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Unser Aufenthalt, ganz unten im südöstlichen Zipfel von Texas, gleich neben der heiss umstrittenen Grenze zu Mexiko, wurde trotz aller Bedenken und dem Platzverwies (Siehe auch den Reisebericht „Golf von Mexiko“.) schlussendlich doch noch sehr angenehm. Über der illustren Gesellschaft auf unserem Campingplatz könnte man viele Geschichten schreiben und trotzdem hätten alle den gleichen Hintergrund: Freiheit und Ungebundenheit.
Im Nachbarort Brownsville organisierten wir den grossen Jeep-Service mit diversen kleinen Reparaturen. Frühmorgens stellten wir den Jeep vor die Garage und der Vorarbeiter erklärte auch gleich, dass alle bestellten Teile eingetroffen wären. Doch, dass für die 7 Stunden ausgewiesener Arbeit unser Jeep ganze 6 Tage in der Werkstatt stand, konnten wir beim besten Willen nicht nachvollziehen. Vielleicht ticken hier, ein Steinwurf zu Mexiko, die Uhren wirklich anders und so konnten wir die Gegend wirklich richtig auskosten.
Zu Beginn unseres Zwangsaufenthaltes wohnten wir einen Steinwurf von der mexikanischen Grenze und ganz nahe am Rio Grande. Leider konnten wir diesen grossen Fluss vor lauter Zäune und Absperrungen nicht sehen und die vielen patrouillierenden Autos der Grenzwache waren schon beeindruckend.
Apropos Mauer: Die gibt es bereits – um die grösseren Orte im Südosten, entlang des Rio Grande, steht bereits ein rund 4 Meter hoher Zaun hässlich in der Landschaft und erinnert an ein Relikt der Grenze zwischen der BRD und DDR. Nebst den Grenzpatrouillen erinnern die vielen Kontrollen entlang der Grenze an eine vergangene Zeit innerhalb Europas.
In den letzten Jahren wurde eigentlich gar nichts Neues an Mauer oder Grenzzaun errichtet und ausserhalb der Städte und grösseren Orte kann man weiterhin „zaunlos“ über den Rio Grande zum Nachbarland blicken.
Interessanterweise sind die Städte der Grenze entlang fast ein Abbild der mexikanischen Schwesterorte auf der gegenüberliegenden Flussseite und die Menschen sprechen untereinander fast alle Spanisch –sogar in den Geschäften kommen die Durchsagen zuerst in Spanisch!
Die unfreiwilligen Tage in Brownsville genossen wir – wohl oder übel – mit seinem lebhaften Geschäftsvierteln und auch wir wurden bald zu preisbewussten Schnäppchenjäger was die Unterkünfte betraf. Erfreulicherweise konnten wir immer günstiger von einem Motel zum andern buchen.
Als Zeitvertreib erkundeten wir selbstverständlich die nähere Grenzregion, und so erblickten wir, wirklich ganz südöstlich nahe zur mexikanischen Grenze, ein im Bau befindlicher Weltraumbahnhof, wo ein schwerreicher Investor der NASA mit kommerziellen Flüge ins All Konkurrenz machen will. Wenn dereinst die Raketen abheben, wird mit Sicherheit auch der Glaser in den umliegenden Siedlungen einiges an Arbeit mit dem ersetzen von Fensterscheiben haben, da diese, im Gegensatz zu den NASA-Startanlagen, viel zu nahe am Ort des Geschehens liegen werden.
Nach 6 Tagen war es endlich soweit – unser Jeep stand wieder draussen vor der Werkstatt. Bis auf den Getriebeölwechsel wurde alles wunschgemäss erledigt und sollte wieder für eine sorgenfreie Weiterfahrt in Ordnung sein.
Schnell war der Papierkram erledigt, schon düsten wir hinaus aus Brownsville in die weite Ebene des Grand Valley und dem endlosen Horizont entgegen, wo sich bald die dunklen Wolken entleerten.
Valley ist eigentlich etwas übertrieben; es ist eigentlich eine riesen grosse Ebene, wo nebst Landwirtschaft auch entsprechend viele Kulturen die nördlichen Bundesstaaten mit frischem Gemüse und Früchten versorgen. Und, wie soll es anders sein; auf den Feldern stehen alles Menschen mit dunklen Gesichtszügen und kommen aus Mexiko, oder ihre Vorfahren wanderten bereits vor Jahren in die USA ein.
Bis zum ersten grossen Wasserreservoir flussaufwärts, wo der Rio Grande aufgestaut wird und für einen ausgeglichenen Wasserhaushalt sorgt, war es eigentlich nicht besonders spektakulär. Vielleicht war es auch das Regenwetter, oder wir waren endlich wieder froh, gewisse Erhebungen zu erblicken.
Ab dem Falcon-Reservoir wurden die Distanzen zu den einzelnen Orten immer weiter und mit Laredo erreichten wir wieder eine grössere Stadt, wo noch vor kurzem der amtierende Bürgermeister den Präsidenten der USA vom Mauervorhaben umstimmen wollte. Auch diese Stadt gleicht eher einer mexikanischen Ansiedlung als einer amerikanischen; überall sind sie, die braun gebrannten lachenden Gesichter und sorgen für eine betriebsame Stadt.
Nach dem Verlassen von Laredo wurde es landschaftlich interessanter und wir folgten so nah als möglich dem Rio Grande. Zu Beginn konnten wir dem Flusslauf zwar lange nicht direkt folgen, da sich das meiste Land in privatem Besitz befindet, oder irgendwelche Ölbohrunternehmen das Gebiet für sich beanspruchen, und ohne irgendeine Sondergenehmigung das Befahren der Wege unter Strafe verboten ist.
Nach Del Rio folgte das Amistad-Reservoir, wo der Rio Grande erneut zu einem riesigen Stausee aufgestaut wurde und heute ein riesiges Erholungsgebiet für viele Freizeitaktivitäten beheimatet. Gleichzeitig erreichten wir die Chihuahua-Wüste, das grösste wüstenartige und sehr trockene Gebiet des nordamerikanischen Kontinents. Gleich anschliessend folgt der Seminole Canyon State Park, wo es in den tief untenliegenden Canyons viele Felszeichnungen aus der frühen indianischen Zeit zu bestaunen gäbe. Leider gibt es die Führungen nur einmal wöchentlich, und wir waren gerade einen Tag zu spät! Leider.
Bis Marathon stieg unser Weg immer weiter in eine wild werdende Landschaft sanft bergauf. Die einzelnen Orte lagen noch weiter auseinander als schon erlebt und sind meist schrumpfende Ansiedlungen fernab in einer harten Umgebung. Dafür, je weiter wir nach Westtexas fuhren, desto dunkler wurden die Nächte; diese geniessen unter den Astronomen einen erstklassigen Ruf. Auch wir bestaunten stundenlang in den Nachthimmel, und eine Sternennacht übertrumpfte die nächste.
Für uns ging es endlich wieder südwärts dem Rio Grande entgegen, wo uns der Big Bend-Nationalpark erwartete, wo wir viele Ideen verwirklichen wollten. Leider blieb es beim Wollen; infolge des Budgetstreits in Washington sind die Parkranger in unbezahltem Zwangsurlaub und somit war der Nationalpark für Besucher faktisch geschlossen. Auf eigenes Risiko durften sämtliche öffentlich zugänglichen Wege befahren werden, aber eine Übernachtung im Backcountry war verboten und verunmöglichte gleich zu Beginn unser Vorhaben.
Gerne hätten wir an der „Old Ore Road“, sowie entlang der Riverroad am Rio Grande eine Nacht in einer total abgeschiedenen Gegend verbracht. Auch viele warme Quellen würden für einen längeren Verbleib einladen. So blieb es nur beim Befahren der genannten Wege und einer Übernachtung auf einem privaten Campground, eingepfercht zwischen Megacampern, für welchen wir einen extrem hohen Preis bezahlten.
Das Verpasste holten wir im angrenzenden „Big Bend Ranch State-Park“ nach, wo vor 54 Millionen Jahren ein Vulkan eine einmalige Gegend formte. Zu Beginn der amerikanischen Besiedlung wurde diese Gegend ebenfalls durch Siedler bewirtschaftet. Die karge Landschaft trieb sie jedoch in den Ruin, und so kam schlussendlich der Staat zu diesem Park, der dem östlichen Nationalpark in nichts nachsteht und auf seine Art wunderbar ist.
Die Tage als auch Nächte waren fast gespenstig ruhig; nirgends eine Lärmquelle und selbst der Himmel war 4 Tage lang „Flugzeugfrei“, was für uns Europäer fast nicht mehr vorstellbar ist. Jede Nacht begeisterte uns von neuem mit einem Sternenhimmel, der den vorherigen noch einmal übertrumpfen wollte. Zwischen den einzelnen Camps lagen immer wieder tolle Offroadstrecken, die in jedem Manne den Jungen wecken und ich konnte, im Gegensatz zu Chantal, fast nicht genug davon bekommen.
Irgendeinmal standen wir in Presidio, einem Grenzort mitten in der Wüste. Der ganze Ort ist erneut eine Mischung aus nordeuropäischen und spanischen Bauten und hinterliess bei uns eher einen ärmlichen Eindruck. Das karge Land um diese Kleinstadt wirft vermutlich auch nicht mehr ab.
Mutig folgten wir der Strasse, die direkt dem Rio Grande folgt nordwestwärts in eine noch menschenleerere Gegend. Die Ranchgebiete wurden immer grösser und nur eine sehr extensive Wirtschaft ermöglicht die Rinderhaltung. Die fallenden Preise im Landwirtschaftssektor setzen den Ranchern hier extrem zu und viele sind gezwungen, weitere Erwerbsmöglichkeiten zu suchen, oder gleich aufzugeben. In dieser abgeschiedenen Gegend andere Arbeiten zu finden, ist vermutlich extrem schwierig und die wenigen touristischen Möglichkeiten bieten kaum grosse Chancen auf zusätzliche Einkünfte.
Unsere Strasse endete nach Ruidosa und so überquerten wir die Chinati-Mountains über ein Ranchgebiet, das vermutlich eine sechsstellige Hektarzahl aufweist. Wir waren von der Gebirgslandschaft sehr überrascht: Wild und abgeschieden stiegen wir durch schroffe Täler und erreichten nach ein paar Stunden die weite Ebene um Marfa. Die unendlichen Wiesen leuchteten in einem braungelb und, im Gegensatz des südwestlich liegenden Ranchland, herrschte hier reger Weidebetrieb.
Um die Schnellstrassen zu meiden, ging es weiter in nördlicher Richtung, wo die Davis-Mountains und einer bedeuteten Sternwarte unser Wissen über die Sterne weiter verbessern sollte. Leider war für die nächsten Nächte eine geschlossene Wolkendecke vorausgesagt; somit beschränkte sich unser Aufenthalt auf die Ausstellung und den Souvenirshop.
Wieder weiter nördlich, nach den Baylor- und Delaware-Mountains liegen der Guadalupe- und Carlsbad Caverns-Nationalpark mitten im nördlichen Ausläufer der Chihuahua-Wüste, wo wir, nach dem pausierenden Budgetstreit, wieder andere Aktivitäten als Lesen der Verbotstafeln unternehmen konnten. Eine längere Wanderung, aber auch der Besuch des Höhlensystems der Carlsbad Caverns begeisterte uns sehr.
Um wieder zurück an den Rio Grande zu gelangen, steuerten wir unseren Jeep durch die nördlichen Ausläufer der zuvor besuchten Nationalparks und die Sacramento-Mountains, wo wieder unendliche Weiten auf uns warteten. Während einem ganzen Tag sahen wir, nebst vielen Kühen und ein paar Pferden nur eine Handvoll Menschen, die meist auch nur als Touristen unterwegs waren und sich am Rande unseres Weges bewegten.
Zu unserer Überraschung war es beim Hueco Tanks State-Park, wenige Kilometer vor El Paso, vorbei mit der Ruhe: Wegen einem bevorstehenden Boulderwettkampf war der Park überbelegt und wir hätten uns hinten in der Warteschlage anstellen müssen. Gerne hätte ich dieses Klettergebiet besucht und vielleicht ein paar Kletterzüge gemacht, aber warten wollten wir ebenso wenig in einer Autoschlange als von der Sonne gebraten zu werden.
So standen wir bald mitten im Verkehrsgewühl von El Paso und staunten zur mexikanischen Grossstadt Ciudaz Juárez hinüber. Die Blicke waren sehr ernüchtern: ein riesiges Häuserwirrwarr, oder ist es mehr ein Chaos in der örtlichen Bauten – wir wissen es nicht. Wir folgten noch wenige Kilometer der Grenzstrasse dem trockenen Rio Grande entlang, wo teilweise erneut ein grosser Zaun die Sicht auf das Nachbarland beeinträchtigte.
Und, kurz darauf konnten wir das erste Mal den Rio Grande überqueren und standen in New Mexico (USA). Wir sind gespannt, was uns dieser Bundesstaat alles zu bieten hat und freuen uns jetzt schon durchs Farm- und Ranchland fahren zu können. Im Gegensatz zu Texas soll hier nicht alles eingezäunt sein und Abenteuer abseits der Highways erlauben.