Die Tage ganz weit im Süden waren bald gezählt, obwohl das touristische Angebot kaum Wünsche offen lässt und für einen längeren Aufenthalt noch einiges zu bieten hätte. Doch selbst der Campingplatz in Key-West war fürs Budget doch eine andere Preisklasse als gewohnt und lag in einer anderen Gegend bereits bei Hotelniveau.
Gemütlich hüpften wir von Insel zu Insel zurück dem Festland entgegen und legten, kurz vor der letzten Brücke in Key-Largo einen längeren Halt ein. Eigentlich spielt sich hier unten in den Keys alles draussen auf dem Wasser oder unter der Wasseroberfläche ab und soll für jeden Wasserfan eine riesen Spielwiese sein. Nebst all den vielen Möglichkeiten entschieden wir uns für eine längere Tour zum vorgelagerten Riff, wo wir, bestückt mit Schnorchel, Taucherbrille und Flossen die Schönheit unter der Wasseroberfläche bestaunen konnten. Die Rückkehr war eher schlimm als schön und Chantal erinnerte sich nur noch an einem Satz, den ihr ein Matrose an der Nordsee vor langer Zeit gesagt hat: Immer den Horizont anschauen, dann überlebt man die Übelkeit!
Leider war am erwähnten Tag das Meer unruhig, was unsere Süsswassertauglichkeit bald einmal auf die Probe stellte. Den dritten Schnorchelgang mussten wir beide abbrechen und wieder zurück aufs Schiff steigen. Weitere Unterseebeobachtungen vertrug unser Gleichgewichtssinn nicht mehr!
Für den weiteren Rückzieher aus dem südlichen Florida packten wir erneut unseren Mut, durchquerten die Everglades und wagten im Nationalpark nicht nur eine erneute Nacht, sondern im Shark-Valley eine Velotour. Näher als dort kommt man vermutlich den grossen Reptilien kaum – neben dem Veloweg lagen sie gemütlich in der Sonne. Eigentlich sind die Alligatoren, im Gegensatz zu den Krokodilen sehr menschenscheu und ergreifen in der Regel sofort die Flucht; hier sind sie wohl derart an die knipsenden Fotoapparate gewohnt, dass keines sofort im nächsten Tümpel verschwand. Verlässt man aber die Touristenpfade, so hört man nur noch ein Plätschern und von der Alligatorenpracht sieht man vielleicht nur noch den Schwanz im Wasser verschwinden.
Die letzte Nacht in den Everglades verbrachten wir in einem „primitiv Campsite“ etwas abseits der allgemeinen Touristenströme am Rande irgendeines Sumpfes. Gegen Abend verliessen alle andern Besucher den Ort und – oh schlotter – wir waren ganz alleine mit den grossen Echsen!
Weiter folgten wir etwas ungewöhnlichen Strassen und Wegen durch das südliche Florida, wo es fast nur Feuchtgebiete und wenige Wälder hat. Irgendeinmal erreichten wir Naples – das andere Miami – und waren über den grossen Unterschied der beiden Städte sehr überrascht. Weder Wolkenkratzer noch den rasanten Verkehr und die vielen Menschen vermissten wir, fanden dafür feinsten weissen Sand und wunderbare Temperaturen um sich im kühlen Nass zu erfrischen.
Dank der späteren touristischen Erschliessung entwickelte sich die Westküste etwas positiver als die Schwesternstädte an der Ostküste. Hier verschwinden die Palmen nicht im Schatten der Hochhäuser und Ferienresorte. Uns gefielen sogar die wahren Touristenzentren und zwischen den einzelnen Orten findet man – um sein Auge vom vielen Kitsch etwas zu erholen – entsprechende Grünflächen.
Bei der Fahrt vom Süden nach Norden wechselten wir immer wieder ab zwischen der westlichen Küstenstrasse und wenige Kilometer landeinwärts. Der Küste entlang wird wahrlichst alles für den Bade- und Meerestourismus gemacht und auch hier sind für entsprechende Dollars viele Abenteuer zu erleben. Im Hinterland prägen riesige Rinderranchen das allgemeine Landschaftsbild, wo der Hunger nach dem abendlichen Beef gestillt wird. Wenige Flächen wurden noch rechtzeitig unter staatlichen Schutz gestellt, wo man heute noch erahnen kann, wie einst die Prärie hier im Hinterland aussah.
Nach so viel Zick-zack von der Küste ins Hinterland und wieder zurück, entschlossen wir uns für eine Badepause beim schönsten Beach der Westküste, wo gemäss unserem Loney-Führer der weisseste Quarzsand liegen soll.
Etwas südlich von Clearwater (westlich von Tampa), der absoluten Party-Stadt an der Westküste, liessen wir uns in einem State-Park für ein paar Tage nieder und hofften auf ein paar sonnige Tage bei Ruhe und Musse. Doch schon am nächsten Tag blies ein kalter Wind vom Meer her über den Zeltplatz und statt in der Sonne zu ränkeln, schlotterten wir in unserer vierräderigen Behausung.
Ohne grosse Bräune verliessen wir wieder die Küste ins nördliche Florida, wo gemäss unseren Infos über 1‘000 Springs, d.h. natürliche Quellen, an die Oberfläche treten und diese unerschöpflichen Wasserquellen rund 90% der Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser versorgen soll.
Diese Springs sind fast alle unter staatlichem Schutz und durch weiträumige Parks geschützt, aber alle für die Öffentlichkeit für Erholungszwecken zugänglich. Und dies wird auch entsprechend genutzt: Von Kanuten bis zu Höhlentauchern bewegt sich so alles in diesen Gewässern, was irgendwie schwimmt oder schwimmen kann. Ausserhalb der eigentlichen Quellen machen grosse Schilder darauf aufmerksam, dass der Mensch das Wasser mit anderen Lebewesen teilt. Als der Hinweis „Beware of Alligators!“ an uns vorbei huschte, hatten wir plötzlich einen beachtlichen Respekt auf der weiteren Erkundung der Feuchtgebiete und wurden umgehend etwas zurückhaltender.
Die Temperatur sank täglich und auch die Wolken am Himmel wurden immer zahlreicher. Die Springs mit ihren Bademöglichkeiten standen plötzlich nicht mehr zuoberst auf unserer Wunschliste, aber auch die Vermieter für Kanus hatten, wetterbedingt, ihr Geschäft geschlossen. Dafür kurvten wir über Schlammpisten durch staatliche Waldgebiete der Panhandle entgegen und hofften wieder auf etwas wärmere Temperaturen.
Dann holte uns beim Befahren der Südküste der Panhandle die absolute Realität ein: Verschiedene Personen hatten uns bereits vorgewarnt. Was wir bereits in Georgia sahen, erlebten wir hier in einem x-fachen an Zerstörung. Der Hurrikan Michael traf in Mexiko-Beach den kompletten Siedlungsbereich. Ganze Häuserreihen wurden vom Sturm von ihren Fundamenten gerissen und in den Wald geblasen. Der Ort ist seither quasi unbewohnbar und jene, die noch im Ort sind, leben in Wohnmobilen oder provisorisch reparierten „Häuserteilen“. Viele Menschen sind seit dieser Zeit mit den Aufräumarbeiten beschäftigt und trotzdem sieht es immer noch aus wie in einem Katastrophenfilm aus Hollywood, nur mit dem Unterschied, dass hier einfach alles echt und ohne irgendwelche Regieanweisungen hin gestellt wurde.
Vom gesehenen und erlebten waren wir sehr berührt und die ganze Situation bewegte uns noch lange hinterher. Und das Verrückte dabei; ein Ort weiter und schon sind fast keine Schäden mehr sichtbar.
Vor der Grenze zu Alabama besuchten wir noch den Blackwater-River-State-Forest und wollten uns auf dem gleichnamigen Fluss durch den Wald an den vielen Sandbänke entlang treiben lassen. Leider gab es, wetterbedingt, beim Kanuvermieter keine Boote mehr und im Nachhinein war es auch sehr gut; kurz darauf öffnete Petrus all seine Schleusen und die Fahrt wäre wohl etwas ungemütlich und sehr feucht geworden.
Unsere Tage in Florida waren bald einmal gezählt und eine letzte Nacht legten wir gleich vor der Grenze zu Alabama ein, wo ein State-Park fast zu längerem Verweilen einladen würde, doch die morgendlichen Kampfjets und Hubschrauber des nahe gelegenen Militärflughafens rissen uns sehr früh aus den Federn.
So überquerten wir fast bei gleichen Wetterbedingungen wie wir Florida eingetroffen sind, über eine vorgelagerten Küstenstreifen die Staatsgrenze zu Alabama und; hier sind im Gegensatz zu Florida die wenigen Kilometer Küste gleich mit riesen Hotelanlagen vollgestellt und die eigentliche tolle Aussicht auf den Golf von Mexiko wird durch viel Beton verwehrt. Dafür verzogen sich die tiefliegenden Wolken und die Sonne spiegelte sich wunderbar im Meer.
Mobile – spricht sich Mo-biel – umfuhren wir weit südlich und überquerten die Bay von Mobile mit der Fähre weit ab des städtischen Geschehens. Zu unserer Überraschung ist die ganze Bay, aber auch ausserhalb auf hoher See das Meer vollgestellt mit Bohr- und Förderinseln, wo das schwarze Gold aus der Erde gefördert wird. 2010 explodierte eine solche Bohrinsel und verseuchte den ganzen Küstenstreifen mit Erdöl. Die sichtbaren Spuren sind beseitigt, doch die weitere Gefahr nimmt man – wohl oder übel – in Kauf. Schlussendlich brauchen alle diesen schwarzen Saft, damit es weiterhin rollt wie geschmiert.
Der Küstenabschnitt von Alabama war sehr kurz, und schon überquerten wir den Grenzfluss zu Mississippi. Für ein Foto am neuen Staatenschild gab es einen Extrahalt, schlussendlich soll alles schön scharf sein.
Oh Schock; ich konnte den Gang für die Weiterfahrt nicht mehr einlegen! Mit der Kupplung trat ich in die Leere! Was ist los? Geschockt sassen wir beide im Auto und wussten nicht was passiert war. Irgendwie war der Kupplungsmechanismus nicht mehr in Ordnung. Glücklicherweise liess sich der Jeep im ersten als auch im zweiten Gang bei eingelegtem Gang starten und die Weiterfahrt bis zum nächsten Camping war quasi sicherstellen, wenn auch nur sehr langsam.
Irgendwie hatten wir wieder einmal die „Stecknadel im Heuhaufen“ gefunden (sprich „Glück“ gehabt); schon der Empfang bei Presley’s Outing war sehr speziell. Der Besitzer, Lynn Presley wünschte uns bereits ausserhalb seines Restaurants herzlich willkommen und lud uns gleich zum Nachtessen ein.
Was wir dann erlebten war Amerika live; ein riesen grosses offenes Herz und Hilfe für unser Problem, dass es fast kein Problem mehr war!
Und für diesen Abend war „Switzerland-Day“ angesagt! Fortsetzung folgt.