Norwegen

>Bilder ganz unten!

Ich weiss nicht, ob es bei einem Land „Liebe auf den ersten Blick“ geben kann. Wir haben uns jedenfalls vom ersten Augenblick an, eigentlich gleich nach dem Grenzübertritt von Finnland herkommend, in dieses riesige Land verliebt. Hier gibt es einfach alles für uns aus dem Alpenland: Berge, Seen, Meer und unendlich weite unberührte Landschaften!

Die ersten beiden Tage lagen bereits hinter uns; am nördlichsten Touristenhighlight schauten wir bereits in die Tiefe auf das Polarmeer und eine stürmische Nacht am Nordkap erlebten wir ebenfalls. Den Kaffee konnten wir noch geniessen, schnell aufräumen und schon vielen die ersten Regentropfen auf unser Auto nieder. Die Wetteraussichten versprachen für die nächsten Tage mehr Feuchtigkeit als Sonnenschein.

Wir machten uns auf der Strasse Nummer 69, später wurde sie zur Nummer 6, auf den weiten Weg um dem Süden entgegen zu fahren. Andere Strassen oder Wege gab es auch für uns keine; hier oben gibt es nur eine Verkehrsachse, doch auch diese war sehr beeindruckend und abwechslungsreich. Als Alternativen gäbe es Streckenabschnitte durch Schweden, doch infolge der Corona-Pandemie waren die Grenzen für den touristischen Verkehr geschlossen.
Und noch dies: Der Weg vom Nordkap nach Oslo ist weiter als von Oslo nach Basel! Wahnsinn!

Die Wolken hingen tief in den Bergen und nur ab und zu lachten ein paar Sonnenstrahlen hinter den Wolken hervor. Die Fahrt durch Tundra und Wälder mit kleingewachsenen Birken, eigenartige Felsformationen sorgte immer wieder für neue Überraschungen, sei es mit einer ganz anderen Landschaft oder Renntiere, die ebenfalls auf der Strasse unterwegs waren. Auch Elche kreuzten unsere Wege, waren aber leider immer schneller als die Kamera zur Hand.

Und, wenn wir schon hier oben über dem Polarkreis waren, wieso nicht noch ein kurzer Abstecher zur nördlichsten Stadt auf dieser Erde? Schon die ersten Häuser um Hammerfest liessen uns vorahnen, dass hier länger Schnee liegt als die Wiesen grün sind. Alles ist irgendwie für lange, kalte und dunkle Nächte ausgelegt. Früher war es der Ausgangspunkt für die Polarexpeditionen und Walfänger, heute ein Hotspot für alles Verrückte, ob zu Land oder Wasser.

Von Hammerfest ging es wieder zurück und der Küste, den unzähligen Fjorden entlang weiter westlich. Nebst den vielen Fährfahrten waren wir auch immer wieder von den kühnen Brückenbauten überrascht. Ist aus irgendwelchen Gründen ein Brückenbau nicht möglich, so bohren die Norweger einfach ein Tunnel unter dem Meeresarm hindurch. Apropos Strassenbauwerke: Ich dachte immer, dass wir Schweizer Weltmeister im Tunnelbohren seien und die ganze Bergwelt mit Löchern durchbohren. Vielleicht sind es die Norweger? Die bauen noch viel Verrückteres und erstellen wirklich überall Tunnels. Bei Bedarf gibt es auch gleich noch eine unterirdische Kreuzung inklusiv dem dazugehörenden Kreisverkehr. Und falls ein Tunnel trotz aller Ingenieurskunst nicht möglich ist, so gibt es eine Brücke über alles hinweg.

In Tromsø fanden wir endlich eine LPG-Tankstelle, wo wir unsere leere Gasflasche wieder auffüllen konnten. Gasautos sind anscheinend in den nördlichen Breitengraden nicht so populär wie die omnipräsenten Elektroautos. In der Innenstadt besorgten wir noch die restlichen Einkäufe des alltäglichen Lebens. Der kurze Besuch der nördlichsten Kathedrale, die komplett in Holz gebaut ist, machte auf uns einen wärmenden Eindruck in dieser trüben Welt (Wetter).

Unsere Wegrichtung drehte sich langsam nach Südwesten und auch die Sonne lachte immer wieder für längere Abschnitte hinter den Wolken hervor, gefolgt von ausgiebigen Regengüssen. Die vielen Fjorde und weiten Wege um diese herum, oder die Wartezeiten bei den Fähren machten aus unserer Reisegeschwindigkeit schlussendlich  nur kleine Hüpfer auf der Karte. Dafür gab es fast hinter jeder Kurve eine andere Sicht auf die spektakuläre Landschaft und die Fährüberquerungen vermittelten jedes Mal eine erweiterte Perspektive vom Wasser aus.

Bald hüpften wir hinaus, von Insel zu Insel den Lofoten entgegen. Leider war bei unserer Ankunft alles tief verhangen und immer wieder mussten die Scheibenwischer die Feuchtigkeit wegwischen. Wir stellten uns auch die Frage, was wir hier eigentlich machen wollen; einfach hinausfahren, dass man da war? Doch die Lofoten, die weit ins norwegische Meer hinaus ragen, wären nicht die Lofoten und hier kann sich das Wetter im Minutentakt verändern; von Sonnenschein zu stürmischen Niederschlägen oder umgekehrt. Wir erlebten die Wetteränderung vom Niederschlag zu wolkenlosen Himmel und angenehmer Wärme, mit einem wunderschönen doppelten Regenbogen. Die bizarre Bergwelt, umgeben von Meer war ein optischer Traum und füllte die Speicherkarte der Kamera zusehends. Hier könnte man gleich Wochen verbringen; wandern, fischen und entspannen wären die absoluten Highlights, bedingt aber eine wetter- und sturmerprobte Ausrüstung.

Im letzten Ort „Å“ – dieses „Å“ ist einer der letzten Buchstaben im norwegischen Alphabet – legten wir mit vielen anderen Reisenden einen längeren Halt ein und besuchten das kleine ehemalige Fischerdorf, das heute eher ein Freilichtmuseum gleicht und wo allesmögliche für erlebnishungrige Touristen angeboten wird.

Eine Fähre brachte uns von den vorgelagerten Lofoten zurück aufs Festland und ab Bodø folgten wir weiter der Küste, umfuhren unzählige Fjorde oder suchten immer nach möglichen Nebenstrassen, um die vielen Tunnels zu umfahren. Manchmal klappte es, oft mussten wir nach mehreren Kilometer wieder umdrehen oder wir fuhren über gesperrte Wegabschnitte einfach weiter.

Zwischen Bodø und „Mo i Rana“ – es schüttete wieder einmal – folgte erneut eine länger Fährfahrt, als plötzlich der Kapitän über dem Lautsprecher verlauten liess, dass wir gerade über den Polarkreis fahren würden. Alles stürmte nach draussen und versuchte im Nebel die Markierung fototechnisch im Handy zu verewigen. Eigentlich verläuft der Polarkreis mitten im Fjord, doch die Markierung wurde um ein paar Kilometer auf die nächste Landzunge verschoben; fast wie beim Nordkap. 😉

In „Mo i Rana“ verliessen wir die Küstenlinie und stiegen ins Hochland und Berge hinauf, wo unsere Strasse von einem Gewässer zum nächsten führte. Die Abwechslung war sehr gross und wir fanden auch entsprechende Strassen und Wege, die uns erneut von den stark befahrenen Verkehrsachsen weg brachten.

Nach längeren Abschnitten im Landesinnern kehrten wir wieder zur Küstenlinie zurück und schon standen wir vor den Toren von Trondheim, bzw. beim Fährhafen, von wo aus uns ein Schiff ans andere Ufer brachte. Trondheim macht bei Neuankömmlingen einen sehr herausgeputzten Eindruck und lud uns für längeres verweilen ein. Doch zur Sommerszeit waren wir nicht die einzigen Reisenden und überall wimmelte es von Menschenmassen, die – dicht an dicht gedrängt – über die Plätze schlenderte und vor dem nördlichsten Dom die Fresken des Eingangsbereichs ausgiebig studierten. Abstand halten und Masken tragen war anscheinend hier oben noch nicht so populär wie in anderen Orten und die vielen Menschen verhielten sich, als sei alles in bester Ordnung. Erneut suchten wir die Einsamkeit und liessen die kulturellen Dinge links liegen.

Südlich von Trondheim folgten endlich die „Gebirgsstrassen“ über weite Hochebene und Schneefeldern entlang. Unsere Wegvarianten waren teilweise noch etwas extravagant und so durchfuhren wir Talschaften, wo nicht gerade die grossen Touristenmassen hinfahren; Schotterstrassen und steile Wegabschnitte sind nicht für alle Wohnmobile geeignet und selbst normale Personenwagen kämpften sich teilweise mühsam die Rampen hoch. Trotz den Strapazen für Fahrer und Fahrzeug war die landschaftliche Entschädigung überaus gross. Ob stiebende Wasserfälle, Gletscherfelder, die fast an den Strassenrand reichten oder irgendein Bergsee; es war auch ohne Sonnenschein wunderbar. Irgendwo in dieser Gebirgslandschaft feierten wir am Ufer eines rauschenden Bergbaches den 1. August mit Cordon-Bleu und Schweizerfähnli. Leider hatten wir für einen würdigen Ausklang des Abends unsere Landeshyme vorgängig zu wenig eingeübt. Doch die Kulisse und der Bergbach weckten in uns die heimatlichen Gefühle und einem Jauchzer wurde freiem Lauf gewährt.

Bis Bergen standen noch unzählige Überquerungen von Hochebenen an, die uns weit hinauf in die Berge, wo noch überall Schnee lag und Eisfelder zum Greifen nahe waren. Obwohl nur etwa 1200 Meter über Meer, der eisige Wind huschte über die weiten Flächen und der meiste Schnee wird wohl bis zum nächsten Winter liegen bleiben. Die Talfahrten zum nächsten Fjord war auch immer wieder ein Eintauchen in eine grüne Welt, umrundet mit Blau und schneebedeckten Bergen; ein wunderbares Kontrastprogramm.

Flåm zog nicht nur uns in seinen Bann, sondern ganze Heerscharen weiterer Reisender und wir waren erneut etwas irritiert, dass hier fast alles normal für die vielen ankommenden Touristen organisiert und durchgeführt wurde. Wahnsinn!

Zwar fehlten die vielen Schiffreisenden, die jeweils mit riesigen Luxusdampfern im Hafen anlegen und den kleinen Ort gleich zu tausenden überschwemmen. Die Fahrt hinauf nach Myrdal zur Bergen-Bahn und anschliessenden Downhill mit dem Mountainbike liessen wir aus. Selbst durchs Museum der Flåm-Bahn ging es im Gänsemarsch, so dass wir bald unseren Weiterweg nach Bergen antraten.

Von Flåm aus war es auch für uns nicht mehr möglich, über irgendeinen Pass oder Hochplateau zu fahren. Wir mussten uns mit langen Tunnelfahrten begnügen; es gibt sie einfach nicht und alles andere wäre vermutlich verboten gewesen; unsere geliebten Nebenstrassen und Wege. Die Fahrt durch die Unterwelt war lange und erst auf der gegenüberliegenden Seite konnten wir die Hauptverkehrsachse wieder verlassen und auf den ruhigeren Nebenstrassen fahren. Wir folgten bald der Bergen-Bahn hinauf in die weite Bergwelt, wo anscheinend jeder Norweger sein kleines Ferienhäuschen irgendwo in einer Waldlichtung oder an einem See stehen hat. Ein grosses Fahrverbotsschild stoppte uns weit oben im Tal und zwang uns wieder zur Rückkehr. Von weit oben her erreichten wir Bergen mit seinen sehr weitläufigen Vororten. Für uns war es in dieser verstädterten Gegend nicht einfach, irgendeinen vernünftigen Schlafplatz zu finden; überall hatte es Häuser und selbst die unscheinbaren Wegabzweigungen endeten immer vor irgendeinem Einfamilienhaus. Das Zurechtfinden in den Agglomerationen stellte uns vor neue Herausforderungen und oft endete die Sucherei in einer fast aussichtslosen Situation. Unsere Hilfsmittel aus dem Internet sind eher für Wohnmobile ausgerichtet als für kompromissbereite Camper im Offroader.

Dem Zentrum von Bergen erstatteten wir einen ganztägigen Besuch ab und waren von der ruhigen Atmosphäre sehr überrascht. Mag sein, dass das Regenwetter viele Besucher von einer ausgiebigen Tour durch die ehemalige Speicherstadt abhielt und selbst in dieser – unter UNESCO-Schutz stehenden Stadtteil – hatten viele Geschäfte geschlossen. Vermutlich fehlten auch hier die grossen Luxusschiffe, die gewöhnlich im Hafen anlegen und der Stadt viele Besucher beschert.

Unsere Zeit in Norwegen war bald abgelaufen. Mit einem Fährschiff verliessen wir Bergen und konnten uns so auf dieser Minikreuzfahrt von diesem wunderschönen Land verabschieden. Wir verbrachten noch lange Zeit auf Deck, schauten in die tiefen Fjorde hinein und zu den weit entfernten Bergen, die langsam in der Nacht verschwanden.

Die Möven kreischten noch um das Schiff herum als wir uns in unserer Kabine zurückzogen. Das „Tuck-Tuck“ des Schiffsmotors und der sanfte Wellengang schaukelten uns bald in einen tiefen Schlaf. Morgens soll es in Dänemark weiter gehen.