…zurück in Europa

>Bilder ganz unten!

Bulgarien und nördliches Griechenland; ein kleiner Reisekrimi
Gespannt rollten wir dem bulgarischen Grenzzaun entgegen. Die Spannung unsererseits war riesig und eine mögliche Einreiseverweigerung infolge des Corona-Virus hätte für uns zu einem riesigen Fiasko geführt. Der erste Grenzbaum öffnete sich und schon standen wir vor einer schachtelartigen Durchfahrt. Aus einem Häuschen winkte uns ein Mann in Schutzanzug entgegen. Wir streckten ihm unsere Pässe entgegen, doch er wollte nur 3 Euro für die Durchfahrt durch die Desinfektionsanlage, die mehr einer lächerlichen und selbstgebastelten Anlage erinnerte als einer effektiven Desinfektionsanlage; vielleicht ein Überbleibsel aus der kommunistischen Ära?

Nach der Fahrzeugdesinfektion standen wir vor einem weiteren Grenzbaum und von weither wurden wir aufgefordert, auszusteigen und zu warten. Nach längerer Zeit erschien ein Mann, komplett in Schutzanzug und Maske, schritt zögernd auf uns zu und hielt uns abwechslungsweise eine Thermopistole an den Kopf. Unsere Körpertemperaturen lagen Gott sei Dank im Toleranzwert und wir wurden aufgefordert zum nächsten Grenzbaum zu fahren. Infolge der aktuellen Lage ging die weitere Einreisekontrolle sehr schnell vorüber und eine Fahrzeuguntersuchung wurde ganz weggelassen. Der letzte Grenzbaum wurde geöffnet und unserer Fahrt zurück nach Europa stand nichts mehr entgegen.

Total entspannt fuhren wir bei wärmenden Sonnenstrahlen durch ausgedehnte Waldlandschaften dem Schwarzen Meer entgegen und wir ahnten in jenem Moment noch nicht, wie ernst die Lage wirklich war. Zu schön waren die Landschaft und die wunderbaren Dörfer, die uns wieder ein Bild der Vertrautheit vermittelten. In Zarewo, einer kleinen Hafenstadt am Schwarzen Meer erfolgte die erste Ernüchterung; fast menschenleere Strassen und die wenigen Menschen, denen wir begegneten, trugen Mundschutz und Handschuhe. Was ist hier geschehen?

Die folgende Nacht verbrachten wir in einem angrenzenden Wald und diskutierten am Campfeuer unser weiteres Vorgehen. Mit vielen offenen Fragen verzogen wir uns bald unter die schützende Bettdecke, suchten im Internet nach weiteren Informationen und stellten uns auch die Frage, was wir in den letzten beiden Monaten in der Türkei verpasst haben; die ganze Corona-Geschichte war dort, bis auf die letzten Tagen, wie von einem anderen Planet.

Nach einer Frostnacht sprudelte bald der Kaffee in der Espressokanne und hauchte uns die nötigen Lebensgeister wieder ein. Die Diskussion um das weitere Vorgehen war relativ kurz und die Einigkeit hätte nicht schneller kommen können: So schnell wie möglich nach Griechenland, bevor es zu spät ist. Vermutlich wird dort das Ausharren und Abwarten etwas angenehmer sein als hier in Bulgarien oder einem anderen osteuropäischen Land, wo teilweise noch Schnee lag und winterliche Temperaturen herrschten. Von den spärlichen Informationen, die teilweise auch widersprüchlich waren, konnten wir unter anderem entnehmen, dass die Länder um die Schweiz bereits von totalen Reisesperren betroffen waren. Auch bei diesen Informationen fanden wir viele Widersprüchlichkeiten und Falschinformationen. Teilweise wurde geschrieben, dass man noch zum Heimatland durchreisen könne, andererseits wurde aber auch kein Transitkorridor aufgezeigt.

Wir drehten wieder nach Westen ab, durchfuhren auf einer der südlichsten Strassen wunderbare Landschaften und Kleinstädte, genossen den Sonnenschein und die frühlingshafte Wärme. In einer Kleinstadt besorgten wir noch die nötigen Lebensmittel, so dass wir erneut ein paar Tage unsere Autonomie geniessen konnten und nirgends in allzu grossen Einkaufsstress kämen. Auffallend war aber auch hier: Überall Sicherheitsleute mit Schutzausrüstung und es wurden auch für die Kunden entsprechende Hilfsmittel zur Verfügung gestellt. Die Eintritte in die Geschäfte wurden kontrolliert und wir waren erstaunt, wie ruhig und diszipliniert die Leute mit dieser Situation umgingen.

Eigentlich wollten wir noch eine weitere Nacht hier in Bulgarien verbringen und waren bereits auf der Ausschau nach einem entsprechenden Platz, wo wir die Nacht hätten verbringen können. Doch irgendetwas liess mir keine Ruhe und der Drang, die griechische Grenze noch heute zu passieren, wurde immer grösser. Chantal war bald von meinem Vorhaben überzeugt, noch ein paar Kilometer weiter zu fahren und schon steuerten wir dem griechischen Grenzposten mitten in den Bergen an.

Mehrmals fragte uns der Zollbeamte, ob wir tatsächlich nach Griechenland einreisen möchten, da ab Mitternacht die Grenze für Ausländer geschlossen sei, d.h. auch, dass wir auf dem Landweg nicht mehr ausreisen könnten. Er machte uns auch darauf aufmerksam, dass wir eventuell länger in Griechenland bleiben müssen, da der Corona-Virus auch in den politischen Entscheidungen sehr dynamisch sein könnte. In diesem Moment hatten wir keine allzu grosse Wahl; in den Süden an die Wärme oder auf eine Fahrt Mitteleuropa entgegen, wo ebenfalls niemand sagen konnte, ob es überhaupt noch möglich sei die Schweiz durchzukommen. Und irgendwo im Schnee und Kälte zu stecken…..
Wir entschieden uns für Griechenland!

Sehr entspannt steuerten wir vom Gebirge hinunter dem Mittelmehr entgegen. Wir waren in diesem Moment überglücklich und froh, dass wir es bis hierher geschafft haben. Hier in Griechenland hofften wir, dass es vorerst keine allzu grossen Einschränkungen geben würde und wir einen Platz im Süden mit mehr Wärme aufsuchen können.

Eine Tankwartin in Komotini erzählte uns, dass in Alexandroupoli eine Person mit dem Corona-Virus im Spital läge und die Schulen, Restaurants und andere, nicht lebensnotwendigen Einrichtungen in ganz Griechenlang geschlossen wären. Doch zu unserer Beruhigung meinte sie noch ganz trocken, dass die Tankstellen weiterhin geöffnet blieben. Chantal und ich schauten uns tief in die Augen: Haben wir doch die falsche Richtung gewählt?

Auffallend für uns waren die ruhigen Verhältnisse in den Dörfern und Kleinstädten. Erst jetzt fiel uns auf, dass die sonst sehr geselligen Griechen sich gegenseitig aus dem Weg gingen, Plätze und Parkanlagen waren fast alle verwaist. Die geschlossenen Restaurants und Kaffees fielen uns zuerst nicht einmal auf, da an der Südküste von Makedonien die Saison noch nicht angefangen hat.

Wir folgten der Südküste von Makedonien, wählten immer wieder kleine Nebenstrassen durch die Dörfer, fuhren wieder eine Nebenstrasse hoch in die Berge und schauten von weit oben in die Schlucht des Nestos-Stroms. Parallel zur Küstenebene folgten wir dem Hinterland weiter durch die Berge und überquerten einsame Übergänge hoch über den tieferliegenden Küstenstädten. Für uns war die Welt hier oben in Ordnung und alle Probleme noch in weiter Ferne.

Bevor wir zur Chalkidiki-Halbinsel abbogen, die von oben einer Hand mit drei Fingern gleicht, deckten wir uns mit dem Nötigsten ein. Doch, auch in Griechenland hatte sich einiges verändert und viele Geschäfte waren nicht mehr geöffnet. Für Lebensmitteln war es noch kein Problem, doch unsere leere Gasflasche sollte auch eine Füllung erhalten und hier waren die Geschäftstüren bereits geschlossen. Um Gas zu sparen, kochten wir weiterhin auf offenem Feuer und erfreuten uns immer wieder an der Lagerromantik.

Den östlichen Finger mit der Mönchsrepublik Áthos, wo es scheinbar keine weiblichen Wesen, auch tierische, geben soll, lag bereits hinter uns, als wir Sonntagabend vernahmen, dass ab nächsten Morgen landesweit eine Hausquarantäne angeordnet wurde und Autofahrten nur noch mit Bewilligung durchgeführt werden durften.

So buchten wir übers Internet eine Ferienwohnung und fuhren ohne die erforderliche Bewilligung (wir konnten sie im Handy nicht runterladen) von unserem Waldcamp zur nächsten Ortschaft. Der Tankwart war äusserst zuvorkommend und rief für uns bei der Vermieterin an, ob unsere Buchung tatsächlich in Ordnung wäre. Es wäre alles in Ordnung und sie würde auf uns warten. Er gab uns noch weitere Tipps mit auf den Weiterweg, so dass auch wir unsere Hausisolation gut überstehen konnten.

Selbstverständlich mussten wir noch unsere Vorräte für diese Zeit aufstocken und suchten im gleichen Ort das einzig geöffnete Geschäft auf. Wer schlussendlich bei der Polizei anrief und uns „Fremdlinge“ verpfiff, konnten wir nur erahnen, doch wir waren schneller und unser Einkauf war bereits getätigt. Der herbeifahrende Polizist in Zivil war von unserer Anwesenheit gar nicht erfreut und drängte uns, das Dorf so schnell als möglich zu verlassen und nach Hause in die Schweiz zu gehen. Auf die Rückfrage, wie wir dies in dieser Situation noch machen könnten, stieg er in sein Auto ein, drohte uns mit einer Buse von 5‘000 Euro und verschwand so schnell wie er gekommen war.

Bis zum nächsten Dorf, wo wir unsere Unterkunft für zwei Wochen reserviert hatten, wählten wir den direktesten Weg, so dass auch wir so schnell als möglich von der Strasse weg kamen und uns ins zweiwöchige Haus Exil begehen konnten. Doch vor der Unterkunft war alles mit Ketten und schweren Schlössern verschlossen. Ein erneuter Anruf wurde nicht entgegen genommen, dafür kam von der Buchungsplattform die Mitteilung, dass die Reservierung vom Vermieter storniert wurde! Es war wie ein Schlag ins Gesicht; alles ist geschlossen, herumfahren war behördlich strikte und unter hoher Strafe verboten und nun müssen wir – behördlich so angeordnet – auf der Strasse stehen bleiben.

Neben der geplanten Unterkunft sprach ich einen anderen Lokalbesitzer an, ob er uns einen Ratschlag hätte oder gar irgendeine Bleibe für die nächsten zwei Wochen wüsste. Nach unserer Einschätzung hätte er wohl einen Ratschlag gehabt, doch ein kurzes Streitgespräch mit einem dazu gestossenen Mann liess unsere Hoffnung wieder verfliegen. Der Druck aus Athen muss vermutlich extrem stark sein und die Sanktionen ihrerseits müssen bei einer Nichtbefolgung drastisch sein. Sie verwiesen uns nach Poligiros, dem Provinzhauptort, wo es noch ein offenes Hotel geben soll. Mehr wollten oder konnten sie für uns nicht tun. Gleichzeitig wünschten sie, dass wir im Sommer wieder kommen sollten; sie ahnten vermutlich bereits, dass es in diesem Jahr finanziell zu einem Desaster kommen wird und jeder Tourist herzlich Willkommen sein muss.

Der Weg bis in die Provinzhauptstadt wäre über 80 Kilometer und sicher nicht ohne Polizeikontrolle zu fahren gewesen. Und wir; ohne Fahrbewilligung unterwegs, die man nur mit einem griechischen Telefonabonnement herunterladen kann und die Internetseite war zu jenem Moment nicht erreichbar. Und, wieso sollen wir in eine Stadt und uns in ein Hotel mit vielen anderen Menschen auf engstem Raum zurückziehen? Kochen kann man ebenfalls nicht selbst und ist auf andere angewiesen; doch Restaurants sind geschlossen und Hotelzimmer verfügen meist über keine Kochmöglichkeiten.

Wir verliessen die Hauptstrasse, die dem westlichen „Fingerrand“ folgt und wählten die schmalen Erschliessungswege die eine Bucht mit der nächsten verbindet. Zu unserer Überraschung; fast in jeder Bucht standen irgendwelche ausländische Fahrzeuge, Camper oder ausgebaute Vans mit Reisenden. Wir sind wohl nicht die Einzigen, die hier an der Kassandras-See gestrandet sind. Unser Entschluss, an einer solchen Bucht auszuharren und nicht in einem kleinen Hotelzimmer, war schnell gefasst. Vielleicht riskieren wir eine Buse oder Platzverweis, doch die Hoffnung, dass nichts passieren wird war grösser als die Angst vor irgendwelchen Repressalien.

Der Zufall wollte es, dass wir eine Bucht fanden, in der bereits zwei deutsche Fahrzeuge standen, bei der nahen Kapelle ein Brunnen zur Verfügung stand und uns somit ein längeres Bleiben ermöglichen konnte.

Wir richteten uns für die erste Nacht auf der Sanddüne ein, stellten unser eigens für längere Aufenthalte mitgenommenes Zelt auf und verbrachten so die erste stürmische Nacht in der Selbstisolation.
In zwei Wochen soll ja alles vorbei sein; so unsere Information. Hoffentlich!