New York – Atlantic City

Unser Auto konnte nicht mehr gefahren werden – wie weiter? Wir lagen ausserhalb der City von New York auf einem stillgelegten Flugplatz, wo’s auch ein Zeltplatz gibt und trotz des städtischen Hintergrundlärm das Geschnapper der Gänse von der nahe gelegenen Jamaica-Bay hörbar sind.

Die Nächte waren sehr frisch und einsam. Auch waren wir lange ohne irgendwelche Möglichkeiten, mit der Aussenwelt zu kommunizieren. Die nahe Sporthalle ermöglichte uns plötzlich vieles und mit dem offenen Internet waren wir wieder mit der grossen Welt in Kontakt. Ebenso bemühte sich das Rangerteam des Jamaica-Parks um unser Problem, so dass wir zu einer akzeptablen Lösung kamen. Dank Velos hatten wir doch noch eine gewisse Mobilität.

Wie schon erwähnt, machte das bevorstehende Wochenende eine schnelle Lösung für unseren Jeep nicht gerade einfach, aber im Verlauf des Samstagnachmittags zeichnete sich eine Reparaturmöglichkeit für den kommenden Montag ab. Die empfohlene Werkstatt auf Rockaway organisierte auch gleich die Abholung unseres Autos, so dass wir einmal eine Sorge los waren.

Dafür verlängerte sich unser Aufenthalt zwangsläufig um ein paar Tage hier am Rande von New York. Ebenso mussten wir einen Ersatz für „unser Haus“ finden, da in der Werkstatt der Jeep kaum als Schlafstelle benutzt werden konnte. Für ein paar happige Dollars fanden wir in der Nähe in einem B+B ein warmes Bett, das wir vorerst für weitere 2 Nächste buchten.

Am Sonntag wollten wir endlich New York erleben, oder besser gesagt Manhatten. Bei der Anfahrt hatten wir ja bereits New York „on Road“ erlebt. Der Ranger empfahl uns die Anreise per Fähre, so dass wir ein richtiges Feeling von der Grösse der verschiedenen Stadtteile erhalten würden.

Der Tipp war wirklich goldrichtig. Auf dieser Art fährt man langsam in die Metropole hinein, bekommt von der Bucht aus einen ersten Eindruck der Grösse und einen gewissen Überblick. Und, es war und ist wirklich alles gigantisch! Wir verstanden sofort, wieso alle von diesem New York schwärmen und was erlebten vor hundert Jahren die Einwanderer, die zu tausenden hier durch die Bucht an der Freiheitsstatue vorbei zogen; wir waren jedenfalls stark beeindruckt.

Ab dem Pier wanderten – von spazieren kann man hier von den Distanzen her wohl nicht mehr reden – durch Lower Manhatten, begegneten auf viele bekannte Namen, wie Wallstreet, Broadway und andere Dinge, die schon mehrmals die Weltgeschichte bewegten. Nebst der gesamten Bankenwelt sind auch viele Museen, kleine Parkanlagen und Gedenkstätten omnipräsent.
Sehr beeindruckend und nicht ohne Emotionen besuchten wir die Gedenkstätte des 11. September, die heute noch von vielen Leute besucht und für kurz inne gehalten wird.
Chinatown war für diesen Tag die letzte Station und war wieder eine Welt für sich. Die Farben, die Gerüche und die Hektik waren fast einmalig, aber auch sehr ermüdend.

Spät abends legten wir an Pier 13 mit der Fähre ab, winkten der Freiheitsstatue noch kurz zu und freuten uns bereits auf die Fortsetzung in Midtown Manhatten, wo viele weitere Sehenswürdigkeiten auf uns warten. Doch bis es soweit war, mussten wir noch mit etwas Geduld auf dem Campsite in der Jamaica-Bay ausharren, da Termine (Montagmorgen/abschleppen Jeep) in dieser Stadt nicht immer so eingehalten werden, wie sie abgemacht wurden.

Irgendeinmal am Montagnachmittag stand endlich der Abschleppwagen da und transportierte unseren Jeep, inklusiv Inhalt – uns – nach Rockaway, wo die Mechaniker bereits auf das Auto warteten. Erstaunlicherweise waren auch die Radlager sofort lieferbar und noch am gleichen Nachmittag wurde alles zerlegt und für den Wiedereinbau bereit gemacht. Die ganze Situation stimmte uns wieder sehr zuversichtlich und wir freuten uns, bald weiterreisen zu können.

Während in der Werkstatt geschraubt wurde, reisten wir am nächsten Tag mit der Metro in etwas mehr als einer Stunde nach Manhatten, um den mittleren Stadtteil zu erkunden. Wir tauchten aus dem Untergrund direkt im Herz von Midtown, am Rande des Central-Parks und gingen zu Fuss der Lebensader Broadway entlang in Richtung Süden. Hier gibt es wirklich alles zu finden: von Ramschläden bis hin, wo sich die ganze high Society-Stream bewegt.

Während auf der Strasse und den Plätzen nebst viel Verkehr auch einiges an Gauklern und Strassenartisten ihr Bestes gaben, machten drinnen viele bekannte Marken und Namen mit ihren Produkten viel PR, nach dem Motto, koste es was es wolle, wir sind da.

Kaum vorstellbar, was hier alles los sein kann, wenn irgendein Star aus dem Theater über den roten Teppich hinaus auf dem Broadway läuft. Die Stimmung (…und das Gekreische) muss dann wohl noch um ein Mehrfaches grösser und kaum vorstellbar sein. J

Bei den vereinten Nationen (UNO) waren wir etwas enttäuscht: Keine Fahnen noch sonst irgendeine Besonderheit! Freuten wir uns doch wieder einmal – unter den vielen Flaggen – unser Schweizerkreuz zu sehen. Vielleicht hätten wir unseren Besuch vorher ankündigen sollen?
In Little India beendeten wir unseren Besuch, genossen noch fernöstliche Köstlichkeiten und machten uns auf den langen Weg zur Metro und mit dieser an den Rand der Stadt, von wo aus die Brandung des Atlantik den städtischen Lärm etwas dämpfte.

Bald war es soweit und wir konnten unseren Jeep endlich wieder in Besitz nehmen. Die Radlager wie die Dollars waren getauscht und schon düsten wir über diverse Schnellstrassen südöstlich, später südlich um New York herum dem Süden entgegen.

Die Mautbrücken überfuhren wir ohne irgendeinen Dollar anzurühren und wissen heute noch nicht, wie man diese Maut begleichen kann; wir haben weder das EZ-System. noch kommen wir mit „Toll by Mail“ klar, da das System am PC „unavailable“ ist. Vielleicht sucht uns ja bald einmal das FBI. 😉

In New Jersey folgten wir noch kurz der Küste und den vielen Vororten von New York, bevor wir im Landesinneren erneut etwas ruhigere Wege und Strassen fanden.

Der Unterschied zwischen den Hauptachsen und den ländlichen Gebieten war stark, der Verkehr in städtischen Vororten enorm schnell und die Zuvorkommenheit des Nordens findet man hier kaum. Die angegebenen Geschwindigkeiten sind eher Richtwerte und Rotlichter werden öfters als „dunkelgrün“ überfahren. Die Hupe ist ebenfalls ein sehr wichtiges Bestandteil am Auto und von diesem wird sehr rege Gebrauch gemacht.

Auf den Nebenstrassen ging’s für uns wieder etwas gemächlicher zu und her und nach dem Verlassen der stark zersiedelten Küstenregion standen wir auch bald wieder in der Natur, wo viel Wald und Sumpfgebiete zu finden sind, aber auch grössere Kulturen, wo u.a. Reis angebaut wird, begleitete uns auf dem Weiterweg nach Süden.

Und dann, irgend auf einem Parkplatz entdeckte ich unter dem vorderen linken Rad eine kleine Öllache. „Was ist hier los?“ durchfuhr sofort meine Gedanken. Bei einer genaueren Begutachtung folgte gleich der zweite Schock. Irgendwie muss aus dem Differenzialgetriebe Öl entweichen und dort hat’s nicht allzu viel dieser schmierigen Masse drin.

Noch gleichentags suchten wir im Nachbarort von Atlantic City eine Jeep-Werkstatt auf und der Schaden war schnell lokalisiert: beim Wechsel der Radnaben wurden anscheinend die Dichtringe im Innern der Achse beschädigt; diese müssen nun zwingend ausgetauscht werden. Vermutlich war das Anvertrauen unseres Fahrzeuges an eine „freie“ Werkstatt nicht die richtige Wahl; bei einer Jeep-Garage wäre dies eventuell nicht beschädigt worden, aber mit Bestimmtheit kann dies nicht mehr festgestellt werden.

Zu unserer Erleichterung waren diese Teile in der Werkstatt vorrätig und für den Folgetag – es war Freitag – wurde gleich ein Termin vereinbart. Frühmorgens brachten wir unseren Jeep in die Werkstatt und verbrachten die Zeit der Warterei im nahe gelegenen Einkaufszentrum, wo uns von meinem Bike die alten Carradice-Seitentaschen – jene, die vor 30 Jahren in Afrika dabei waren – und das Bärenglöcklein von meinem Velo geklaut wurden. Keine Ahnung, wer so was (noch) brauchen kann, aber dies ist hier anscheinend absolute Realität und unsererseits ein weiterer Dämpfer.

Nachmittags suchten wir die Werkstatt wieder auf, um unser Fahrzeug abzuholen. Doch es folgte gleich die nächste schlechte Nachricht und ein weiterer Blocken, den es zu schlucken galt! Die Kegellager im Differenzialgehäuse hatten ihre Arbeit getan, Metallausbrüche auf den Rollen verlangten einen Ersatz. Doch diese waren nicht vorrätig und mussten bestellt werden. Der Werkstattchef zeigte sich auch sehr verständlich, erklärte aber auch, dass sie es so zusammen bauen können, aber das Material vermutlich in wenigen hundert Kilometer versagen könnte und das Ganze Spiel wieder von vorne beginnen würde. Zähneknirschend entschlossen wir uns für die Reparatur und das erneut verlängerte Wochenende in Atlantic-City. Der Werkstattchef besorgte uns noch ein Ersatzauto, so dass wir doch noch eine gewisse Bewegungsfreiheit hatten und unsere Ersatzunterkunft aufsuchen konnten, so ganz nach dem Motto: Made in USA – ohne Auto geht nichts!

Notgedrungen liessen wir uns am Rande von Atlantic-City in einem günstigen Motel nieder und waren mit den bescheidenen Verhältnissen zufrieden.

Dafür geniessten wir die Spielhölle des Ostens in allen Variationen – dieser Ort kann fast alle Wünsche und Gelüste befriedigen. Nebst der Glitzerwelt in den Casinos sorgen ganze Quartiere mit Outletshops dafür, dass die gewonnenen Dollars wieder möglichst schnell unter die Leute gebracht werden. Und beim Betrachten der Cesarstatue im gleichnamigen Kasino kamen mir auch gleich die Worte des einstigen römischen Kaiser in den Sinn: „Brot und Spiele, so hast du im Lande zufriedene Leute!“

Draussen auf dem Beachwalk war, obwohl sehr frische Temperaturen herrschten und ein frischer Wind um die Ohren hauchte, Hochbetrieb und auch hier gilt das oberste Gebot: „Sehen und gesehen werden; koste es was es wolle!“ Und wer nicht gehen will, der kann sich für ein paar Dollars über den Beachwalk schieben lassen.

Den Sonntag gingen wir etwas gemächlicher an. Wir fuhren am Schicky-Micky der Spielerstadt vorbei und folgten den vorgelagerten Inseln und Halbinsel der Küste von New Jersey. Gleich nach dem Zentrum von Altantic-City wurde es viel ruhiger und es folgten Ferienhäuser und noch einmal Ferienhäuser. Wir fragten uns bald einmal, was die Leute hier im Sommer eigentlich tun. Kommen sie doch alle vom Landesinnern von ihren schönen Landhäusern hier an die Küste, wo alles dicht gedrängt ist und stehen sich gegenseitig am Strand in der Sonne? Nichts gegen diesen mehrere Kilometer langen Strand mit feinstem weissem Sand, doch wenn hier tausende Amerikaner herum liegen, dann kann‘s plötzlich etwas enger werden.

Ganz speziell war’s auch in Ocean-City, wo ich nach einem Pup fragte, da sich der Hunger und Durst meldete. Mir wurde sofort erklärt, dass es hier weder Pup noch Alkohol gibt, dafür müsse ich wieder zurück aufs Festland fahren, schliesslich wollten sie den Ruf eines gesunden Familienferienorts nicht verlieren. Wir möchten einfach nicht wissen, wieviel der verteufelten Säfte hinter den vielen Mauern der Ferienresidenzen lagern; dies könnte vermutlich manchen Moralapostel die Sprache verschlagen.

In Sea Isle war dann auch unsere Inselhüpferei zu Ende und wegen Brückenreparaturen konnten wir unsere Fahrt nicht mehr wie geplant fortsetzen. Durch weite Sumpf- und Feuchtgebiete ging’s zurück aufs Festland, und weiter zum Teil durch sehr schmucke Orte entlang des Highways zu unserem Domizil am Rande der leuchtenden Türme von Atlantic-City.

Für diesen Abend liessen wir die Runde im Casino aus, schliesslich soll’s ja bald weiter gehen.