Golf von Mexiko

Im Cowboy-Land.

(….noch kurz zur Erinnerung: Mit unserem defekten Jeep – die Kupplung liess sich nicht mehr betätigen – landeten wir bei Presley’s Outing, ganz im Süden von Mississippi.)

Lynn Presley vom gleichnamigen Outing, bescherte uns ein vorweihnachtliches Geschenk mit dem „Switzerland-Day“. Ganze 6 Tage hatten wir frei Haus, oder besser gesagt einen Wohnwagen zur Verfügung, er organisierte die Autoreparatur, den Abschleppdienst und machte noch vieles mehr für uns, als wären wir alte Freunde, die sich gegenseitig das letzte geben würden. Am ersten Abend durften wir in seinem Restaurant auch noch ein sehr gutes Nachtessen geniessen – frei nach Wahl! Als wir Lynn Presley auf seine Gastfreundschaft ansprachen, meinte er kurz und trocken; dass sei in den Südstaaten ebenso ist – einfach bodenständig und ein grosses offenes Herz.

Nach langem hin und her und zusätzlichen Materialbestellungen seitens der Reparaturwerkstatt war es dann endlich soweit; unser Jeep-li war wieder abholbereit.
Wir hätten noch lange bleiben können und Lynn Presley bedauerte es, dass wir umgehend weiter wollten. Doch unser Drang westwärts und in Richtung New Orleans war gross.

Der Himmel war mit dicken Wolken verhangen und so entschlossen wir uns, auf direktem Weg der Küste entlang in Richtung Louisiana zu fahren.
Mit einem langen Abstecher nach Baton Rouge – dort gab es für den kleinen Bub das grosse Weihnachtsgeschenk – und über Francisville am Mississippi erreichten wir New Orleans.

In Francisville und im Hinterland entlang der Grenze Louisiana-Mississippi konnten wir noch viele ehemalige Herrschaftshäuser der Grossgrundbesitzer bestaunen und die Besitzverhältnisse sind vermutlich immer noch gleich wie vor hundert oder zweihundert Jahren.

Bei der östlichen Anfahrt von New Orleans wurden wir aber in eine andere Welt katapultiert.
Nebst den vietnamesischen Siedlungen folgten viele Wohnquartiere der einfachen Bevölkerung, wo die Prioritäten nicht gleich liegen wie bei den gesehenen Häusern auf dem Lande oder noch ausserhalb des Ballungsraums von New Orleans.

Unser Weihnachtsfest gestaltete sich in diesem Jahr eher etwas bescheiden auf dem Campingplatz mitten in der Stadt und wurde von vielem Feuerwerk bis weit in die Nacht hinein begleitet. Für uns war es auch sehr speziell; obwohl wir freiwillig hier sind, vermissten wir unsere Kids und das familiäre Weihnachtsfest in der fernen Schweiz sehr.

Als Weihnachtsmenü genossen wir ein Fertigfondue – made in Switzerland (Emmi) – das hier in den Südstaaten in einem grossen speziellen Einkaufsgeschäft entdeckt hatten. Jedenfalls, wir genossen diesen ungewöhnlichen Schmaus und waren ganz enttäuscht, dass die Pfanne relativ schnell leer war.

New Orleans ist zur weihnächtlichen Zeit besonders und wir genossen die Streifzüge durch die Stadt sehr. Das French-Quartier begeisterte uns besonders; da könnte man noch Tage verbringen, bis man wirklich alles erlebt hat. Die Leute versprühen viel Lebensfreude und Musik hört man wirklich in allen Ecken; einfach sehr hinreisend.

New Orleans verliessen wir in südwestlicher Richtung, wo auf grossen Feldern das Zuckerrohr geerntet wurde. Was früher viele Arbeiter von Hand erledigten, machen heute wenige Menschen mit grossen Maschinen, die sich durch den feuchten Boden wühlten und die süssen Stangen an den Strassenrand transportierten.

Kurz vor Morgan City änderte sich das Bild schlagartig; grosse Werften stellen so alles her, was das Offshore-Geschäft braucht. Doch bei der Durchfahrt wussten wir nicht so recht, ob es nun Werften oder Schrotthändler sind: ein riesen Chaos von rostigen Maschinen- und Schiffsteilen. Da anscheinend genügend Platz zur Verfügung steht, lässt man alles irgendwie stehen wie es einmal hingestellt wurde. Vielleicht kann man es ja wieder einmal brauchen!
Kaum weiter, wird mit riesigen Baggern irgendein Rohstoff abgetragen und mit unzähligen Zügen  rund um die Uhr abtransportiert.

Vor dem Grenzübertritt zu Texas folgen noch weite Flächen, wo man die Natur sich selbst überlässt und unzählige Schutzgebiete lösen sich gegenseitig ab. Zu den Zeiten der Vogelzugzeiten ist hier wohl einiges los und muss für Vogelkenner das reinste Paradies sein.

Wenige Feriensiedlungen machen auch bald klar, dass drüben in Texas das grosse Geld nicht in der Landwirtschaft, sondern mit dem Öl verdient wird. Entsprechend sehen auch die Bauten und Ferienresidenzen aus und es wird grosszügig geklotzt.

Die rauchenden Schornsteine der Raffinerien von Port-Arthur als auch die Bohr- und Förderanlagen draussen im Golf von Mexiko sahen wir schon von weitem. Hier liegen wohl die Prioritäten anders: Kein Badetourismus an den weissen Stränden, sondern viel Industriegelände, wo aus dem schwarzen Saft all erdenklichen Erzeugnisse hergestellt werden.

Dass all diese Produkte auch irgendwie weg müssen, spürten wir direkt auf der Strasse, oder hörten die vielen Züge durch die halbe Nacht hindurch, wie sie ihr Signalhorn vor jedem Strassenübergang mehrmals betätigten (für Thomas natürlich ein heimatliches Gefühl….)

Statt Houston zu durchkreuzen, legten wir im nördlich liegenden Sam Houston-National-Forest einen Halt ein und genossen wieder einmal die Ruhe fernab der menschlichen Hektik. Das milde Weihnachtswetter wich irgendeiner Störung; es wurde täglich frischer und ungemütlicher. Das wärmende Feuer abends machte das Campieren etwas erträglicher, doch wir hatten hier im Süden etwas mildere Temperaturen erwartet.

So ging es zügig übers Land Austin entgegen. Weite Farmgebiete mit riesigen Rinderherden begleiteten uns der Hauptstadt entgegen. Auf manchen Farmgebieten stehen unzählige Ölpumpen, wo fleissig schwarzes Gold aus dem Boden gepumpt wird und für zusätzliche Einnahmen im schrumpfenden Farmbusiness bringen. Gleichzeitig waren wir immer wieder überrascht, dass sich hier der Reichtum und ärmliche Verhältnisse gleich nebeneinander gesellen; hier ein prächtiger Landsitz, nebenan eine ärmliche Behausung, wo die Menschen quasi in einer Bretterbude leben.

Silvester erlebten wir in Austin auf dem Campingplatz, und wir feierte gleich zweimal den Jahreswechsel: Bereits um 5 Uhr nachmittags flog der erste Korkzapfen durch die Luft und wurde in der Nachbarschaft gleich entsprechend kommentiert. Später folgten wir der Einladung des gemeinsamen Familientreffens und Miniumzuges über den Platz. Es war sehr speziell und wie schon öfters erlebt, die Amerikaner lieben es sehr kitschig. So bastelten auch wir fleissig irgendwelche Kunstwerke aus leuchtenden Stäben und setzten viele leuchtende Dinger ein – selbstverständlich alles aus China – und gingen so auf Umzugstour.

Um Mitternacht knallte selbstverständlich der Korken von der zweiten Flasche und die vielen Feuerwerke rund um uns herum leitete das neue Jahr ein. Na dann, Prosit Neujahr, auch das lieben die Amis; viel Lärm und grossartige Knallerei.

Die Wetterprognosen für die ersten Tage im jungen Jahr verhiessen nicht allzu Gutes: Viel kalte Luft soll aus den Rockys zum Golf von Mexiko strömen, und massive Niederschläge sind angesagt. So passten wir umgehend unsere Reiseroute den neuen Verhältnissen an; ganz im Süden von Texas soll es doch etwas wärmer sein.

Der Aufenthalt in Austin war entsprechend kurz. In einer Hauptstadt sind an nationalen Feiertagen alle wichtigen Sachen geschlossen und so gab es nur eine Fahrt durch die Innenstadt; selbstverständlich auf all möglichen Nebenwegen und Sackgassen.

Schnell hatten wir die Wolkenkratzer im Rückspiegel verloren, schon standen wir weit draussen im „Ranchland“, wo tausende von Kilometer Stacheldraht die jeweiligen Besitztümer einzäunen und grosse Verbotsschilder das Befahren eines Nebenweges gleich verbieten.

Nebst vielen Kühen sind die Ölpumpen immer zahlreicher und je weiter wir südlich in Richtung Meer unterwegs waren, desto lukrativer muss das Geschäft mit dem schwarzen Gold sein. Überall werden die alten Pumpen mit dem Schwungrad und dem langem Hebelarm durch neue und leistungsfähigere Anlagen ersetzt.

Die Wolken hingen im hügeligen Hinterland bereits tief, und es war mehr als nur frisch. Als uns in Yorktown eine Tankwartin irgendwie verständlich machte, dass es auch hier schneien kann, düsten wir gleich weiter dem Golf von Mexiko entgegen. Zwar war die folgende Nacht an der Küste noch ziemlich windig und kälter als erwartet. So schlotterten wir dem nächsten Tag entgegen und hofften, dass es auch hier, weit im Süden, doch endlich etwas wärmer werden könnte.

Unser Wunsch ging bald in Erfüllung: Bereits vor Corpus Christi wurden die Wolken weniger und die Sonne lachte immer mehr. Bald war auch bei uns T-Shirt-Wetter, und so kurvten wir der Corpus Christi-Bay entlang durch den gleichnamigen Ort.

Uns gefiel die Strandpromenade sehr gut und die Rundung der Bay gab immer einen wunderbaren Blick aufs Zentrum frei, doch das Zentrum wie auch die langgezogenen Vororte machten auf uns eher einen verschlafenen Eindruck. Vermutlich waren schon alle draussen auf den vorgelagerten Inseln, genossen das schöne Wetter am Strand und betätigen sich an irgendeiner Wassersportart.

Auch wir waren bald einen Teil dieser Genussmenschen und liessen uns irgendwo am Strand für die nächsten Nächte nieder. Im südöstlich gelegenen Nationalpark hatten wir fast Narrenfreiheit, da sämtliche Nationalparks durch den gescheiterten Budgetentscheid in Washington stillgelegt und die Mitarbeiter in unbezahlten Urlaub geschickt wurden. Der Zugang zum Park war trotzdem offen und durfte auf eigenes Risiko betreten werden. Touristische Einrichtungen und weitere Einrichtungen seitens Park waren jedoch geschlossen und mit schweren Ketten gesichert. (….auch draussen im Park selbst spürte man sofort die Abwesenheit der Ranger. Die Besucher hielten sich nicht mehr an die einfachsten Grundregeln und verhielten sich, als wäre es der letzte Tag!)

So genossen wir drei wunderbare Tage am Meer, wo wir unseren Jeep hinstellen konnten wie wir es als richtig empfanden. Sonnenunter als auch Aufgänge, Sternenhimmel zum Sattsehen und Tiere in allen Himmelsrichtungen. Die abendlichen Feuer waren quasi das Pünktchen auf dem „i“, und die vergangenen kalten Tage waren bereits wieder in Vergessenheit geraten.

In einem grossen Bogen durchs Hinterland durchfuhren wir erneut unendliches Ranchland, wo immer wieder grosse Schilder darauf hinweisen, dass man mehr Fleisch essen sollte, gefolgt von noch grösseren Ackerflächen, wo hauptsächlich Baumwolle und Zuckerrohr angebaut wird, bis wir uns schlussendlich auf einem Militärstützpunkt verirrten. Der grüne Jeep mit den roten Sandblechen und Fahrrädern auf dem Heckträger passte so nicht ganz ins Bild und umgehend wurden wir wieder zurück auf den richtigen Weg beordert.

Und dann, ganz südlich in Texas und unmittelbar vor der Grenz zu Mexiko, traf uns der Schock gleich mehrmals:
Zuerst beim Überqueren der Brücke nach South Padre Island, wo wir wieder etwas mehr naturbelassene Küste erwarteten, versperrten Hochhäuser und andere Ferienanlagen den Blick aufs Meer!
Beim Clubzeltplatz – wo wir notabene Mitglied sind – wurden wir gar nicht aufgenommen und vom Platz verwiesen! Vermutlich passte ihnen unser Jeep mit Campingausbau nicht ganz, oder er war einfach zu klein um auf dem Platz zwischen den mega-grossen Campern einen ordnungsgemässen Platz zu erhalten.
Beim nächsten Zeltplatz musste ich nach der Bezahlung noch jede einzelne Platzregel mit der Unterschrift quittieren und eine kostenlose Stornierung war ab diesem Moment nicht mehr möglich!

Auf dem zugewiesenen Platz erholten wir uns langsam vom kurz zuvor erlebten und die flippige Gesellschaft aus allen Ecken der USA stellte uns bald wieder auf.
Tja, Facettenreich ist diese Ecke wirklich.