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…via England zurück in die Schweiz
Kaum verliessen wir Seyđisfjöđur/Island und die gleichnamige Bucht, kündigte uns der Kapitän für die Überfahrt nach Dänemark ein etwas unruhiges Meer an. Was für die Seeleute vermutlich eher eine leichte Brise war, empfanden wir eher als Sturm und wir befürchteten bald grosse Seekrankheit mit all seinen Nebenerscheinungen.
Nach dem ersten Abend auf dem Schiff und der sternenklaren Nacht gab es am zweiten Tag kaum etwas zu sehen; Regen, Nebel und ein kalter Wind verkürzten unsere Aufenthalte auf dem Deck stark. Dafür genossen wir in der Skylounge die ruhige Ambiente und liessen die vergangene Zeit bei einem feinen Glas Wein, oder waren es Biere, gedanklich noch einmal aufleben; die Schaukelbewegungen des Schiffes waren jedoch nicht mit jenen des Jeeps im Hochland zu vergleichen. 😉
Für uns stand die Weiterreise nach England im Vordergrund. Wir wollten unbedingt unseren Sohn, der seit 4 Jahren auf der Insel lebt, wieder einmal in die Arme nehmen. Infolge der weltweiten Pandemie konnte er weder ausreisen noch Familienangehörige nur bedingt zu ihm nach England einreisen. Jedenfalls waren wir voller Zuversicht, dass wir endlich wieder einmal auf der linken Strassenseite fahren durften.
Während wir so an unserer Weiterreise herum planten, tuckerte unsere Fähre über den Atlantik und Nordsee Hirtshals entgegen. Nach drei Tagen war die Minikreuzfahrt zu Ende und wir waren froh, endlich wieder festen Boden unter den Füssen zu haben. Der Seegang an den ersten beiden Tagen setzte uns stark zu.
Gegen Ende der Überfahrt lachte uns die Sonne mehrheitlich zu, während auf dem Festland die Wolken immer dichter wurden. Ungeachtet dieser Wolken steuerten wir so schnell als möglich nach Rotterdam, wo wir das Schiff nach England besteigen wollten und schon surrte der Scheibenwischer in Dauerbetrieb. Nach zwei Tagen lag Dänemark und sein Regen hinter uns und an der Elbe war es endlich wieder trocken. Sofort hoben wir unseren Fuss vom Gaspedal leicht an und genossen die Weite von Ost- und bald Westfriesland.
Nun mussten wir noch die Fährüberfahrt definitiv buchen: Es soll von Rotterdam nach Hull an der Britischen Ostküste gehen. Doch oh Schreck; bei der Buchung gab es die erste Überraschung und die ersten Unsicherheiten. Um nach England zu reisen, bedurfte es einer elektronischen Anmeldung bei der britischen Immigration, was wir bereits vom letztjährigen Besuch her kannten. Neu war jedoch eine gleichzeitige Buchung und Bezahlung eines Covid-Tests, den auch geimpfte Personen machen müssen. Ohne eine solche Buchung konnte die Anmeldung nicht zu Ende gebracht werden. Für uns war es beinahe ein Akt der vielen Fragezeichen und die Absage bei unserem Sohn in England wurde immer wahrscheinlicher; es war zum Verzweifeln.
Trotz der Zweifel an unseren Fähigkeiten, schafften wir doch noch die entsprechenden Buchungen und Anmeldungen, so dass auch wir umgehend aus England den gewünschten Barcode erhielten, der wiederum das Beziehen des Bordingpasses ermöglichte. Und, was vor einem Jahr noch mit der Identitätskarte möglich war, ging diesmal nicht mehr: Ohne Pass wird einem die Einreise ins Königreich verwehrt.
Wir buchten absichtlich eine Überfahrt während der Nacht um nicht gleich in einem neuen Land nach einer Übernachtungsmöglichkeit suchen zu müssen und das Angebot zur späten Stunde war entsprechend günstig. Es war auch das erste Mal, dass wir mit P&O und quasi mit einer Cargo-Fähre unterwegs waren. Der zuvorkommenden Service überraschten nicht nur die Brummi-Fahrer, sondern auch uns. Beim Besuch spät abends im „Duty Free Shop“ bekamen wir gleich feuchte Augen von den super günstigen Angeboten. Einziger Wehrmutstropfen; das Material wurde erst morgens vor der Ankunft in Hull ausgehändigt.
Dank der Voranmeldung war die Einreisekontrolle im Hafen Hull eine kurze Formsache. Kaum hatten wir die Pässe am Schalter durchgereicht, kamen postwendend eine freundliche Bemerkung zu unserem Jeep und eine kurze Frage zu unseren Absichten hier in England. Schon wurden uns die roten Pässe zurück gereicht und wir durften ins englische Königreich einreisen; natürlich linksfahrend. Schon hatten wir wieder eine unterhaltsame Diskussion, was nun richtig sei und was verkehrt.
Ab Hull folgten wir über Nebenstrassen und Wegen auf direktester Richtung nach Shrewsbury und mussten schlussendlich eine Zusatzschlaufe südwestlich von unserem Zielort drehen. Auch hier klappte unser Timing nicht ganz. Dass wir ganz unbemerkt in Wales eingereist waren, bemerkten wir erst später an gewissen Anschriften und gemäss den damalig aktuellen Bestimmungen wäre es eigentlich verboten gewesen. Doch wir fanden zurück nach Shrewsbury und durften endlich ein langersehntes Wiedersehen erleben.
Die kommenden Tage verflogen viel zu schnell und für uns war es wieder ein England, das man nur mit „Locals“ so erleben kann. Zu unserer Überraschung gab es ein Raclette und speziell für diesen Anlass importierten Raclettekäse aus dem Alpenland. Der Genuss war fast unbeschreiblich und weckte verschiedene Erinnerungen, aber auch, dass das Jahr sich seinem Ende entgegen bewegte und wir immer noch weit im Norden von Europa unterwegs waren.
Nach ein paar wunderbaren Tagen machten wir uns auf den Weiterweg. Unser Weg ins Winterquartier ist noch weit und wir hatten bereits viele Pläne für unseren kurzen Boxenstopp in der Schweiz. Auch war geplant, dass unser Sohn mit seiner Lebenspartnerin 2 Wochen später in die Schweiz reisen wollte. Ein Familientreff war angesagt; der erste seit 4 Jahren! So steuerten wir auf fast direktem Weg der Kanalküste entgegen, umfuhren die Agglomeration von London sehr grosszügig auf der westlichen Seite.
Der Gestank in Brighton überraschte uns sehr und überall standen Müllberge in den Strassen. Wir dachten zuerst an die fehlenden Lastwagenfahrer für die Müllabfuhr, doch weit gefehlt; hier wurde gestreikt. Vielleicht möchten die Müllmänner die Gunst der Stunde nutzen und ein paar Pfund mehr Lohn in ihrer Lohntüte wissen. Wir wissen es nicht! Doch bei den Preisen für den „Channel Shuttle“ war uns klar, wieso in Brighton für mehr Lohn gekämpft wird; ganze 150 Pfund würde uns die halbstündige Fahrt unter dem Ärmelkanal kosten. Die Fähre ab Dover nach Calais war nicht einmal die Hälfte. Und so soll eine privatwirtschaftliche Firma mit leeren Shuttlezügen funktionieren?
Bis Boulonge-sur-Mer folgten wir noch kurz dem Ärmelkanal und bogen dann endgültig nach Südwesten ab. Eigentlich wollten wir dem Flusslauf der Somme folgen, entdeckten jedoch immer wieder andere Wegvarianten und durchstreiften die Ardennen auf unsere Art. So standen wir fast unbemerkt im südlichen Belgien, wo die vielen Rennradfahrer keinen Zweifel aufkommen liessen, dass sich hier viel um diese schnellen Zweiräder dreht. Jedenfalls ist das Trainingsgelände ideal und von der landschaftlichen Seite her ein Traum.
Eine weitere Überraschung folgte kurz nach Bastogne; bereits Belgien begeisterte uns, was sich in Luxemburg fortsetzte. Es ging bergauf und bergab, von einem Tal hoch ins nächste Tal hinunter, wunderbare Landschaften und kleine schmucke Dörfer. Lang gezogene Täler entlang irgendwelchen Flüssen und oben erlebten wir traumhafte Ausblicke in die weite Landschaft; wirklich traumhaft auf zwei oder vier Rädern. Auch in dieser traumhaften Landschaft neigte der Tag seinem Ende entgegen und es galt ein Plätzchen für die kommende Nacht zu finden, doch überall standen Warnschilder und machten auf die Treibjagd aufmerksam.
So standen wir bald an der Mosel und auf deutschem Boden. Durch das Saarpfälzer Bergland erreichten wir den Rhein und weiter querten wir Deutschland bis zur östlichen Seite. Südöstlich von Nürnberg gibt es ein Offroadausrüster, der im deutschsprachigen Raum ein Spezialist für Autoheizungen sein soll. Nach den vielen kalten Stunden und Nächten in Island möchten wir unseren Camper mit einer Heizung nachrüsten und wollten das Knowhow von diesem Geschäft nutzen.
Dass wir in Bayern angekommen waren, merkten wir nicht nur beim disziplinierterem Verhalten der ortsansässigen Bevölkerung, sondern auch bei den Übernachtungen auf irgendeinem Campingplatz; ohne Covid-Zertifikat bleiben die Türen verschlossen!
Auf den letzten Kilometer bis zu unserem Zwischenziel durchstreiften wir noch das bayrische Alpenvorland, und der immer dichtere Verkehr kündigte uns bald einmal unser Heimatland an.
Wir sind nun gespannt, wie lange wir es hier aushalten werden; nach dem angekündigten Besuch aus England wird es bald weiter in den warmen Süden gehen und ohne festes zu Hause werden wir – so oder so – kein allzu dickes Sitzleder haben.