>Bilder ganz unten!
….Flucht in den Süden!
Mit neuem Elan, sauberen Kleidern und gewarteten Jeep starteten wir zur nächsten Etappe und das Ziel war gleich zu Beginn klar; wir wollen endlich in den Süden, wo es sicher noch etwas wärmer sein wird als auf dem windigen Campingplatz in der Nähe des Ebro-Deltas. Nein, auch diesmal folgten wir nicht dem einfachsten Weg der Küste entlang, sondern kraxelten erneut über unzählige Sierras im Landesinnern.
Gleich nach dem Verlassen der Küstenregion mit seinen Obstgärten und den riesigen, in Plastikfolie bespannten Treibhäusern, stieg es bald steil den Berg hoch. Die Obstanlagen wichen immer mehr den Schweinemastbetrieben, und der stechende Geruch der Jauche bemerkten wir schon vor dem Erblicken der Stallungen in der Nase. Auch Schafmast entdeckten wir zwischen den Schweinestallungen, wo die armen Geschöpfe in erbärmlichen Gehegen auf ihr Schlachtgewicht aufgefüttert werden. Für die nächsten Tage war jedenfalls das Schlaffleisch von unserer Speisekarte gestrichen.
Je weiter wir in die Berge hinauf fuhren, desto einsamer wurde es und immer weniger Siedlungen lagen auf unserem Weg. Leer stehende Häuser, wo alle Fensterläden geschlossen waren, machten oft die grössere Anzahl aus als der bewohnten Häuser. Auch einstürzende Häuser mitten in einem Dorf waren keine Seltenheit. Vermutlich sind die Bewohner schon längst tot, eine Nachfolgegeneration gibt es keine oder sie lebt irgendwo in einer anderen Gegend.
Über viele Kammstrassen und Gebirgszüge erreichten wir zum zweiten Mal die eindrückliche Stadt Morella mit ihrer Burg, die über alles hinaus ragt. Wegen der ausserordentlichen Lage der Stadt musste das Wasser über Aquädukte von weit her in die Stadt geleitet werden, was heute gerne als das Highlight an die Touristen vermarktet wird; auch wir erkundeten die letzten Überreste einer längst vergangenen Zeit.
Eigentlich hätten wir ja viel Zeit für weitere Besichtigungen, doch die Corona-Pandemie trieb uns an, unsere Fahrt in den Süden fort zu setzen. Gewisse Städte und Gemeinden waren bereits für touristischen Verkehr gesperrt und zudem waren unsere Informationen eher etwas dürftig. D.h. auch, dass wir immer etwas hinterher informiert wurden und vielleicht etwas Unerlaubtes taten. So fuhren wir unverzüglich weiter über Berge und weite Ebenen der nächsten spanischen Region entgegen.
Wir genossen unsere Fahrt durch eine fast menschenleere Welt, wo nur vereinzelt Bauern auf ihren Feldern arbeiteten, oder Schäfer mit ihren Herden durch die Landschaft zogen. In vielen Waldabschnitten luden abenteuerliche Wegabschnitte zur Abwechslung ein, wo wir stellenweise im Schritttempo über die Steine und Wurzeln holperten. So erreichten wir an einem Nachmittag, quasi durch die Hintertür, die Provinzhauptstadt Teruel. Die Ruhe in der Stadt war für uns eigentlich nichts Besonderes und wir dachten eher an die Siesta als an irgendeine behördliche Verordnung. Gemütlich besorgten wir in einem offenen Supermarkt unsere Lebensmittel für die nächsten drei Tage und füllten den leeren Tank bei der nächsten Tankstelle auf. Beim Bezahlen fragte mich die Kassiererin in Englisch, wo wir den her kämen und ob wir vom Lookdown in Teruel nichts wüssten? Das öffentliche Leben wäre quasi eingestellt, die „Ein-„ als auch „Ausreise“ aus der Stadt wäre verboten und polizeilich kontrolliert!
Schock! Etwas benommen planten wir gleich an unserer Weiterfahrt und, so wie wir die Stadt erreichten, wollten wir sie auch wieder verlassen; durch die Hintertür. Wir schlichen durch Quartierstrassen und fanden bald den rettenden Weg, der über ein Feld in ein breites Tal führte. Das Gefühl war jedenfalls sonderbar und das schlechte Gewissen, etwas Verbotenes gemacht zu haben, beschäftigte uns noch bis in den Abend hinein. Fürs abendliche Camp suchten wir ein gut geschütztes Plätzchen in einem offenen Föhrenwald und hofften, dass wir am nächstfolgenden Morgen nicht gleich von den Jägern zur Strecke gebracht würden.
Wir folgten weiter den Backroads, wo wohl kaum je eine Polizeistreife unterwegs ist und erlebten auf diese Art viele Wegstrecken, wo tiefes Durchatmen angesagt war und, ja nicht in die Tiefe schauen, die Abgründe waren oft sehr beeindruckend. Die Dörfer und Kleinstädte versuchten wir ab sofort irgendwie zu umfahren, so dass wir keine allzu grosse Aufmerksamkeit bei der Bevölkerung erwecken; wir fühlten uns beinahe, als wären wir auf der Flucht.
Die nächsten autonomen Regionen hatten noch keine grossen Einschränkungen fürs öffentliche Leben verhängt und so konnten wir uns wieder etwas normaler bewegen, ohne schlechtes Gewissen Lebensmittel einkaufen oder irgendetwas besichtigen. Trotz dieser erneuten „Freiheit“ zogen wir uns immer wieder zurück und suchten unseren Weg durch Felder und Wälder dem Süden entgegen. In der Region Murcia soll es wärmer und sonniger sein.
So reisten wir weiter über unzählige Gebirgszüge, durch Wälder und weite Felder. Einerseits machten wir aus dem Druck der Pandemie eine Tugend und versuchten möglichst in einer geraden Linie von Norden nach Süden zu fahren; das „Offroaden“ wurde jedenfalls nicht verboten. Eigentlich darf man überall fahren, wo ein Weg vorhanden ist. Leider dulden private Grossgrundbesitzer ihrerseits nicht immer ein Befahren ihres Grundstücks, was uns immer wieder vor gesperrten Wegen zur Umkehr und grössere Umwege zwang. Unsere zweite Tugend war das allabendliche Camp irgendwo draussen in der Einsamkeit, wo wir bei wunderbaren und sternenklaren Nächte die absolute Stille geniessen konnten; trotz Corona, unsere Nächte waren immer an einem Traumort mitten in der Natur.
In der Zwischenzeit erreichten wir die Region Murcia mit seinen hohen Gebirgszügen und absoluten landschaftlichen Highlights. Oben, im Gebirge eine wilde Landschaft, unten im Tal viel und intensive Landwirtschaft. Die grösseren Städte liessen wir erneut links liegen und steuerten direkt dem Meer entgegen. Es war dann auch mehr Zufall als Planung, dass wir noch am gleichen Tag in die Provinz Almería (Region Andalusien) erreichten und uns auf einem offenen Campingplatz fürs Wochenende einrichteten.
Anderntags wurden, infolge mehrerer katholischer Feiertage und weiterem Anstieg der Corona-Fallzahlen in Spanien die Regionen und Provinzen gegenseitig abgesperrt und nur noch dringende Reisen waren erlaubt. Touristische Tätigkeiten sind kein dringender Grund und ebenfalls stark eingeschränkt!
Uff, hatten wir Glück, dass wir die Provinz Almería noch rechtzeitig erreichen konnten, wo vorerst in der Provinz keine zusätzlichen Einschränkungen zu beachten waren und wir nicht auf irgendeinem Platz für die nächste Zeit ausharren mussten!
Eine Weiterreise in westlicher Richtung war nicht mehr möglich. Die Gebiete durften zwar durchfahren werden, doch das Ziel musste in einem Gebiet ohne zusätzliche Corona-Einschränkungen liegen. Doch die Liste wurde von Tag zu Tag länger und mit den Massnahmen folgten auch die Schliessungen der touristischen Einrichtungen.
Tja, der Winter kann noch lange werden!