…im Zick-Zack der Ostküste entlang in den Süden.
Lange mussten wir auf diesen Augenblick warten; wir hatten viel gefroren und erlebten Regen in beachtlichen Mengen. Nun sind wir da, im Sonnenstaat der USA und der Empfang war, nach der hohen Wolkendecke im südlichen Georgia, sehr freundlich und die Sonne blickte zeitweise verschmitzt hinter den Wolken hervor.
Jacksonville war an diesem Sonntag eher ruhig und für fremde Touristen gerade richtig, um den Weg hinaus zur Küste und den vielen vorgelagerten Orten zu finden, wo sich jeder, der „Rang und Name“ hat, ein entsprechendes Zweithaus sein Eigen nennt. Auch wird entsprechend geklotzt, und gegenseitige Übertrumpfungen sind vermutlich fast so normal wie das Amen in der Kirche.
Von Atlantic-Beach bis Palm Valley steht wirklich ein Haus, eine Villa oder Ferienanlage nach der anderen. Man schlängelt sich zwischen der ersten und zweiten Häuserreihe durch, manchmal liegt die Strasse gar an vorderster Front und der endlose Blick über den Ozean gehört in diesem Moment dem normalen Fussvolk.
Irgendeinmal war Schluss mit den Luxusbauten und die Strasse schlängelte sich durch die Dünenlandschaft St.-Augustine entgegen. St.-Augustine ist die älteste durch die Europäer besiedelte und immer bewohnte Stadt in Amerika. Dieser Touristenmagnet wurde zum 500 Jahr Jubiläum der Entdeckung Amerikas noch einmal komplett neu restauriert und ist – trotz der kompletten Vermarktung – mehr als ein Besuch wert.
Der spanische Einfluss ist jedenfalls kaum zu verleugnen und selbst heute ist vermutlich die Stimmung wie dazumal und sehr hinreisend, als noch Piraten und andere schräge Kaufleute die Küste beherrschten. Uns gefiel es jedenfalls ausgezeichnet in diesem Schmelztopf von Kulturen und Sprachen.
Bis Daytona-Beach war es dann nur noch ein Katzensprung durch viele namhaften Ferienorte, die sich für die kommende Feriensaison vorbereiten und tausende Tonnen weissen Sand an die Küste kippen.
In Daytona – ein paar Kilometer hinter der Küstenlinie – legten wir einen Halt ein und liessen uns die einmalige Stimmung des internationalen „Speedway“ über uns ergehen, die ich als früherer Motorradfan von den damaligen Rennen her kannte. Eine gigantische Anlage, die – wie soll es auch anders sein – unsere europäische Vorstellungskraft erneut sprengte. Nur das Beste ist hier gut genug und die Stimmung in diesem Hexenkessel mit über 100‘000 Zuschauern auf der Tribüne muss wohl einmalig sein, wenn die Helden über die Ziellinie donnern.
Wir hatten wieder einmal genug von so viel Beton, Blech und Menschen. Zeit, um das Tempo südwärts zu drosseln und nach Westen ins Landesinnere abzubiegen; im Zentrum liegt der Ocala-Nat.-Forest, aber auch unerschöpfliche Wasserquellen versprechen einige Abwechslung.
Am Lake George erlebten wir die ersten extremen, tropischen Verhältnisse und schweissgebadet lagen wir in unserer „Gazell“. Wie wird dies noch enden; „jetzt schon so heiss und wir sind erst im Norden von Florida!“
Bei Ginnie-Springs, etwas westlicher als High-Springs folgte genau das Gegenteil und wir schlotterten den kommenden Morgen entgegen. Das morgendliche Bad in einer der vielen Quellen liessen wir dann grosszügig aus und genossen den wärmenden Kaffee.
Der Campingplatz bei den Ginnie-Springs bereitete sich für das kommende Wochenende auf, als würde irgendein Openair stattfinden. Doch dies scheint hier absolute Wochenendrealität zu sein und bei guten Wettervorhersagen geht es bereits am Freitag los. Langsam merkten auch wir, dass hier in Florida die Menschen etwas anders ticken, als ihre Landesgenossen weiter nördlich und Fun eben ein Teil ihrer Lebenskultur ist.
Mitten in der Landzunge liegt ein grosses nationales Waldgebiet (Nat.-Forest) mit all seinen Spielmöglichkeiten und man lässt die Waldbesucher einiges machen. Am Nordrand liessen wir uns am Fuss eines grösseren Sees auf einem „primitiven Campsite“ nieder und freuten uns bereits auf die kommende ruhige Nacht. Doch weit gefehlt; irgendeinmal kamen die Jäger von der Pirsch zurück und schon dröhnten die Motoren der kleinen Generatoren die Nacht hindurch und kühlten ihre Wohnwagen auf Eiskastentemperatur herunter.
Vermutlich war unsere Offroadtour durch den Wald nicht im Sinne der Jäger. Wir hatten zwar das Permit in der Tasche, aber die düsteren Blicke gaben uns bald zu verstehen, dass wir hier nicht erwünscht sind; als Genusstouristen standen wir ihnen vermutlich bei der motorisierten Treibjagt im Wege.
Nach mehrmaligen Irrfahrten und Holz sägen hatte ich bald einmal genug von diesem Wald und wir waren froh, wieder ausserhalb der Holperwegen und Jägerzunft zu sein.
Orlando durchquerten wir nur und liessen die Themenwelt von Walt Disney grosszügig links liegen; die Eintrittspreise lagen für uns weit über dem Budget in Schwindel erregender Höhe. Nach Los Angeles und Paris verzichteten wir auf das Vergnügen bei Micky Mouse und seinen Freunden, dafür spendeten wir unserem Jeep einen neuen Alternator – so waren wir die Dollars ebenfalls los.
Als Dreikäsehoch lauschte ich vor vielen Jahren den Ausführungen von Bruno Stanek, der die Apollo 11-Mission im Fernsehen präsentierte und war absolut vom Gehörten und Gesehenem fasziniert. Nun, viele Jahre später stand ich dort beim Cape Canaveral, wo einst grosse Geschichte ihren Anfang nahm und versuchte den Gezeigten zu folgen. Seit der Einstellung des Space-Shuttle-Programms ist der NASA-Stützpunkt mehr ein Museum als ein aktiver Raumfahrtbahnhof; doch die Zukunftsideen sind überall spürbar und vielleicht auch bald der Traum des ersten Menschen auf dem Mars Realität.
Irgendeinmal überquerten wir die Grenze des südlichen Floridas und durchstreiften die weiten Flächen landeinwärts. Und, es ist wirklich alles flach, flacher kann es kaum werden. Unsere Blicke verloren sich in der Weite des Horizontes ohne an irgendetwas zu stossen.
Eine Ranch folgte auf die nächste, dazwischen Weideflächen soweit unsere Augen sehen konnten. Südlich vom Okeechoobee-See durchquerten wir Zuckerrohrplantagen, die fast so endlos wie die Ranchgebiete waren. Wenige Plantagen von Orangen und anderen Zitrusfrüchten lockerten das Gesehene auf.
Irgendeinmal standen wir mitten im Indianerreservat der Seminolen, die noch heute stolz darauf sind, den Friedensvertrag mit der Regierung nie unterzeichnet zu haben und somit im südlichen Florida in den Sümpfen der Everglades bleiben zu können. Alle anderen, die den Vertrag eingingen, wurden in die Gegend westlich vom Mississippi umgesiedelt.
Die acht verbliebenen Stämme machten aus ihrer Situation das Beste draus, konnten als unabhängiges Indianergebiet vor allen anderen Glückspiele anbieten und mussten dabei viel Geld verdient haben. Sie treten heute nicht nur als Besitzer der ehemaligen britischen Hardrock-Café-Kette auf, sondern mischen auch lokal im Tourismusbereich kräftig mit. Uns gefiel ihr Safari-Land besonders, wo wir auf verschiedene Arten ganz nahe an die heimische Tierwelt gebracht wurden.
In einem grossen Bogen fuhren wir durch alle berühmten „Beach“-Orte, von Hollywood-Beach bis nach Miami-Beach dem Everglades-National-Park entgegen. Es mag bei der Durchfahrt durch die Häuserschluchten fast unglaublich klingen, aber vor hundert Jahren waren hier nur Sandbänke und keine Badenixen, die sich in der vorweihnächtlichen Zeit in der Sonne ränkelten. Nebst unendlich vielen Villen, die alle dicht gedrängt an den Inlet-Kanälen liegen, wachsen an der Beachseite die Hochhäuser anscheinend unaufhörlich in die Höhe. In den Kanälen und auf dem Inlet lagen Yachten, die bald das Ausmass von Hochseeschiffen haben, und alle glänzten wunderbar in der nachmittäglichen Sonne.
Vor Miami fuhren wir dem Hafenpier entlang, wo nicht weniger als 5 Kreuzfahrtschiffe vor Anker lagen und einen wunderbaren Vordergrund des dahinterliegenden Zentrums gaben.
Bei der Ausfallstrasse südwärts durchstreiften wir, ohne irgendwie zu übertreiben, 30 Kilometer Einkaufsstrasse, wo ein Verkaufsgeschäft auf das nächste folgte. Einfach alles gigantisch! Aber, wer will so viel einkaufen, so dass alle Geschäfte gleich in mehrfacher Präsenz vor Ort sein müssen?
In Florida-City war dann der ganze Spuk vorbei und auf einem Schlag standen wir wieder draussen in intensiv genutzter landwirtschaftlicher Flächen, wo auf riesigen Feldern viel Gemüse und andere Pflanzen kultiviert werden. Nebst dem grossen Wasservorkommen müssen die klimatischen Bedingungen jeden Gemüsebauern zum Schwärmen bringen und in den Arbeitersiedlungen, die wie Estates angelegt sind, stehen die Arbeitskräfte gleich neben den Feldern.
Der folgende Everglades-National-Park ist heute noch das, was von der Trockenlegung gerettet wurde: Ein einmaliges Naturparadies wie es hier in Südflorida vor langer Zeit fast überall war. Das Mücken-Barometer lag bei unserer Ankunft auf moderat, was uns grosse Hoffnung gab eine dort eine schöne Zeit zu verbringen. Die offiziellen Auskünfte in den Rangerstationen waren eher dürftig und nicht dem, was wir bisher in den Parks erlebten.
Doch die Nacht in Flamingo, am anderen Ende des Parks und wunderbar am Meer gelegen, war selbst für mich beinahe der Horror. Nicht die Stechmücken, nein, die ultra kleinen „Flies“, die selbst durch unser Moskitonetz hindurch wanderten, machten uns die Nacht zur Hölle! Statt zu einer Wander- oder Kajaktour zu starten, packten wir am nächsten Morgen unsere Sachen zusammen und überliessen die Küstenprairie den kleinen Plaggeistern; 1:0 für die stechende Zunft.
In der Hoffnung, dass wir die Keys nach der Mückenplage etwas menschenwürdiger erleben konnten, wurden wir zu „Inselnhüpfern“. Irgendeinmal verbanden die Amis die vorgelagerten Inseln mit einem Highway, machten aus den einsamen Inseln leicht erreichbare Paradise, wo heute Ferienhäuser und viele, der Natur überlassenen Inselgruppen liegen. So hüpften wir hinaus nach Key West, dem südlichsten Punkt der kontinentalen USA; weiter südwärts ginge es dann nur noch per Boot.
Hier unten, am Ende der USA erlebten wir alles ein bisschen anders und die Leute sind noch etwas „cooler“ als sonst wo. Fun steht ziemlich hoch im Kurs und für ein paar Dollars darf man an den ausgeflippten Sachen selbstverständlich mit dabei sein; von einer Anglertour bis zur schrägsten Unterwassertour ist einfach alles dabei.
Wir genossen die Altstadt von Key-West auf unsere Art und waren von der vorweihnächtlichen Stimmung überrascht; aber auch sonst: hier lässt, oder würde es sich gut leben lassen.