>Bilder ganz unten!
….vom Südwesten in den Osten und wieder zurück!
Die Einfahrt des kleinen türkischen Fährbootes in Rhodes war für uns wie eine kleine Erlösung; endlich geht es weiter und der Überfahrt in die Türkei stand nichts mehr im Wege. Oder doch?
Der Kapitän höchstpersönlich wollte noch vor dem Verladen unseres Jeeps die gültigen Versicherungspapiere sehen, da er, bei ungültigen Papieren, uns umgehend wieder zurück in den europäischen Raum bringen müsse. Ein kleiner Vorgeschmack, dass wir nun Europa in Richtung asiatischen Raum verlassen werden.
Die Spannung stieg unsererseits beim Erreichen der Bucht von Marmaris und der bevorstehenden türkischen Zollkontrolle. Vielleicht lasen wir vorgängig zu viel über die Einfuhrbestimmungen, oder waren von Reisegeschichten und Erzählungen etwas verunsichert. Dank einem ungarischen Pärchen mit guten türkisch und englisch Kenntnisse ging das Einreiseprozedere schlussendlich in sehr kurzer Zeit vorüber und selbst während der Fahrzeugkontrolle kamen die Fragen vom Zollbeamten schneller als wir diese hätten beantworten können. Selbst der in den letzten Tagen grosszügig eingekaufter Wein auf Rhodos fiel nicht zum Opfer der Zollkontrolle. Schon wurde das schwere Tor geöffnet und wir steuerten dem Zentrum von Marmaris entgegen.
Auf der Fähre empfahl uns ein junger Mann, von Marmaris unbedingt nach Westen auf die Halbinsel über Datça nach Myndos hinaus zu fahren und uns langsam an die unzähligen Schätze der Vergangenheit heran zu tasten. Zusätzlich erhielten wir unzählige Reisetipps und Routen von René und Zehra, die vor wenigen Jahren von der Schweiz nach Ҫeşme auswanderten. Es waren Vorschläge für eine umfassende und mehrwöchige Türkeitour. Super!
Gleich vorweg: Die West- als auch Südküste beherbergt eine fast unzählbare Menge an Kulturschätzen aus der frühen griechischen Zeit bis in die Gegenwart hinein. Alles zu sehen oder zu besuchen wäre ein Ding der Unmöglichkeit, vieles steht heute noch in vielen Landschaftsecken verborgen und wartet auf die archäologische Erfassung. Auch landschaftlich durften wir uns auf ein wunderbares Gebiet freuen – weite Ebene an den Küstenabschnitten mit abenteuerlichen Bergstrassen, die uns schon nach wenigen Kilometern nach dem Verlassen der Küstenstrasse mit einer komplett anderen Landschaft überraschten. Aber nicht nur die Landschaft änderte sich, sondern auch die Lebensart der Menschen: Abseits der erschlossenen Gebiete fühlten wir uns gleich um mehrere Jahrzehnte zurück katapultiert – die Teestuben und das öffentliche Leben in den Zentren war männerdominierend. Frauen trugen fast ausnahmslos ein Kopftuch, waren überall mit irgendwelchen Arbeiten beschäftigt, während die Männer gemütlich miteinander plauderten oder Tee tranken.
Unser Weg führte uns in östlicher Richtung von bekannten zu weniger bekannten touristischen Gegenden, aber auch über unzählige Strassen und Wege in das vorgelagerte Küstengebirge. Teilweise waren wir auch gezwungen, grössere Umwege um Sperrgebiete zu fahren, oder Regen und Kälte zwang uns in tiefere Lagen. Ja, der Regen und Kälte waren bald unsere täglichen Begleiter. Nach den ersten wunderbaren Tagen mussten wir uns auf einen „Wettermix“ einstellen; abends konnten wir noch die Sonne geniessen und morgens suchten wir Schutz unter der kleinen Plane hinter dem Camper.
Nach kurzer Zeit erreichten wir Antalya, die mit ihrer Ausstrahlungskraft nicht nur türkische Reisende anzieht. Bei uns war es zwar nicht Liebe auf den ersten Blick, da uns die Zufahrt ins Stadtzentrum nervlich stark beanspruchte und wir definitiv im türkischen Strassenverkehr angekommen waren; die Verkehrsregeln werden hier einfach anders ausgelegt. Trotz Nebensaison und den vielen geschlossenen Geschäften im Kern der Altstadt fanden wir ein reges Leben in den unzähligen Gassen und Plätzen. Die einzelnen Verkäufer der unzähligen Bazars lockten die Passanten in arabischer Manier in ihre Shops hinein und auch wir wurden immer wieder zu irgendeinem Ladenbesuch gedrängt. Oft war es amüsant und in kürzester Zeit entstand ein kurzes Gespräch; andere Verkäufer waren zu aufdringlich, was wir zusehends mit abweisenden Gesten erwiderten und schnellstens unseren Weg fortsetzten.
Gemäss René’s Tourenvorschlag folgten wir der südlichen Küstenlinie weiter dem Mittelmeer entlang nach Osten. Bereits vor Antalya prägten Ferienresidenzen und Hotels viele Küstenabschnitte, doch ab hier war alles anders und der Gigantismus lässt sich an diesem Küstenabschnitt kaum überbieten. Wo noch nichts steht, wird bereits an einer neuen Anlage gebaut. Eine Ferienanlage versucht die andere zu übertrumpfen und der Konkurrenzkampf unter den Anbietern muss riesen gross sein. Bei unserer Durchfahrt waren fast alle Residenzen noch geschlossen, dafür arbeiteten unzähligen Bauarbeiter an den Gebäuden und Anlagen für die kommende Feriensaison. Hier muss während der Hochsaison einiges los sein und unsere Vorstellung von Ferienidylle in der Menschenmasse gleich ertrinken. Wir sind wohl definitiv keine „all-included“ Touristen!
Immer wieder suchten wir im nahen Gebirge das „Andere“ und fanden dies in wenigen Kilometer landeinwärts. Wir rätselten auch immer wieder, ob all die vielen Touristen, die hier an der Küste ihrer Erholung nachgehen, jemals diese einsamen Bergstrassen befahren und die wunderbaren Bergtäler je zu Gesicht bekommen. Eigentlich wäre die Türkei hier, abseits der breiten Schnellstrassen in den kleinen ländlichen Restaurants bei sehr herzlichen und liebenswürdigen Menschen.
Nach Adana bogen wir in nordöstlicher Richtung ab um Zentralanatolien zu erreichen. René’s Tourenvorschlag war uns doch etwas zu weit und die Reiseempfehlung vom auswärtigen Bundesamt legte uns nahe, den Grenzraum zu Syrien momentan zu meiden. Zusätzlich machte sich eine Kaltfront mit bissigem Nordwind, viel Regen und tiefen Temperaturen bemerkbar, die uns Überquerungen höherer Passstrassen zusätzlich erschwerte. Aus der Provinz Van hörten wir von vielen Lawinenabgängen und unzähligen Toten; nördlich von uns wurde Schnee angesagt und unser Camper ist definitiv nicht für irgendwelche Wintercampings ausgerüstet.
In Kozan suchten wir in einer historischen Unterkunft den nächtlichen Schutz, studierten die Wetterprognosen für die nächsten Tage und verglichen die Regionen miteinander; keine guten Aussichten und selbst aus dem entfernten Ҫeşme trafen wettermässig ernüchternde Meldungen ein. Die Situation erinnerte uns gleich an jene auf Kreta, wo uns Schnee und Kälte zu einer Neuplanung der Reiseroute zwang. So kehrten wir in Kozan um und steuerten zurück in die südwestliche Ecke des Landes; dort sollte es – gemäss den vielen Informationen – am stabilsten und wärmsten sein.
Trotz der gleichen, oder ähnlichen Strecke zurück in den Westen bescherte unsere Routenwahl wieder viele Facetten der Küstenabschnitte und rückliegenden Gebiete. Schöne Übernachtungsorte fuhren wir gleich ein zweites Mal an und genossen das immer stabilere Wetter. Auch überquerten wir im westlichen Teil das Taurusgebirge, durchquerten schneebedeckte Hochtäler und besuchten bei Denizli die weissen Badepools von Pamukkale. Das Baden liessen wir zwar definitiv aus, dafür campten wir in unmittelbarer Nähe hoch über dem Tal und genossen das wärmespendende Feuer bei sternenklarem Himmel weit in die Nacht hinein.
Die Sonnenstrahlen vom Vortag zeigten uns nur, wie es sein könnte! Kalter Wind und ein bedeckter Himmel begleitete uns wieder zurück durchs Gebirge an die Küste. Zwar stiegen die Temperaturen leicht, doch der Regen drückte stark auf unsere Reiselaune. Immer wieder mussten wir bei unseren Camps uns schützend unter unser kleines Vorzelt stellen oder gleich ins Innere des Jeeps quälen. Nein, es war definitiv nicht sonderlich angenehm und manchmal reichte die Zeit nicht einmal, das abendliche Feuer zu entfachen; es war zu nass und stürmisch!
Vor Bodrum setzte sich wieder die Sonne vermehrt durch und liess uns zu neuem Abenteuer über „Wanderwege“ verleiten. Doch kaum wieder an Sonne und Wärme gewohnt, schon mussten wir erneut eine schützende Unterkunft in einem Hotel aufsuchen. Ob die gewählte Unterkunft einen besseren Schutz als unser Jeep bot, war mehr als nur fraglich; überall standen Wassereimer um das heruntertropfende Wasser aufzufangen und das schlecht montierte Zimmerfenster machte keinen Unterschied, ob es offen oder geschlossen war – die kalte Luft blies überall durch!
Interessanterweise waren auch diese Sonnen-Regentage immer sehr speziell und wir erlebten dadurch immer wieder wunderbare Momente. Solidarisch suchten wir mit den Einheimischen in der Teestube die Wärme um den Kacheloffen oder standen mit der Teetasse gemeinsam unter einem nicht ganz dichten Vordach. Leider waren in solchen Momenten unsere lokalen sprachlichen Kompetenzen eher bescheiden und die Gespräche eher kurz; leider!
Bis nach Ҫeşme war es bald nur noch eine kurze Fahrt der abwechslungsreichen Küste entlang und die Sonne lachte uns endlich wieder etwas länger entgegen als nur ein paar Stunden. Noch ein letzter Besuch im Milli-Nationalpark und schon steuerten wir unserer Einladung im nahen Ҫeşme an. Schon vor unserer ersten Abreise wurden wir von René und Zehra eingeladen. Nach der ersten Planung wären wir erst am Reiseende durch die Türkei gefahren. Doch unsere Fahrzeugpanne in Nordamerika änderte bekanntlich ja alles und so durften wir schon jetzt ihrer Einladung folgen.
Gespannt klopften wir an der Türe an…………