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Nach rund zwei Wochen kreuz und quer durch Schottland kehrten wir zurück nach England. Unser Sohn erwartete uns und auch wir freuten uns nach mehr als 2 Jahren auf ein baldiges Widersehen. Doch bis nach Mittelengland lagen noch unzählige Kilometer durch wunderbare Landschaften vor uns, so dass wir uns erneut etwas Zeit liessen.
Der Hadrian’s Wall, der zur römischen Herrschaftszeit quer durch die englische Insel verlief und die Grenze zwischen der zivilisierten und barbarischen Welt markierte, musste unbedingt besichtigt werden. Eigentlich verrückt, was schon vor 2000 Jahren aufgebaut wurde um sich vor irgendetwas zu schützen, was es vielleicht gar nicht gab.
Selbstverständlich war der Besuch des Lake District, einen der ältesten Naturparks Grossbritanniens, ebenfalls auf unserer Wunschliste. Schon bald verliessen wir die Westküste bei Sellafield, wo halb Europa ihren Atommüll aufarbeiten lässt, und stiegen über unzählige Strässchen hinauf in die Natur. Nicht nur uns, sondern vielen anderen Naturliebhabern erging es gleich; die Landschaft ist umwerfend und einladend für weitere Erkundungen. Wir quälten unseren Jeep über die unzähligen schmalen Strassen, hielten immer wieder kurz inne und genossen die Landschaft von grasbewachsenen Bergen mit tiefen Abgründen und wunderbaren Seen. Den Besuch von Keswick liessen wir aus (wir haben dieses wunderschöne Städchen schon vor 2 Jahren besucht), denn den ganzen Rummel im Zentrum wollten wir nicht und suchten erneut die Stille der Berge.
Wir hatten Glück und durften einen Tag bei Wärme und Sonnenschein erleben. Anderntags setzte bald wieder Regen ein und die Temperaturen sanken empfindlich. Wir fuhren in unserem geheizten Jeep durch die fast unendliche Bergwelt, während die Engländer ihren Rucksack aufschnallten und sich auf den Weg der geplanten Wanderung machten. Es war nicht das erste Mal, dass wir über dieses Verhalten staunten. Wir mit Regenjacke und Schirm ausgerüstet; die Engländer in leichter Bekleidung und einem Lächeln im Gesicht gutgelaunt auf Wanderschaft in stürmischer und nasser Umgebung.
In Richtung Kendal verliessen wir den Lake District, durchfuhren weite Gebiete, wo sich alles um Schaf- und Rinderzucht dreht, bevor wir hinauf die die Hochebenen des Yorkshire National Park fuhren. Das nasskalte Wetter dämpfte zwar die Weitsicht, konnte aber dem ganzen Naturspektakel kaum etwas abringen. Was wir so hinter der schützenden Windschutzscheibe erlebten, mussten wohl die vielen Velotouristen bei Nieselregen und kalter Witterung als extrem empfunden haben.
Manchester umfuhren wir östlich durch den Peak District National Park und waren erneut erstaunt, was für Landschaften hier in unmittelbarer Nähe von Grossstädten liegen. Kaum hatten wir die Hauptverbindungen im Tal verlassen, die die jeweiligen Wirtschaftszentren verbinden, schon standen wir ausserhalb jeglicher Zivilisation in wilder Landschaft. Zwar grasten auch hier an allmöglichen Hängen die Schafe, doch sonst war weit und breit nichts; einfach eindrücklich, dies selbst bei Regen und tief hängenden Nebelfetzen.
Nach dem Zurücklassen der Berge – falls man diesen Erhebungen so benennen darf – erreichten wir die weiten Ebenen von Mittelengland und, die Sonne lachte uns entgegen. Ackerbau und Milchwirtschaft prägen die Landschaft, gefolgt von schmucken kleinen Orten und Kleinstädten, die oft im lokalen Individualverkehr ersticken. Zwar sind auch wir ein Teil dieses Verkehrs, waren aber immer wieder erstaunt, was sich da durch die engen Strassen zwängt. Geparkt wird gleich vor der Haustür, egal ob der Durchgangsverkehr dadurch fast zum Erliegen kommt und zu heiklen Ausweichmanövern führt. Auch waren wir lange der Auffassung, dass die lokalen Verkehrsteilnehmer mit den engen Strassenverhältnissen bestens zurechtkommen würden. Doch Fehlanzeige: Sie fahren mit ihren überbreiten Luxus-Limousinen mitten auf der Strasse und bei Gegenverkehr wird sehr ungerne ausgewichen. Wir erlebten all mögliche und merkwürdige Begegnungen dieser Art!
Irgendeinmal standen wir in Shrewsbury, wo unser Ältester mit seiner Freundin lebt. Zwar fanden wir sein Zuhause erst nach mehreren Versuchen und klingelten an der falschen Haustür, doch das Widersehen nach über zwei Jahren war herzlich und es war schön, nach so langer Zeit sich gegenseitig wieder einmal in die leuchtenden Augen zu blicken.
Rückblickend verging diese Zeit viel zu schnell und wir hätten noch vieles gegenseitig austauschen können. Wir erlebten auch eine englische Stadt auf eine andere Art, durften hinter Kulissen blicken, die nur die Einheimischen kennen und lernten auch sehr nette Menschen kennen, denen wir wahrscheinlich nie begegnet wären. Auch übten wir uns im englischen Nationalsport Golf und waren überrascht, dass es doch nicht so einfach ist, den kleinen Ball über 250 Meter zielgerichtet ins richtige Feld zu katapultieren. Bis zur Weltspitze bedarf es jedenfalls noch weiteren Trainings. 😉
Nach ein paar Tagen – es war nicht ganz einfach – mussten wir wieder Abschied nehmen und unseren Weg fortsetzen. Wir wären zwar noch gerne geblieben, doch irgendeinmal würde es doch kommen; der Abschied und die Weiterfahrt. Die ersten Stunden nach unserem Aufbruch war im Auto eine ruhige und fast andächtige Stimmung. Unsere Gespräche beschränkten sich nur auf das Wesentliche und beinahe ging die wunderbaren Dörfer und Landschaften, die an unserer Windschutzscheibe vorbei zogen, in der Bedeutungslosigkeit verloren. Für Chantal war es klar: Sie wollte bald wieder nach England um Sohn, Freundin und deren Familie zu besuchen….
Wales stand noch auf unserer Wunschliste und mit vielen Insidertipps aus Shrewsbury machten wir uns auf den Weg in den westlichen Teil der britischen Insel.
Der Kontrast zu Mittelengland hätte nicht grösser sein können. Die Küstenabschnitte sind wunderbar, das fast menschenleere Hinterland mit den weiten Flächen, oder die vielen bäuerlichen Betriebe machten die ganze Erkundung zu einem reinen Augenschmaus. Bei den Kleinstädten entlang der Küste walteten wir erneut mit Vorsicht; für uns hatte es in den Gassen und Trottoirs, Shops und touristischen Hotspots einfach ein zu grosses Gedränge. Eigentlich schade; „Fish and Chips“ in einem Pup mit einem lokalen Bier wäre sicher ein weiteres Highlight gewesen.
In Wales wurden wir vermehrt von frischen bis kühlen Wetter begleitet. Regen gab es immer wieder und der Herbst machte sich mit verschiedenen Anzeichen bereits bemerkbar. Teilweise waren die Blätter schon welk und der morgendliche Tau auf den Wiesen waren Anzeichen dafür, dass wir wieder etwas südlicher reisen sollten. Während die Gänse bereits am Himmel herum kreisten und sich sammelten, planten wir an unserer Weiterreise ins Winterquartier. Das Ziel wäre eigentlich klar und falls uns „Corona“ nicht wieder eine kurzfristige Änderung aufzwingen wird, sollte es klappen. Doch der Weg bis dorthin wird noch lange sein und wir mussten uns vorerst durch den südlichen Teil von Wales und Südengland an den nächsten Fährhafen quälen. Ja, richtig gelesen, es war eher ein mühsames Fahren durch diese Gegend und Ausweichmöglichkeiten gab es in den südlichen Teilen eher weniger. Teilweise mussten wir um tiefe Flussmündungen einen weiten Umweg fahren und die Nebenstrassen endeten oft im „Nirgendswo“. Auch war die Fahrt durch den stark besiedelten Raum sehr anstrengend und der Verkehr erstickte sich des Öfteren selbst.
Ja, selbst unsere etwas ungewöhnliche Idee, an einem Sonntag die „Stonehenge“ zu besuchen war schon etwas merkwürdig und etwas unvorbereitet steuerte wir diesem Wunder entgegen. Nach zähfliessender Anreise und dem Stau vor dem Parkfeld drehten wir schnell wieder um. Diese glorreiche Idee musste wohl halb England gehabt haben und machte sich auf den Weg dorthin. Ob wir die Steine zu Gesicht bekommen hätten war bei diesem Grossaufmarsch an Menschen ebenfalls sehr fraglich.
In Portsmouth erreichten wir den Abfahrtsort, wo bald unsere Fähre ablegen wird und erlaubte uns noch einen ruhigen Ausklang unserer Zeit auf der britischen Insel. In der Stadt und am Strand war einiges los und die Menschen genossen den warmen Tag mit viel Sonnenschein. Auch sie wollten noch einmal Wärme auftanken, vergassen aber vermutlich die unheimlichen kleinen Käfer, die nicht nur uns das Leben zurzeit etwas beschwerlich machten. Zwar waren alle möglichen Plätze, wo wir unsere letzte Nacht hätten verbringen können, geschlossen. Dafür gab es überall viel „Ramba-Zamba“, und für „Brot und Spiele“ war ausreichend gesorgt.
So verbrachten wir unsere letzte Nacht auf dem Parkplatz des Fährhafen, wo uns der nächtliche Verladelärm wenig Schlaf gönnte und in aller Herrgottsfrüh die ersten schweren Lastwagen an unserem „RuGa-li“ vorbei donnerten. Nach einem ausgedehnten Sicherheits-Check, bei einer Fährüberfahrt erlebten wir es auf diese Gründlichkeit noch nie, legte die Fähre vorzeitig ab und stach hinaus in den englischen Kanal. Und, sogar die englischen Reisenden trugen auf diesem Schiff Schutzmasken und hielten sich an entsprechende „Sozialdistanzen“. Das abgegebene Merkblatt und der Verweis auf französisches Recht waren wohl eindrücklicher als die Appelle der eigenen Regierung.
Wir sind gespannt, was wir noch alles erleben werden und ob wir unser Winterquartier in Nordafrika (Marokko) erreichen werden, bzw. können.