Die Tage in Pembroke (ON) und Châpeau (QC) waren bald gezählt, alle Servicearbeiten am Jeep erledigt und unsere sieben Sachen für die Weiterfahrt verstaut; „Québec, wir kommen!“
Gleich an der Grenze Ontario-Québec legten wir einen kurzen Halt bei Lucia und Philipp ein – ein weiterer Cousin aus Hobel (Hochwald) – die gemeinsam in den Weiten zwischen Ottawa-River und dem Lorenzstrom eine Milchfarm betreiben. Erneut ein herzliches Hallo und, „kommt rein, macht’s euch bequem; wir müssen einfach noch den Stall fertig machen.“ Als Novum begleiteten wir die ältere Tochter zu einem Soccer-Match und wissen nun, dass die Spielregel nicht ganz mit unserem europäischen Fussball zu vergleichen sind.
Vom Cousin bis Montréal war es nur ein Katzensprung, jedenfalls für kanadische Verhältnisse und schon standen wir freitagabends im Verkehrsstau und suchten irgendeine Unterkunftsmöglichkeit. Diesen fanden wir im Provinzpark „Île de Boucherons“.
Im Vieux-Montréal fühlten wir uns auch gleich wohl, und wir schlängelten durch die vielen Altstadtgassen. Die vielen touristischen Angebote liessen wir grosszügig links liegen, genossen dafür in der Sonne den feinen Weisswein und beobachteten das emsige Treiben auf dem „Place Jacques Cartier“, das stark an jenes der französische Metropole und touristischen Highlights erinnerten.
Nebst einem historischen Mark, bereicherte der internationale Triathlon mit Schweizerbeteiligung das Wochenende mit viel Spektakel und Rummel. Selbstverständlich beteiligten wir uns ebenfalls am Verkehrsrummel und besuchten noch diverse Orte in und um das Zentrum, wo ein Tourist einfach gewesen sein muss.
Auf der „Île de Boucherons“, der mitten im Lorenzstrom und zwischen Wohn-, Hafen- und Industriegebieten liegt, genossen wir einen Tag Auszeit und Erholung vom emsigen Treiben der vergangenen Tage; Velofahren und Kanu war angesagt.
Die Weiten bis Québec durchfuhren wir, meist ungewollt durch „route barée“, in einem Zick-Zack und erlebten dadurch Landschaftsstriche wie erwartet, andere wiederum stellten wir uns kaum so vor, wie wir diese erlebten. Die Landschaft war erneut stark geprägt von einer sehr intensiven Landwirtschaft, in der Nähe zum Lorenzstrom wiederum viel Industrie mit all ihren Auswirkungen aufs Landschaftsbild.
In Québec-City, der einzigen nordamerikanischen Ortschaft mit Stadtmauer, fühlten wir uns von der ersten Minuten wohl. Das Zentrum gleicht stark der europäischen Architektur aus vergangener Zeit und macht sie dadurch sehr speziell. Das schlendern durch die vielen Gassen und Erhebungen mit Weitblick konnten auch der Regentag und die vielen Touristen kaum trüben.
Müde legten wir uns spätabends unter dem tossenden Montmorency-Wasserfall, nordöstlich von Québec-City, hin und träumten weiter von den vielen wunderbaren Ecken und Erlebnissen.
Auf unserer Weiterfahrt folgten wir über Nebenstrassen dem Nordufer des Lorenzstroms. Eine Gegend die sehr herzlich ist, von der Landschaft her uns bestens vertraut und trotzdem immer wieder überraschend mit wunderbaren Ausblicke über die Weiten des Lorenzstrom und die Berge nördlich des Stroms.
Erneut versuchten wir verschiedene Neben- und Waldwege. Meist scheiterten wir irgendwo an einem Tor oder Kontrollposten. Die riesigen Waldflächen im küstennahen Gebiet sind in einem Bewirtschaftungsplan und vertragen vermutlich keine Touristen, die gemächlich über die Forststrassen umher irren.
Somit mussten wir uns mit den Teerstrassen entlang der Küste begnügen und freuten uns jedes Mal auf die vielen tollen Campingplätze, die uns das Gefühl gaben, mitten in der Wildnis zu sein.
In St.Siméon setzten wir dann definitiv über den Lorenzstrom und suchten gleich unsere geliebten Hinterwege irgendwo in den Bergen. Und wir fanden auch viel Abenteuer in den verschiedenen „Réserve faunique“, ob nun wilde Wege mit dem Jeep, oder nur einfache Wanderungen und Biketouren.
Dann holte uns die Jagdzeit ein, wo die „Réserve faunique“ für normalsterbliche Touristen, die sich nur im Park „promenieren“ wollen, gesperrt sind! Eine witzige Parkwärterin erklärte uns auch auf sehr sarkastische Art das Verhalten der Jäger: Wenn es losgeht, dann sind diese kaum mehr zu halten. Mit einem Augenzwinkern meinte sie auch, dass es für uns vielleicht besser sei, das Gebiet weiträumig zu umfahren; man weiss ja nie.
Somit mussten wir uns auf provinziale und nationale Parks beschränken. Öfters mussten wir wegen den nördlichen Ausläufer der Appalachen, immer wieder an die Nordküste der Gaspésie abtauchen. Die Orte an der Küstenstrasse waren nach den vielen Wäldern immer wieder eine herrliche Abwechslung.
Beim äussersten Zipfel der Gaspésie legten wir im Nationalpark wieder eine längere Pause ein. Nebst Kleiderwaschen wurden wieder die Bikes aktiviert und per Radel folgten wir der Küstenstrasse zum Cap Gaspé. Diese Radtour wird uns noch lange in Erinnerung bleiben; plötzlich standen wir gegenüber einer Schwarzbärenmutter, die mit ihrem Jungtier genüsslich am Wegrand Beeren ass. Zuerst waren wir schockiert, nur in rund 10 Meter Distanz diesem wunderbaren Tier in die Augen zu schauen, genossen aber dann den Augenblick. Der Wind war uns gut gesinnt und den Bär interessierte vermutlich auch unsere Anwesenheit nicht, schlussendlich muss er bis zum Winterschlaf noch viel vertilgen und sein Fettpölsterchen anwachsen lassen.
Nebst dem Stachelschwein, das uns beinahe ins Vorderrad sprang, machte die Beobachtung eines Luchs, ebenfalls in der Nähe des Weges, das Ganze zu fast einem surrealistischen Tag. Irgendwie hatten wir das Gefühl in einem Zoo zu sein, doch war nirgends eine Glasscheibe dazwischen und die Tiere lebten in freier Wildbahn.
Die Weiterfahrt der Baie de Gaspé und Baie des Chaleurs bescherte uns nach jeder Kurve mit neuen Überraschungen und die Landschaft übertrumpfte sich jedes Mal selbst. Immer wieder mussten wir einen Stopp einlegen und uns satt sehen. Beschreiben kann man dies kaum – man muss es einfach erlebt haben. Auch die Nacht auf dem Bahndamm bei Coin-de-Banc mit herrlicher Abendstimmung und wunderbaren Sonnenaufgang, dies mitten im Delta des Rivière-du-Portage, bleibt unvergesslich. Zugegeben, es war sehr frisch, aber das Gänsegeschnatter und das Erlebte brachten die kalten Finger bald in Vergessenheit.
Weiter folgten wir der Küstenstrasse der Baie des Chaleurs; von einem Touristenort und einem weissen Kirchturm zum anderen. Hier muss während der Hochsaison einiges los sein und an touristischen Einrichtungen fehlt es kaum. Doch die Landschaft kann, sowohl an der Küste als auch im Hinterland jederzeit mithalten und die vielen Gelüste der hungrigen Menschen stillen.
Unsere Tage in Québec waren bald einmal gezählt. An einem verregneten Tag verliessen wir die Provinz über den Restigouche-River nach New Brunswick, eine Provinz, die selbst viele Kanandier gar nicht richtig kennen und meist links liegen lassen.
Gespannt auf Neues überquerten wir bei nass-kaltem Wetter die Provinzgrenze.