Unterwegs in den Norden – an die Sonne!

Kanada nahm uns wirklich mit aller Frische auf und, so wie wir das Land vor ein paar Wochen verliessen, so kehrten wir wieder zurück: Schon am ersten Morgen mussten wir den Schnee von der Scheibe wischen.

Trotzdem wagten wir die Fahrt durch die Livingstone Mountains den Kananaskis Mountains entgegen und weiter in nördlicher Richtung. Schlussendlich müssen wir in rund 10 Tagen 2‘500 Kilometer zurücklegen, so dass wir pünktlich am 2. Juni in Whitehorse ankommen.

Die Wolken hingen bereits bei unserer Abfahrt tief und wenige Schneeflocken tänzelten bereits auf die vielen Wiesen, wo die Kühe ihr Futter bereits unter einer weissen Schicht hervor suchen mussten.

Die Fahrt durch die ausgedehnten Wälder war eine rutschige Angelegenheit und der aufgeweichte Weg verschmierte einmal mehr unser Auto. Infolge der Wintersperre des Highwood-Pass (Kananaskis Mountains) mussten wir bald nach Osten abbiegen und schon fanden uns im Verkehrsgewühl von Calgary. Vor drei Jahren war ich bereits einmal da und empfand das Zentrum als sehr angenehm; dies wollte ich Chantal unbedingt zeigen. Doch die Fahrt durch die Strassenschluchten war alles andere als aufregend und der Dauerregen sorgte für spezielle Momente. Das nächste Mal wählen wir eine weiträumige Umfahrung und werden das Chaos liebend gerne vermeiden.
Der Spuck war, sobald wir etwas ausserhalb des Zentrums waren, wie vom Erdboden verschwunden. Schon standen wir wieder mitten im Farmgebiet.

Ebenso wie die Hektik der Grossstadt war das schlechte und feuchte Wetter verschwunden und angenehme Bedingungen begleiteten uns auf dem Weg in Richtung Nordwesten; hurra, endlich schön und warm. 🙂

Auf dem Cowboy-Highway ging es immer weiter in nördlicher Richtung. Die gesehene Landschaft als auch der Name unserer Strasse mag einiges von einer längst vergangenen Zeit erzählen, wo noch die Postkutschen in nördliche Richtung staubten und viele Cowboys in den Weiten ihrer Arbeit nachgingen. Heute gibt es in Alberta vermutlich mehr Ölarbeiter als Cowboys; das Geschäft ums Öl ist allgegenwärtig und läuft vermutlich wie geschmiert. Überall wird das schwarze Gold aus dem Boden gepumpt, Gas angezapft oder im grossen Stil Kohle abgebaut. Da wo es keine Bodenschätze gibt, steht die Waldnutzung an oberster Stelle. Die Wälder werden wie Felder mit riesigen Maschinen abgeerntet und übergrosse Lastwagen fahren die Baumstämme zur nächsten Holzverarbeitungsfabrik, die den weltweiten Hunger nach Zellulose und anderen Holzprodukten stillen. Die geschlagenen Waldstücke empfanden wir immer wieder wie riesige Wunden, die man in die Erde schlug und der neu angepflanzte Jungwald ist eher eine Monokultur als ein Mischwald. Wir sind zwar keine Forstspezialisten, doch solche Monokulturen sind vermutlich für jeglichen Parasitenbefall sehr einladend und Kanada steht auf Kriegsfuss mit sämtlichen unliebsamen Käfern.

Nach unzähligen Hügelzügen, wo wir immer wieder die ersten Erhebungen der Rocky Mountains erspähten, und endlosen Walddurchquerungen erreichten wir Grande Prairie, die ihren Namen mehr als nur gerecht wird: Endlose Äcker bis an den Horizont, wo mit schweren Gerätschaften die Felder bestellt werden.

Wir wählten wieder einmal nicht den direktesten Weg um auf dem Alaska-Highway möglichst schnell in den Norden zu kommen, sondern eine grosse Schlaufe durch die Foothill Mountains, die bereits in British Kolumbien (BC) liegen. An einem unscheinbaren Ort namens Kelly Lake verliessen wir Alberta und es war wie ein Schnitt auf unserer Fahrt; vorher noch weite Felder, jetzt ausgedehnte Wälder, wo die Forstwirtschaft die dominierende Stellung einnimmt.

In BC kämpft man mit verschiedenen Mittel gegen allfällige Parasiten: Verschiedene Plakate machen auf diesen Umstand, sowie deren Auswirkungen aufmerksam. Gleichzeitig findet man immer wieder Plakate einer gewissen Protestwelle, die gegen den flächendeckenden Chemieeinsatz aufmerksam machen.
Was richtig ist oder nicht, können wir Weltenbummler kaum entscheiden. Die möglichen Mitteln, die aus den Flugzeugen versprüht werden und welche Schutzmassnahmen erforderlich werden, stimmte uns etwas nachdenklich; bis zu zwei Wochen gibt es Einschränkungen bei der Fütterung von Nutztieren.

Kilometer um Kilometer durchstreiften wir diese endlosen Waldflächen. Immer wieder folgten genüssliche Blicke auf die schneebedeckten Rocky’s. Diverse Wildtiere in Strassennähe sorgten für weitere Abwechslung. Eine vorbei laufende Moose – so was wie ein Elch, aber etwas grösser als der europäische Artgenosse – liess uns nur staunen, für den Fotoapparat reichte die Zeit meist nicht. Dafür konnten wir uns bei den Schwarzbären mit dem Auto anschleichen und diese friedlich grassenden Bären in aller Ruhe beobachten.

Ab dem Willston Lake, ein riesiger Stausee, der sich über mehrere Täler erstreckt, wird nebst der Forstwirtschaft auch fleissig nach Öl oder Gas gebohrt. Wenn der Borkenkäfer das Holz wegfrisst, so sprudelt aus dem Erdinnern, so unsere Vermutung, bereits die nächste Einnahmequelle.

Bis Fort St. John folgten wir dem Peace-River, wo, gemäss den vielen Protestplakaten, ebenfalls Staustufen für weitere Energienutzung geplant sind. Einerseits ist es eine wunderbare Landschaft, die man hier überflutet möchte, anderseits verlangen alle nach einer gewissen Energiesicherheit – eine Zwickmühle!

Ab Fort St. John folgten wir, wie alle nordwärts ziehenden Reisende, dem Alaska-Highway. Bis Fort Nelson eigentlich nur Pflicht, viel Verkehr und relativ eintönig. Doch, sobald es möglich war, versuchten wir dem alten Highway zu folgen.

Oft fanden wir den richtigen Weg auf Anhieb und genossen die Stimmung auf der „Urstasse“, die während dem zweiten Weltkrieg in Rekordzeit als Verbindungsstrasse nach Alaska gebaut wurde. Oft standen wir auch, obwohl der Weg noch auf unserer Garminkarte eingetragen war, vor Bäumen und fanden keine Weiterführung mehr. Oder, wir mussten beim plötzlichen Wegende über irgendeine Böschung hinunter aufs neue Teerband fahren.

Ab Fort Nelson war es endgültig vorbei mit der langweiligen Landschaft. Es ging in die Berge und hinter jeder Kurve entdeckten wir wieder Neues; weite und unberührte Gebirgslandschaften, wo sich nur unsere Strasse hindurch schlängelte. Nebst der einzigartigen Landschaft entdeckten wir immer wieder Wildtiere in unmittelbarer Strassennähe. Ob Schwarzbären, Bighorn-Schafe, oder gar Bisons – alles war da, so als würden wir durch den Zoo fahren.

Fast unbemerkt überfuhren wir die Grenze zum Yukon-Territory. Nicht oft überqueren Uebersee-Touristen diesen Zoll – es war das erste Mal, dass der Zöllner eine Schweizernummer sah! Der erste Ort in Yukon, Watson Lake, treffen sich fast alle Alaska-Touristen mit ihren Vans, Campers und Wohnwagen zwangsläufig bei der Tankstelle oder im Einkaufsladen. Der letzte grössere Ort lag auch für uns bereits mehrere hundert Kilometer zurück und die nötigen Reserven mussten aufgestockt und der Tank gefüllt werden.

Zeitlich waren wir sehr gut in unserem Routenplan und so informierten wir uns gleich im Touristenzentrum über allfällige Alternativen der Weiterfahrt bis Whitehorse. Vom Asphaltband, wo sich alle Touris nordwärts bewegen, wollten wir uns ein wenig entfernen und die Einsamkeit von Yukon kennen lernen.

Wir erhielten einen entsprechenden Tipp, und schon bogen wir nach Norden vom Alaska-Highway ab. Wir folgten dem Robert Campbell-Highway durch weite Wälder, unzähligen Flussläufen und Seen, sahen die ersten Caribous und eine Grizzly-Mutter mit ihren zwei Jungtieren.

Beim Frances Lake wollten wir nur Mittagsrast machen. Die Landschaft war aber so überwältigt, dass wir uns entschieden da zu übernachten. Eine fast unheimliche Ruhe begleitete uns durch die Nacht. Nebst dem nächtlichen Wolfsgeheul gab es wirklich nichts, selbst der Wind legte sich und der See war spiegelglatt.

Wir waren schon über 300 Kilometer auf dieser Schotterstrasse unterwegs, kreuzten noch keine 5 Autos, als unser Jeep in den Steigungen nicht mehr wollte, wie wir dies erwünschten. Irgendwo blies Luft durch den Motorenraum!

Den Schaden konnten wir bald lokalisieren. Für die Behebung waren wir in dieser einsamen Landschaft auf uns selbst gestellt. Eine mögliche Werkstatt, die unser Problem vielleicht hätte lösen können, liegt wahrscheinlich erst in Whitehorse.
So quälten wir unser mobiles Zuhause weiter über die Schotterpiste und erst auf der Canol Road folgte das Ende unserer Fahrt. Bei jeder Steigung pustete der Turbo die Luft ins Freie anstatt in den Motor, und mühsam quälte sich unser Jeep in die Höhe.

Am Ufer des Lapie-River fanden wir einen passenden Ort für die Reparatur und die folgende Nacht. Nach rund 2 Stunden gemeinsamer Arbeit war der undichte Luftschlauch wieder dicht. Zum Glück entdeckten wir noch einen massiven Fehler vom letzten Service in den USA: es wurde ein falscher Luftfilter eingebaut, der seine Wirkung schlicht nicht erfüllte! Nach viel Bastelarbeit und einer Kürzung meiner Isoliermatte sollte auch der Luftfilter das tun, was er sollte: Die Ansaugluft von möglichen Schmutz und Staub befreien. Hoffentlich klappt es auch!
Der Lapie-River wiegelte uns in den Schlaf und das Rauschen des Flusses übertönte allfälliges Wolfsgeheul.

Die Weiterfahrt über die Canol-Road, ebenfalls ein Relikt aus dem zweiten Weltkrieg, war erneut ein Vorstossen in eine noch menschenleere Gegend und nur drei Autos begegneten uns auf diesen 250 Kilometer. Dafür war es auch ein Eintauchen in eine grossartige Gebirgslandschaft. Manchmal folgte der Weg irgendeinem Flusslauf, anschliessend steil hinauf auf einen Übergang oder über einer steilen Bergflanke immer tiefer ins weite Tal hinein.
Und zu unserer Beruhigung; die Reparaturarbeiten hielten den Belastungen stand und alles funktionierte einwandfrei. 🙂

Kurz vor Whitehorse bogen wir noch einmal in südlicher Richtung ab und folgten dem Klondike-Highway nach British-Kolumbien und hoch hinauf zum White-Pass. Heute führt eine bequeme Strasse durch diese hinreisende Gebirgslandschaft. Zu Zeiten des Goldrausches war der Klondike-Way über den White-Pass alles andere als ein Vergnügen. Wo heute tausende Touristen – wir inbegriffen – ihre Kameras für irgendwelche Aufnahme hervor nehmen, schindeten sich vor rund 120 Jahren Menschen über diesen Pass, in der Hoffnung irgendwo in Dawson-City auf den grossen Reichtum zu stossen.

Auf der Rückfahrt vom White-Pass entdeckten wir in unmittelbarer Nähe des Strassenrandes einen Schwarzbär, der bei unserer Vorbeifahrt keinen Wank zur Seite machte. In einer gewissen Distanz hielten wir an und stellten fest, dass sich dieser Bär gütlich ein Sandwich verzerrte! Kaum hatte er diese menschliche Köstlichkeit vertilgt, kam er in rasenden Tempo auf unser Auto zu, nach dem Motto: „Bitte mehr, es schmeckte ausgezeichnet!“ Inzwischen standen mehrere Autos beim Ort des Geschehens und der Bär machte noch ein weiteres Auto „an“, bevor er das Weite suchte.
Wer dieses Sandwich an den Strassenrand, oder sogar dem Bär vor die Füsse warf, wissen wir nicht. Doch eins wissen wir mit Bestimmtheit; ein gefütterter Bär ist hier in Kanada ein toter Bär!

Über den Klondike-Highway erreichten wir Carcross, wo man sich alle Mühe gibt, um vom Touristenstrom möglichst viel abzukommen. Vor 120 Jahren wurden in diesem Ort die Goldgräber schamlos ausgenutzt, heute geht es etwas zahmer zu und her. Der Ort ist sehr einladend und es machte uns unheimlich viel Spass durch die alten Warenhäuser zu schlendern, wo nebst neuer Ware auch vieles aus vergangener Zeit herum hängt.

Noch am gleichen Tag erreichten wir Whitehorse, wo wir in wenigen Tagen unseren Besuch aus der Schweiz erwarten.
Dann geht es zu viert nordwärts in die weite Welt. Wir freuen uns unheimlich. 🙂