigkeiten gefahren. Trotz dieses Massentourismus hat die ganze Region wirklich viele tolle und eindrückliche Sehenswürdigkeiten, ob nun sprudelnde Wasserquellen oder blubbernde Erdlöcher, eine Wanderung dem Kraterrand entlang mit wunderbarer Fernsicht oder die zischenden Geothermikkraftwerke. Selbst die bizarre Welt um den Mývatn-See oder das Restaurant im Kuhstall; alles war auch für uns ein besonderes Erlebnis und die Einzigartigkeit der Landschaft übersteht sämtliche Massen an Touristen.
Statt der schnellen Strasse wählten wir erneut unsere Nebenwege und quälten unser „RuGe-li“ erneut über Lavafelder zu den Wasserfällen am „Jökulsá-á-Fjöllum“ (Gletscherfluss), der an verschiedenen Stellen über hohe Felsstufen in die Tiefe stürzt. Nach erneut zwei einsamen Tagen erlebten wir diese touristischen Sehenswürdigkeiten mit vielen anderen Besuchern und bei gewissen Stellen war wirklich ein kleines Gedränge für den besten Fotoplatz.
Für die Rückkehr an die Ostküste wählten wir den Weg durch das Dimmifjallgarđur-Gebirge, wo die Piste einer alten Stromleitung folgte. Zu Beginn war der Weg noch relativ angenehm zu Fahren und eine wunderbare Landschaft begleitete unsere Fahrt durch Täler und Hügelzüge. Nebst den Flussläufen überraschte uns die Pflanzenwelt und was alles so in dieser harten Umgebung gedeihen kann. Später wurde der Weg zunehmend ruppig und teilweise im Schritttempo kraxelten wir über unzählige Steinbrocken, die kein Ende nehmen wollten. Immer wieder schauten wir uns gegenseitig fragend an, ob wir wohl irgendwo eine Abzweigung verpasst hätten. Trotz aller Unsicherheit erreichten wir die Ostküste und eine angenehme warme Dusche.
Auf Langanes, einer nordöstliche Halbinsel, die weit hinaus in den Atlantik ragt, sollte man das Gefühl erleben, sich am Ende der Welt zu befinden. Na also, nichts wie hin ans Ende der Welt! Selbst dort fanden wir viel Interessantes und ganze Vogelkolonien in ihren Nestern an den steilen Klippen. Später betrachteten wir von einer Erhebung im Landesinnern diese Landzunge und waren etwas überrascht; diese Halbinsel zieht sich wirklich wie eine Zunge ins Meer hinaus, links und rechts einfach nichts mehr; eben, das Ende der Welt.
Wir folgten weiter der Nordküste und mussten für einmal der Hauptverbindung treu bleiben; andere Strassen oder Wege gibt es hier oben nicht. Um doch etwas vom Weg abzuweichen, versuchten wir den nördlichsten Punkt des isländischen Festlandes zu erreichen. Der Zufahrtsweg hinaus zu einer verlassenen Farm an der Nordspitze wurde wohl schon lange nicht mehr befahren und die letzten Kilometer mussten wir zu Fuss zurückgelegen.
In Húsavik erreichten wir den nächsten Hotspot der Islandreisenden, wo alle Besucher zu einem Walbeobachtungstripp animiert werden. Wir beobachteten die Meeresbucht sehr intensiv und waren bald der Überzeugung, dass um diese Jahreszeit sich wohl nicht mehr allzu viele Wale in der Bucht aufhalten und die schnelle Fahrt im Schlauchboot wohl nicht die beste Rückentherapie für Chantal wäre.
So liessen wir diesen Bootstripp links liegen, genossen aber das kleinstädtische Leben im Hafenquartier und gönnten uns einen Besuch im Walmuseum, wo überraschenderweise viel Informatives zu den Walen, deren geschichtliche Bedrohung und mögliche Auswege für den Artenerhalt gezeigt wird.
Über den Gođafoss, einem Wasserfall, wo einst ein bedeutender Führer der Isländer einen weisen Entschluss in der Religionsfrage fällte und eine Zerreissung des Volkes verhinderte, steuerten wir über einen einsamen Weg hinaus auf eine weitere Halbinsel, die gegenüber von Húsavik liegt und uns von einer Anhöhe einen wunderbaren Blick in die Bucht erlaubte. So erlebten auch wir – zwar nur aus der Ferne – stiebende Fontänen und auftauchende Meeresriesen.
Nach vielen sonnigen Tagen fuhren wir wieder landeinwärts und weiter zur zweitgrössten Stadt auf Island. Für unsere Begriffe ist Akureyri eher eine Kleinstadt, für die Bevölkerung in Nordisland muss der Ort jedoch von grosser Wichtigkeit in ihrem Leben sein; hier gibt es einfach alles.
Für uns diente Akureyri ebenfalls als Versorgungsort, ehe wir wieder hinauf ins Hochland fuhren. Bevor der erste Schnee (Mitte – Ende August) kommt, möchten wir noch ein paar Pisten befahren und noch einmal Gletscherluft geniessen.