>Bilder ganz unten!
…endlich im Land der unbegrenzten Möglichkeiten!
Nach den sieben Monaten Gruppenreise durch Süd- und Mittelamerika hatten wir ab Tombstone unsere gewohnte Freiheit und konnten wieder tun und lassen wie es gerade kam. Kein Roadbook gab uns das Tempo oder die Richtung der Reise vor. Für Chantal war es eine Entlastung, für mich (Tom) eher ein Abschied von tollen Begegnungen und Abenden. Tja, so ist es eben; alles hat ein Ende, nur die Wurst hat deren zwei.
Die USA und im Besonderen der Abschiedsort Tombstone war für uns ein „déjà vue“. Tombstone erlebten wir bereits vor 4 Jahren bei Schnee und matschigen Strassen. Diesmal war alles staubtrocken, und der Ort bereitete sich gerade für irgendein nationales Fest vor. Die Feierlichkeiten liessen wir aus, genossen dafür die Fahrten durch Arizona in Richtung Flagstaff, wo wir einen Bekannten von der ersten Reise besuchen wollten.
Unglücklicherweise vergassen wir bei unseren Reisevorbereitungen zu Hause die ganze Literatur über den nördlichen Teil des amerikanischen Kontinentes, was fast einem Blindflug auf den amerikanischen Landstrassen gleichkam. Umgehend bestellten wir diese gleich zu unserem Bekannten nach Flagstaff. Auch besorgten wir noch die nötigen Ersatzteile für unseren Jeep; auch der Urgeländewagen braucht ab und zu gewisse neue Teile; Südamerika hinterliess auch an unserem Jeep gewisse Spuren.
So bewegten wir uns in gemächlichen Tempo in nördlicher Richtung und erkundeten den Süden und den mittleren Teil von Arizona ausgiebig. Die ersten Camps in den National- oder State-Forest waren für uns erneut Highlights, wo jedes Mal auf dem Feuer gekocht wurde. Die ersten Tage durch diese frühsommerliche Landschaft waren für uns fast wie Balsam auf die Seele und wirklich eine andere Reiseart.
Doch unsere Unbeschwertheit wurde durch die Kündigung unserer Autoversicherung seitens des Versicherers mit voller Härte ausgebremst. Die in Mexiko Online abgeschlossene Fahrzeugversicherung für Nordamerika (USA + Kanada) beflügelte uns und zum offiziellen Angebot seitens der Reiseorganisation war es finanziell ein echtes Schnäppchen. Doch, es kam anders und bis zum letzten Tag des Versicherungsschutzes blieben nur noch wenige Tage übrig.
In Flagstaff suchten wir einen entsprechenden Versicherungsmarkler auf, der für uns die telefonischen Verhandlungen mit der Versicherung führte. Leider erreichte auch er für uns nicht viel, da unser Auto nicht in ihr Fahrzeugschema passen würde und so kein Versicherungsschutz gewährleistet werden konnte. Auch von anderen Versicherungen erhielten wir nur negative Bescheide. Wir konnte das Sorry bald nicht mehr hören, sei es seitens der Telefonassistenten noch von irgendwelchen Versicherungsmarklern. Der Rettungsanker kam schlussendlich von Thum, dem Angebot von der Reiseorganisation, die für unser Auto für sehr viel Geld ein halbes Jahr einen Schutz anbietet. Aber auch bei dieser Versicherung passt unser Jeep nicht ganz in ihr Fahrzeugbild und dieser gilt nur in den USA; Kanada ist ausgeschlossen. Wie war das doch mit dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten?
Auf Grund dieser Versicherungsgeschichte mussten wir unsere Reisepläne neu gestalten und gewisse Ideen ganz aus unserer Wunschliste streichen. So werden wir uns bis Ende November ganz auf die USA, d.h. die Rocky’s und den Westen konzentrieren und noch mehr ins Hinterland vorwagen. Schlussendlich sind wir – landschaftlich – in einem der schönsten Länder dieser Erde, das wirklich alles bieten kann, wo man andernorts vergebens danach sucht.
Da unsere in Europa bestellen Bücher nicht gleich am nächsten Werktag geliefert wurden, versteht sich von selbst. Unseren Besuch verschoben wir und machten einen Kurztrip in Richtung Westen. Dass bei unseren Ausflügen auf den Nebenwegen nicht immer alles klappte und wir uns plötzlich auf Privatland befanden, könnte in den südlichen Ländern der USA nicht immer gut enden. Diese Erfahrung machten wir an einem Samstagnachmittag, als wir ungeachtet über eine heruntergelegte Kette mit dem Schild „privat – non trespassing“ fuhren und plötzlich vor einem Haus standen. Der Besitzer mahnte uns dringend, auf solche Abenteuer zu verzichten, da in jedem Haus und Auto genügend Waffen herum lagen und gewisse Grundbesitzer zuerst schiessen und erst anschliessend nach dem Grund der Anwesenheit fragen würden. Diese mahnenden Worte gingen uns beiden tief unter die Haut und etwas verängstigt fanden wir den richtigen Weg zurück auf legale Wege und Strassen.
Den Ausflug auf den Skywalk liessen wir nicht wegen den Schiesseisen aus: Der Preis hätten wir zähneknirschend bezahlt, doch als die nette Dame an der Kasse uns noch auf das genaue Prozedere hinwies, dass wir u.a. keine Kameras auf den Skywalk mitnehmen durften, machten wir gleich rechtsumkehrt und verliessen den Verkaufsshop, wo Unmengen Touristen irgendein ultimatives Abenteuer buchten. Eigentlich hätten wir gerne durch den Glasboden auf den tausend Meter weiter unten liegenden Colorado-River hinunter geschaut.
Las Vegas lag nur noch wenige Kilometer westlich von uns und wieso nicht eine Nacht in dieser Glitzerwelt verbringen. Kaum gedacht, schon gebucht! Durch trockene Steinwüsten düsten wir zu dieser Oase, wo anscheinend alles möglich sein soll, vorausgesetzt, man hat genügend Dollars in der Hosentasche. In dieser Stadt ist alles übergross und selbst die Hotels übertrumpfen sich gegenseitig. Das mitten in dieser Wüste noch ein Finalspiel in Eishockey ausgetragen wurde, verwunderte uns nicht mehr; wenn es heiss ist, wird einfach gekühlt bis die Stromleitungen glühen.
Wir fanden in dieser Welt, wo alles glitzerte und leuchtete keine richtige Wärme und die 24-Stundenhektik auf der „Strip“ gefiel uns gar nicht. Das Glück an den einarmigen Banditen oder am Black-Jack-Tisch liessen wir ebenso aus wie die Glückskugel beim Roulette; nein, Las Vegas war nicht unser Ding! So packten wir unsere Sachen wieder und waren froh, nur eine Nacht im diesem Märchenhotel gebucht zu haben.
Nach der surrealen Welt in der Talsenke von Las Vegas folgten wir der Landstrasse weiter westlich hinaus in die weite Landschaft. Da sich unsere Lieferung aus Europa noch weiter verzögerte, machten wir uns auf den Weg weiter westwärts. Wieso nicht gleich durchs Dead Valley, wo es bis zu 54°C heiss werden kann? Gedacht – getan, und schon standen wir auf dem Pass, der uns hinunter auf 80 Meter unter den Meeresspiegel brachte. Ja, heiss war es, doch die tödlichen Temperaturen gab es bei unserem Aufenthalt nicht. Dafür erlebten wir, vielleicht ist dies die Sensation, abends ein Gewitter und Regen.
Leider war der Hunter-Pass in den nördlichen Teil des Nationalparks infolge der Schneesperre (!) noch geschlossen und wir dachten schon, dass wir wieder ostwärts in Richtung Arizona fahren müssten. Ein Sheriff empfahl uns, so ganz nebenbei, mit unserem Jeep etwas südlicher über den Mengel-Pass zu fahren, wo wir unsere absolute Einsamkeit finden würden. Dieser Tipp war wirklich goldrichtig, und dieser Pass führte uns von Westen her wieder zurück ins „Todes Tal“. Verrückt, was man in den USA alles fahren darf und alles ganz legal.
Da im südlichen Teil von Utah grosse Gebiete vom Militär gesperrt sind, mussten wir zwangsläufig erneut durch Las Vegas, aber diesmal fuhren wir mit unserem Jeep von Süden nach Norden durch die komplette „Strip“. Erneutes Staunen über das emsige Treiben auf den Gehsteigen und das „Sehen und Gesehen werden“ auf der Strasse. Wirklich, eine verrückte Stadt, wo schon am Nachmittag fürs grosse abendliche Geschäft mit allmöglichen Methoden geworben wird. Wir erlagen nicht diesen Versuchungen und steuerten unsern Jeep schön brav hinaus in die weite und einsame Landschaft nördlich des Colorado-Rivers.
Unser nächstes Ziel war die Nordseite des Grand Canyon, den wir vor 4 Jahren infolge Schnee nicht besuchen konnten. Fast per Zufall trafen wir ein Paar der Panamericana-Reisegruppe. Ja, es gab bereits viel zu erzählen und fleissig wurden die weiteren Pläne ausgetauscht. Vom Besuch der North-Rim waren wir fast ein wenig enttäuscht; oder waren wir bereits zu stark mit den unendlichen Eindrücken übersättigt? Obwohl die Nordseite nicht an die Ausblicke der südlichen Seite bei Grand Canyon Village heran kommt, eindrücklich war es trotzdem und die Erinnerungen an das Kupfercanyon in Mexiko wurden wach.
Um weiter nach Flagstaff zu gelangen, muss man einen grossen Umweg um den Grand Canyon fahren, was für amerikanische Verhältnisse fast normal ist, für unsere europäischen Empfindungen jedoch eine unheimlich weite Strecke sein kann. Dafür hat die Landschaft immer wieder grosse Überraschungen bereit. Angefangen mit einem Waldbrand, Schneeregen und Hagel bis hin zu landschaftlichen Highlights, wo nicht gerade jeder Tourist hin fährt.
Trotz der Fülle der Eindrücke, entschlossen wir, erneut zum South-Rim des Grand Canyon zu fahren. Der Besucherandrang auf der Panoramastrasse war riesig, viele Menschen wollten in die Tiefen des Canyon schauen. Und trotzdem, es war erneut ein wunderbares Erlebnis in den rund tausend Meter tiefer liegenden Colorado-River hinunter zu schauen. In Grand Canyon Village war an diesem schönen Wochenende einiges los und für einen freien Stellplatz im örtlichen Campingplatz hatten wir keine Chance irgendein paar Quadratmeter für unseren Jeep zu finden; alles komplett ausgebucht. Der nahe gelegene National-Forest war für uns die Rettung und ein wunderbarer Platz bescherte uns eine sehr ruhige Nacht unter den funkelnden Sternen.
Bis nach Flagstaff wählten wir den direktesten Weg über die weite Landschaft, wo vermutlich kein normaler Amerikareisender je fahren würde. Doch hier liegen die Landschaften, die früher die Pioniere erlebten. Heute fahren die Einheimischen mit ihren ATVs und Geländewagen über diese alten Wege und geniessen den Hauch der früheren Einwanderer mit ihren Planwagen. Auch wir zählen uns dazu und staubten durch die weite Steppenlandschaft!
In Flagstaff klappte es endlich mit unserem Besuch und der Abholung der bestellten Ware aus Europa. Ebenfalls wurden die letzten kleineren Reparaturen erledigt und auf weitere Ersatzteile gewartet. Doch schon drängte unsere Reiselust zur Weiterfahrt hinaus in die einsame Wildnis der Südstaaten. Ja, man könnte gleich mehrere Wochen in jedem einzelnen State bleiben, man hätte immer noch nicht alles gesehen und erlebt!
Unseren Kompass stellten wir einmal in Richtung Monument-Valley, doch bis dorthin wird es sicher noch viele verrückte Dinge zum Erleben geben.
Chantal u. Tom/Juni 2023