Sandkastenspiele

>Bilder ganz unten!

….den Reifendruck senken und ab ins Vergnügen
Kaum am Fuss des Erg Chebbi – eine grosse Sanddünenlandschaft östlich von Merzouga – schon standen all möglichen „Reiseführer und Berater“ fürs Wüstenabenteuer neben dem Auto. Alle wollten uns das ultimative Angebot unterbreiten; es war wirklich die Qual der Wahl. Doch für unseren Ankunftstag liessen wir uns etwas Zeit. Dafür mussten wir einen deutschen Reisenden bei seiner Reparatur am Wohnwagen mithelfen. Ein „Führer“ lotste ihn hinaus an den Fuss des Erg Chebbi und nach einem Aufsetzer fehlte am Wohnwagen der halbe Innenboden und vom „Führer“ jede Spur.

Erstaunlicherweise konnten wir am nächsten Morgen unser Frühstück in aller Ruhe geniessen. Erst in Merzouga wurden wir von unterschiedlichen Leuten für allmögliche Unternehmungen in den Sanddünen hin angesprochen. Fast per Zufall trafen wir auf Mohamed von Excursion to the dunes Merzouga, einem offiziellen Führer, der gerade von einer Tour mit zwei Offroadern zurück kehrte und uns seine Dienste anbot. Für eine zweitägige Tour quer durch das Erg Chebbi wollte er 1700 MAD, was rund sFr. 160.- entsprechen. Ich war, nachdem die anderen Offroadfahrer den Führer mir sehr empfohlen hatten, vom Angebot begeistert und wollte gleich zusagen. Chantal zögerte jedoch, willigte aber später ein. So durfte sich der „grosse Junge“ auf das Sandkastenspiel freuen – ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. 🙂

Wir deckten uns noch mit Wasser und Lebensmittel ein, füllten den Tank randvoll und begaben uns zum vereinbarten Treffpunkt. Es war auch irgendwie ein neues Gefühl, einfach jemandem hinterher zu fahren und sich nicht auf die Karte noch Navigation zu konzentrieren. Ich (Tom) war auch sehr gespannt, was uns hinter den ersten Sandhügel erwarten wird und wie es sich durch diesen grossen Sandkasten wühlen lässt; wir waren noch nie so unterwegs und fahren im Sand war für uns absolutes Neuland. Die Frage, ob uns Mohamed mit seinem Geländepersonenwagen aus einem Sandloch hätte schleppen können, stellten wir uns nicht, da sein leichtes Fahrzeug mit unserem schweren Camper kaum eine Chance gehabt hätte.

Doch gleich vorweg; Mohamed wusste was er tat und hatte uns jederzeit in seiner Kontrolle. Im Sand und auf den Dünen erlaubte er uns, oder mir (Tom) keine zu grossen Spurabweichungen und verlangte, dass ich seiner Spur folgen müsse. So wühlten wir uns für die nächsten Stunden durch Mulden, kraxelten – oder war es mehr spulen – hinauf auf die nächste Düne, eh es wieder steil über eine Sandflanke hinunter ging. Spass hatten wir jedenfalls dabei und konnten kaum die nächste Düne erwarten. Später richteten wir unser Camp mitten in dieser Dünenlandschaft ein und beim gemeinsamen Zusammensitzen gab es einiges an Gedankenaustausch und Geschichten übers Leben in den Weiten der Sahara. Da der Himmel etwas bedeckt war, gab es nicht den versprochenen Sternenhimmel mit seinen unzähligen Sternschnuppen. Dafür kehrte eine absolute Stille ein; wow, was für ein Genuss.

Am nächsten Morgen stand ich extra vor dem Sonnenaufgang auf und kraxelten auf die nächste Sanddüne. Der Himmel war mehrheitlich bedeckt und den gewünschten Sonnenaufgang gab es nicht. Dafür hörte ich aus der Ferne die ersten Quats, die sich auch irgendwo auf eine Sanddüne hoch quälten. Irgendeinmal leuchtete die Sonne aus den Wolken und ich (Tom) kehrte zurück zum Camp, wo unser Führer bereits am wärmenden Feuer sass.

Für die Weiterfahrt konnten wir aus zwei Routenmöglichkeiten wählen: Durch die Sanddünen direkt nach Merzouga oder weiter dem Ostrand des Erg Chebbi entlang zum ehemaligen Kupferabbaudorf zu fahren. Wir wählten die längere Variante und umfuhren schlussendlich die ganze Dünenlandschaft. Nach nicht ganz 24 Stunden standen wir wieder am Ausgangsort, wo wir uns bei Mohamed bedankten und unseren eigenen Weiterweg suchten. Ob es das ultimative Abenteuer war, möchte ich an dieser Stelle nicht anzweifeln, doch wir hatten schon verrücktere Sachen mit unserem Camper erfahren. Sand, nur Sand war für uns jedoch eine komplett neue Erfahrung und selbst beim Hinterherfahren blieben gewisse Verhaltensweisen zurück. Alles andere; tja, aus dieser Sicht hatten wir das Angebot komplett überzahlt und schon mehrfach erlebt!

Die neue Erfahrung gab uns viel Selbstvertrauen und weiter ging es in westlicher Richtung zum nächsten Sandkasten, dem Erg Chegaga. Diese ist ebenfalls als das absolute Highlight in vielen Tourenbeschreibungen zu finden. Für die Hinfahrt wählten wir den südlichsten fahrbaren Weg, der auf unserer Karte zu finden war. Beim nächsten Camping erklärte uns der Besitzer, dass momentan die Piste nicht befahrbar wäre und im tiefen und nassen Sandboden schon etliche Fahrzeuge stecken geblieben sind. Selbstverständlich bot er uns auch seine Dienste als Führer an, was wiederum einige Dirham gekostet hätte. Chantal rechnete kurz nach und lehnte das Angebot dankend ab. Eigentlich können wir selbst unseren Weg finden. Trotz der Ablehnung erhielten wir noch viele wertvolle Infos zur Strecke und andere Tipps.

So wählten wir einen Weg, der entlang eines Abbaugebietes für Blei führte, ehe wir nach Süden in Richtung Sidi Ali abbogen. Am frühen Nachmittag erreichten wir auf einem Übergang Ba Habou, oder auch Lost City genannt, wo uns ein Berber die Geschichte dieses Orte erzählten wollte. Leider verstanden wir seine Sprache nicht und er war sehr bemüht, seinen Sohn anzurufen. Dieser hätte uns die Geschichte per Mobiltelefon und auf Französisch erklärt. Doch in dieser verlassenen Gegend funktionierte auch sein Mobiltelefon nicht und so verliessen wir die einst glanzvolle Siedlung ohne weitere Erklärungen.

Bis zum Oued Ma’der durchstreiften wir noch viele weite Ebenen mit unzähligen trockenen Flussläufen, Dünenlandschaften mit tiefem Sand und weite Kiesflächen. Nasse und sumpfartige Sandpassagen hatten wir keine und mit viel Selbstvertrauen steuerten wir durch die weiten Ebenen, wo es wirklich nicht viel gab. Sidi Ali überraschte uns mit einem weit gestreuten Siedlungsgebiet und wir fragten uns gegenseitig, was die Menschen hier eigentlich machen; nichts als Sand und Steine, endlose Weiten und fast immer trocken.

Nach Sidi Ali – entgegen unsere Information – lag noch viel Wasser von den starken September-Regenfällen und unser Weg führte quer durch diesen temporären See. Doch in dieser Gegend sucht man sich einfach einen neuen Weg, der in die entsprechende Wunschrichtung führt. Zügig ging für uns die Fahrt weiter, so dass wir in zwei Tagen Zagora erreichten. Bevor es weiter ging, schalteten wir einmal einen Gang zurück und genossen einen wunderbaren Campingplatz mitten in einer Palmenoase. Es war auch wieder einmal an der Zeit, unser Material zu pflegen, da dieser Platz uns die nötige Möglichkeit und Infrastruktur bot. Zagora war für uns auch der Ausgangspunkt für unser nächstes Abenteuer; das Erg Chegaga. So wurde wieder alles randvoll aufgefüllt und genügend Lebensmittel eingekauft.

Die Anfahrt zum Erg Chegaga vermittelte uns einen gemischten Eindruck. Wunderbare Hotels säumten den Weg, doch der Rest hinterliess einen etwas schmuddeligen Eindruck und die Dörfer entlang des Anfahrtsweges waren nicht sonderlich gepflegt. Das Erg selbst liegt im Iriqui-Nationalpark und westlich davon liegt der Iriqui-See mit einer einzigartigen Fauna und Flora. In den letzten Jahren verlor dieser See viel an Wasser, durch natürliche Umstände als von Menschen gemachten Ursachen.

Obwohl das Erg Chegaga in einem Nationalpark liegt, befinden sich unzählige Wüstencamps diverser Veranstalter in der Dünenlandschaft, wo vermutlich viele Touristen nach aller Kunst verwöhnt werden und jeder Anbieter den nächsten übertrumpfen möchte. Bei unserer Durchfahrt waren die meisten Camps jedoch verwaist und nur ein Wachmann machte auf sich aufmerksam. Keine Ahnung, wann hier Hochsaison sein soll..

Wir wählten – gestärkt aus unseren Sanderfahrungen beim Erg Chebbi – den südlichen Weg um die ganzen Sandberge herum und suchten unseren weiten Weg in westlicher Richtung. Die vielen Wegvarianten auf der elektronischen Karte als auch die unzähligen Wegspuren im Gelände machten die Wahl des richtigen Kurses nicht sonderlich einfach. Zur Routenwahl drängte auch die Tageszeit als auch die Wetteraussichten für ein zügiges Vorwärtskommen. Über den Iriqui-See hatten wir keine speziellen Informationen und so mussten wir nach einer längeren Fahrt über eine weite Fläche umdrehen; der Untergrund wurde feuchter und die Spurrinnen immer tiefer. In weiter Ferne glitzerte irgendetwas auf unserem Weg und liess nichts Gutes erahnen. Wegen den starken Regenfällen im September wies der See den höchsten Wasserstand seit den letzten 30 Jahren auf und viele mögliche Wegstrecken lagen unter der Wasseroberfläche. So folgte ein Umweg um den See herum, den wir weiter westlich in voller Grösse erkennen konnten.

Für die kommende Nacht wählten wir eine leichte Anhöhe und stellten unseren Jeep entsprechend des aufkommenden Windes hin. Den Motorraum als auch den erhöhten Lufteinlass dichteten wir soweit ab, dass am nächsten Tag nicht gleich alles voller Sand sein würde. Der Wind pfiff immer stärker um unser Gefährt herum und das morgendliche Frühstück war eher vom Winde verblasen, mit viel Sand im Kaffee, als ein genüsslicher Moment. Von der Sicht her waren wir jedenfalls froh, bereits auf der Westseite des Iriqui-Sees zu sein.

Bei unserer Weiterfahrt lag viel Sand in der Luft und teilweise wurden wir vom eigenen aufgewirbelten Sandstaub eingehüllt, so dass wir anhalten mussten um den Staub an uns vorbei ziehen zu lassen. Trotz des Windes wählten wir den zusätzlichen Umweg über den Cobra-Pass; der Name war einfach zu magisch und ein parallel liegendes Gebirge schützte uns vor allzu starken Windböen.

Die Cobra konnten wir bereits aus weiter Entfernung sehen, der zusätzliche Umweg hatte sich gelohnt. Zwar biss die Cobra nicht zu, dafür wehte unten in der angrenzenden Ebene erneut ein starker Wind, der reichlich Sand durch die Luft pustete. Teilweise war die Sicht so schlecht, dass wir anhalten und uns für eine bessere Sicht gedulden mussten. Wir hatten auch keine Lust auf ein wildes Camp und bevorzugten den Campingplatz in Tata, wo uns der Ort als auch die Mauern einen gewissen Windschutz bot. Zwar heulte der Wind nicht um unseren Camper, dafür ertönte der Muezzin regelmässig aus den Lautsprechern bei der nebenan liegenden Moschee.

Gemäss den Wetterprognosen soll der Wind – es wurde von Bise gesprochen – für ein paar Tage anhalten und die Intensität könnte sich verstärken. Wir liessen uns durch „diesen Wind“ nicht in die Knie zwingen und setzten unsere Fahrt gemäss unserer Planung fort. Und, wir hatten auch etwas Glück; das Wetter, resp. der Wind mässigte sich eher und bescherte uns auf unserer Strecke, die nicht den Hauptverbindungsstrassen folgte, sondern quer durch die Landschaften führte, mit tollen Erlebnissen in einer sehr einsamen Gegend.

Zwar waren die gewählten Verbindungen mehr Holperpisten als angenehm zu fahrende Wege und unser Vorwärtskommen verringerte sich immer mehr. Das langsame Vorwärtskommen störte uns nicht sonderlich, doch der zunehmende Wind war ein Treiber unserer westlichen Fahrt. Eigentlich wollten wir über Tan-Tan fahren und am atlantischen Ozean wieder einmal eine richtige Pause einlegen. Doch der erneute Sandsturm zwang uns nördlich von Tan-Tan bei einer Auberge mit angegliedertem Campingplatz das Nachtlager aufzuschlagen. Das Gebäude schützte uns vor den starken und wiederkehrenden Windböen, doch die ganze Nacht hindurch rieselte der feine Sand auf unser Auto nieder. Am Folgetag war nicht nur unser Jeep mit einer feinen Staubschicht überzogen, sondern auch im Innenbereich war überall der feine Staub verteilt und der Sturm tobte weiterhin mit seiner vollen Stärkung.

Viel Sand schwebte in der Luft und in den nächsten Tagen soll es keine Beruhigung geben.
Was sollen wir tun; weiter südlich fahren oder in nördlicher Richtung flüchten? Nach intensiven studieren der Wetterkarten und Prognosen entschlossen wir uns nach Norden abzubiegen; dort soll es etwas besser sein. Hoffentlich!