Westwärts – auf nach Arizona!

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Ja, es schneite in El Paso und wir wurden Zeugen dieses seltenen Ereignisses. Der junge Verkäufer im Shop fragte uns noch beiläufig, was wir Schweizer eigentlich hier in dieser äussersten Ecke der USA machen und meinte auch, dass das Wetter bald wieder besser würde.

Umgehend begutachteten wir die Wetterprognosen, und schon hatten wir das nächste Hoch entdeckt. Sofort änderten wir unsere Pläne, liessen die Flucht zum Rio Grande und Big Bend Nationalpark fallen; schliesslich möchten wir westwärts in einem grossen Bogen durch Arizona und noch kurz über den Rand des Grand Canyon schauen, eh wir definitiv nordwärts nach Kanada ziehen müssen.

Auf relativ direktem Weg folgten wir der Südgrenze durch New Mexico dem Westen entgegen. Die Temperaturen waren wieder etwas angenehmer und auch beim ersten Camp in der Wildnis genossen wir abends die milde Temperatur.

Nach Columbus, an diesen kleinen Grenzort verirrten wir uns bereits zum zweiten Mal, ging es weiter durch noch einsamere Gebiete und ein Geisterort folgte den nächsten. In dieser südwestlichen Ecke von New Mexico leben wirklich nur noch sehr wenige Menschen und überall stehen Schilder, dass nicht nur Liegenschaften, sondern ganze Ranchen auf einen neuen Besitzer warten.

Bei einer Stichstrasse nach Mexico entdeckte ich einen Weg durch die Animas-Mountains, weiter über die kontinentale Wasserscheide zum Coronado National-Forest. Leider endeten alle Wege irgendeinmal vor einem verschlossenen Weidentor. Nach mehreren Irrfahrten kam uns endlich eine Grenzpatrouille entgegen und wir hofften, dass diese uns auf den richtigen Weg lotsen könnte.
Während der Grenzbeamte nach Mexikanern suchte, entstand ein kurzes Gespräche. Bald wurde uns klar, dass auch sie nicht alle Wege hier im Grenzland befahren können; die Rancher verwehren auch ihnen den Zugang zu gewissen Gebieten und Wegen.

So erreichten wir spätabends den kleinen Ort Rodeo, der gleich am Fusse des Coronado National-Forest liegt, und zur späten Stunde akzeptierten wir zähneknirschend den etwas hohen Preis der einzigen Unterkunft in diesem Ort. Draussen war es bereits bitter kalt und wir waren froh, die Nacht in einem geheizten Raum verbringen zu dürfen.

Die Sonne lachte uns schon lange durchs Fenster entgegen, doch draussen vor der Tür war es noch sehr frisch. Zögerlich wagten wir uns durch die enge Schlucht in den Coronado National-Forest. Die aufgestellten Felswände waren sehr beeindruckend, so dass wir den Übergang nach Arizona nicht einmal bemerkten. Im Besucherzentrum holten wir noch die letzten Infos über den Wegzustand und die folgenden Wetteraussichten ein. Die Antworten waren sehr ernüchternd; der Weg soll für 4×4 noch befahrbar sein und für die nächsten Tage sind intensive Schneefälle angesagt. Hatten wir in El Paso die Wetteraussichten doch zu grosszügig interpretiert oder irgendetwas übersehen?

Der Forstweg führte weit über 2000 Meter hinauf; in den Schattenpartien fanden wir Schnee und vereiste Stellen. Weitere Experimente und Fahrübungen im abgelegenen Wald liessen wir bald einmal links liegen und wählten den schnellsten Weg hinunter ins Tal. Die Wolken kündeten von Südwesten her bereits eine Veränderung an, doch der bizarren Landschaft beim Chiricahua Nationalmonument mussten wir noch einen kurzen Besuch abstatten, wo in Millionen von Jahren die Erosion durch Wasser und Senkungen unendlich viele Türme und Felsgebilde hinzauberte.

Nebenbei entdeckten wir auf dem Campingplatz des Parks Hinweisschilder, dass grosse Schneemengen zu erwarten sind und ein Verlassen des Parks dann nicht mehr möglich sei. Wir nahmen diesen Hinweis ernst und flüchteten über den Apache-Pass in tiefere Höhenlagen.

Die Buchung im Motel für zwei Nächte erwies sich als geschickter Schachzug; selbst in Willcox/Arizona schneite es anderntags ergiebig und wir waren nicht die einzigen, die sich in dem schützenden Motel in ein warmes Zimmer zurück zogen.
Abgesehen von einem riesen grossen Parkplatz für Lastwagen, Schnellinbissrestaurants und alles Mögliche um den Strassen- und Schienenverkehr, ist Willcox nicht die grosse Attraktion für hängen gebliebene Reisende und wir waren froh, dass nach dem Schneefall die Sonne erneut hinter den Wolken hervor lachte.

Durch die schneebedeckten Dragoon-Mountains erreichten wir die Westernstadt Tombstone, wo vor nicht allzu langer Zeit gewisse Differenzen an der Bar danach draussen auf der Strasse mit dem Colt beendet wurden. Der Goldrausch brachte nicht nur viele Menschen in diese unwirtliche Gegend hinaus, sondern auch eine gewisse Gesetzeslosigkeit war an der Tagesordnung. Teile des Ortes sind heute der früheren Gegebenheit nachgebildet und schon mehrere Western wurden hier gedreht. Obwohl alles sehr auf den amerikanischen Kommerz ausgerichtet ist, gefiel uns der Ort sehr und die nachgestellten Schiessereien waren wirklich feine Leckerbissen nebst all dem touristischen Kleinkram.

Die Revolverhelden gaben uns erneut viel Mut für unsere weiteren Abenteuer abseits des Highways und schon bogen wir, wenige Meter vor der mexikanischen Grenze, ins Montezuma-Canyon ein. Im Besucherzentrum wurde von der Fahrt über den 2000 Meter hohen Montezuma-Pass abgeraten, da sie am Vortag mehrere Fahrzeuge aus misslichen Lagen befreien mussten. Uns wurde der Umweg über viele Highway-Kilometer empfohlen, oder wir sollten es in ein paar Tagen noch einmal versuchen, da die Strecke sehr schön sei und das Warten sich lohnen würde!

Der Mut der Helden war etwas gebrochen, doch unser Jeep mit seinen 4×4 und die Sonne gaben uns etwas Auftrieb. So versuchten wir trotz den Warnungen die Fahrt auf den Pass. Schlussendlich war diese Fahrt hinauf zum Montezuma-Pass nicht so problematisch wie von der Infodame beschrieben und oben wurden wir mit einer grosszügigen Weitsicht und vielen Berggipfelen belohnt.

Schnell erkundigten wir uns bei entgegenkommenden Autos, die sich von der Gegenrichtung durch den Schnee auf den Pass wühlten, über den Wegzustand und bald kehrte der Mut der „Asphalthelden“ zurück.

Der Weg hinunter in die weite Hochebene von Duquesne (u.a. Coronado Nat.-Forest) erwies sich als relativ gut fahrbar, dafür kämpften wir uns durch schmierigen Wege über das weite Hochland entlang der Südgrenze. Zeitweise schlammte das klebrige Sand-Erdegemisch die Reifen komplett zu und wir rutschten buchstäblich auf dem Weg hin und her. Obwohl wir mit äusserster Vorsicht und stellenweise im Schritttempo fuhren, rutschten wir, und dies ohne jegliche Vorwarnung, zweimal an den seitlichen Wegrand, bzw. über diesen hinaus!

Nach so viel Schlamm folgte noch der Duquesne-Pass, wo dann der viele Schnee zur Umkehr und uns zu einem weiten Umweg über Patagonia nach Nogales zwang. Das Abenteuer hatten wir jedenfalls auf sicher, aber bei der Ankunft in der Zivilisation waren wir entsprechend müde und unser Jeep von oben bis unten braun verschmiert. Nach der grossen Wäsche gönnten sich die Helden der Schlammpiste eine entsprechende Stärkung, gekrönt mit einem feinen Glas kalifornischen Merlot aus der Kartonbox.

Erneut suchten wir unser Weiterweg nach Westen entlang der Südgrenze und bald stiegen wir hoch ins Gebirge. An diesem Montag waren wir wieder alleine unterwegs, weder eine Grenzpatrouille noch sonst jemand begegnete uns und für die nächsten Stunden hatten wir das Gefühl, in einer ausgestorbenen Welt unterwegs zu sein. Selbst im Tohono O’Odham Indian Reservat begegneten wir keiner Person, nur tausende Sterne und das Koyotengeheul begleitete uns in die tiefe Nacht hinein

Das Organ-Pipe-Cactus-Nationalmonument war unser nächstes Ziel, wo noch vor wenigen Jahren die Mineure ihr Glück mit Gold, Silber und Kupfer suchten. Reich wurde in dieser verlassenen Gegend niemand, und heute kurven die erlebnishungrigen Touristen über die ehemaligen Ranch- und Minenwege. Wir suchten unser Glück bei Wanderungen abseits der gängigen Touristenpfade und waren erneut überrascht, dass nicht nur die grossen Kakteen, sondern die kleinen Details an Pflanzen und Tieren diese Landschaft so erlebnisreich machen.

Der März war angebrochen und in 29 Tagen müssen wir die USA verlassen. So liessen wir die südwestliche Ecke links liegen und durchquerten weite Flächen, die alle irgendwie mit vulkanischem Gebirge umgeben sind. Teilweise werden die Felder intensiv bewässert und das Gras mit riesigen Maschinen für die Mastbetriebe geerntet, die uns – von der Grösse her – mehrmals die Sprache verschlug. Lange glaubten wir, dass hier die Kühe bis zum letzten Tag ihres Lebens glücklich auf der Wiese verbringen können. Zwei bis drei Monate kommen sie aber in einen sogenannten „Feedlots“, wo sie auf das richtige Schlachtgewicht gefüttert werden. Auch die Hühnerfarmen sind in der Grösse kaum zu überbieten und bei einem Mastbetrieb besteht für die Anlieferung des Futters ein eigener Bahnanschluss.

Nach so viel intensiver Landwirtschaft bogen wir erneut ab, stiegen über den Cunningham-Pass in die weite Ebene des Butler-Valley, wo einst die amerikanische Armee den Wüstenkrieg gegen Rommel übte. Heute fahren keine Panzer mehr umher und das Gebiet gilt bei den Einheimischen als Geheimtipp für motorisierten Freizeitspass. Auch wir genossen die vielen Kilometer durch die ausgetrockneten Washs (Flussbette) und folgten über Anhöhen und tiefe Täler dem Colorado entgegen.

Unzählige geschlossene Minen machen darauf aufmerksam, dass hier noch vor nicht allzu langer Zeit viel los war, wo sich heute ein grosses Wildlife-Reservat kurz vor dem Lake Havasu befindet. Leider nahm unsere Fahrt durch die ausgetrocknete Schlucht ihr abruptes Ende: Ein Stück Weg wurde weggespült und das aufgestaute Wasser verunmöglicht jegliche Durchfahrt. Der Rückweg und anschliessende Umweg war entsprechend lang und erst spätabends konnten wir oberhalb des Colorados unser Camp einrichten.

In Lake Havasu City, wo ganze Heerscharen von Sonnenanbeter sich nach Bräune sehnen, suchten wir trotz der hierher Importierten London-Bridge, bald einmal wieder die Einsamkeit des wilden Westen. Bis zur legendären Route 66 waren es nur noch wenige Kilometer, wo die Strasse oberhalb des Colorados genüsslich entlang der Bergflanken hinauf zum Minenort Oatman führt. Der Goldabbau wurde infolge des zweiten Weltkriegs eingestellt, die Arbeitsesel in die Freiheit entlassen. Der Ort ging in einen Dornröschenschlaf, bis die Bretterbuden für den Tourismus aus dem Tiefschlaf geholt wurden. Heute geht es vermutlich gleich geschäftstüchtig zu und her wie anno dazumal, und nebst den nachgestellten Schiessereien auf der Strasse sind die Nachkommen der Arbeitsesel unter staatlichem Schutz.

Irgendeinmal erreichten wir den Wüstenort Kingman, wo seit dem zweiten Weltkrieg Flugzeuge auf ihre Weiterverwendung oder Verschrottung warten. Selbst heute stehen noch hunderte Flugzeuge – klein und gross – auf dem Flugplatz und machen teilweise einen erbärmlichen Eindruck, was sicher manchem Flugbegeisterten das Herz bricht.

An einem schönen aber kalten Tag im Oktober des vergangen Jahres trafen wir auf dem Skyline-Drive in den Appalachen (Virginia) Ed, der mit seinem Tourenrad unterwegs war und uns spontan zu sich nach Hause nach Flagstaff/Arizona einlud. Wir nahmen diese Einladung auch gerne an.
Zu unserer Überraschung – wir wurden tatsächlich in Flagstaff erwartet und herzlich willkommen geheissen, so als wären wir alte Freunde, die sich seit Jahren nicht mehr gesehen hätten.

Die Zeit bei Ed war leider etwas kurz, doch sehr intensiv und wir profitierten von einer riesigen Informationsflut. Selbstverständlich durfte eine Mountainbiketour ins Hinterland ausserhalb von Flagstaff nicht fehlen und als Gastfahrer fühlte ich mich gleich vom ersten Moment an pudelwohl in der amerikanischen Bikergruppe.

Bei der anschliessenden kleinen Reparatur in Ed’s Garage gesellte sich bald der Nachbar Craig dazu, und mit gemeinsamen Wissen ging es rasch vorwärts, als würden wir täglich zusammen arbeiten.

Überhaupt; sitz man bei irgendjemanden in der Stube, gesellen sich bald die Nachbarn zu einem kurzen Besuch dazu und wollen Einiges in Erfahrung bringen, aber auch tolle Tipps durften wir auf diesem Weg für unsere Weiterreise mitnehmen.

Bereits zählen wir unsere Tage in den USA rückwärts und es sind nur noch wenige Tage, die wir hier im Süden geniessen können. Ed gab uns noch viele tolle Ideen mit auf den Weg in Richtung Grand Canyon.

Kurz nach Flagstaff folgten bereits die ersten nationalen Monumente, wo es um die vulkanische Tätigkeit, aber auch um die amerikanischen Urbevölkerung geht, gefolgt von weitem Ranchland nördlich um die San Francisco-Peaks herum, bevor es dem Grand Canyon entgegen ging. Den schnellen Verkehr auf dem Highway zu den Canyons verliessen wir bald wieder, folgten dem ersten Geheimtipp durch den Kaibab Nat.-Forest. Es war noch tiefster Winter in diesem Wald. Nur das wärmende Feuer machte die folgende Nacht zum Erlebnis unter Koyoten und den vielen Sternen.

Das Erreichten der Grand Canyon und der gleichnamig Ort erlebten wir fast wie ein kleiner Kulturschock; überall viele Leute, überall touristische Angebote und die Dollar flossen zügig aus dem Geldbeutel.

Doch das Canyon übertrumpfe alles und wir waren, trotz der vielen Leute, vom Gesehenen total überwältigt. Was hier die Natur in Millionen von Jahren erschuf, ist extrem schwierig in wenigen Worten zu beschreiben; es war einfach grandios was wir da in allen Ecken und Schluchten erblicken konnten! Es ging von einem Aussichtspunkt zum nächsten und der Fotoapparat konnte kaum all die vielen Mega-Pixel richtig speichern, schon wurde wieder auf den Auslöser gedrückt.

Die Little-Colorado-River-Gorge, die sich bereits im Navajo Reservat befindet, war der krönende Abschluss, was Flüsse im Verlauf von vielen Jahren alles so hinzaubern können.

Im Vierländereck Arizona-New Mexico-Colorado-Utah, wo sich heute ein riesiges Indianerreservat von mehreren Stämme erstreckt, liegt das Monument Valley, das wir noch unbedingt besuchen wollten. Als kleiner Junge war ich schon immer von den Western und der Malboro-Werbung mit diesem Hintergrund fasziniert. Wenn man plötzlich selbst um diese Felstürme herum fährt, da kommt man sich vor wie John Wayne, der irgendwelche Bösewichte durch die Prärie jagt. Ein Ausritt mit dem Pferd wurde aus Zeit- und Wettergründen bald aus den Gedanken verbannt. Eigentlich würden wir gerne auch die heimische indianische Bevölkerung bei ihren Tätigkeiten unterstützen, doch ihre Preise sprengen bei uns das Vorstellbare.

Von den Monument-Valley ging es in südöstlicher Richtung New Mexico und wieder der Route 66 entgegen. Wir durchquerten beinahe das gesamte Gebiet der Navajo Tribes und konnten so die hohen und schneebedeckten Berge von Colorado umfahren.

Das Canyon-de-Chelly, wo noch heute nach uralter Tradition die Felder unten im Canyon bebaut werden, eh sich die Leute für die übrige Zeit aus dem Canyon aufs Hochplateau zurückziehen, war einer der letzten grossen Highlights, bevor wir über die Staatsgrenze nach New Mexico fuhren. Als weisser Tourist darf man nur über den Rand in das tiefe und teils sehr weite Canyon blicken. Der Besuch im tiefliegenden Canyon mit seinen vielen Felszeichnungen ist nur mit Führer gestattet und teils auch untersagt.

Die hohen Berge der Rockys umfuhren wir zwar weiträumig, doch auch hier erreichten wir noch einmal 2500m Höhe und wurden in winterliche Verhältnisse zurück katapultiert. Zu unserer Überraschung begegneten wir einen Navajo-Sheriff, der nach irgendwelchen verlorenen Touristen im weiten Wald suchte. Wenig später fanden wir sie; das Auto war von der Strasse abgerutscht. In einer einstündigen Schlammschlacht brachten wir ihr Auto wieder zurück auf den Weg und erlösten das ältere Ehepaar aus ihrer misslichen Lage und einer möglichen kalten Nacht in der Wildnis auf unbequemen Autositzen.

 

Mit einem komplett von Erde verschmierten Auto erreichten wir wieder die Zivilisation und eine Waschanlage, wo Auto, Kleider und Schuhe wieder in den ursprünglich farbigen Zustand gebracht wurden. Regen begleitete uns die letzten Kilometer ins Motel – fürs campen hatten wir keine Lust mehr – und die Wetteraussichten für die nächsten Tage deuteten mehr auf Winter als Frühling hin.

Uff, wie wird dies wohl weiter nördlich aussehen? Doch unsere erste Zeit in den USA läuft langsam aber sicher ab, und wir möchten nicht überziehen.
Die Worte des Grenzbeamten bei unserer Einreise sind immer noch präsent: Vermasselt euer Unternehmen nicht mit einer zu späten Ausreise!