>Bilder ganz unten!
…wieder in Mexiko
Eigentlich war der Entscheid goldrichtig; nach Osten ausweichen, während der Westen in Regen und Schlamm versank. Trotz des unruhigen Gefühls, dass uns an der Grenze irgendetwas zu wenig ausgehändigt wurde, durchstreiften wir die Weiten des Colorado-Deltas, wo einerseits intensiv Gemüse angebaut oder das Ganze der Natur überlassen wird. Noch an gleichen Tag erreichten wir an einem Nebenarm des Colorado-River einen kleinen Campingplatz, der von Don, einem Aussteiger aus Amerika, betrieben wird. Don klärte uns über den „grünen Bereich“ von Mexiko auf, erklärte uns auch das System des Zolls und der Grenzzone entlang der US-mexikanischen Grenze. So konnten wir gelassen den Abend geniessen und waren froh, dass alles reibungslos klappte.
Da an der Westküste der Baja weiterhin starke Regenfälle angesagt waren, entschlossen wir uns, vorerst auf der Ostseite zu bleiben und erst bei der Rückfahrt die Westseite nordwärts zu fahren. Das Übersetzen auf das Festland von Mexiko hatten wir bald aus unserer Planung gestrichen; viel zu aufwändig für nur wenige Tage. Und, die Baja California kann – als längste Halbinsel der Welt – sehr viel für Reisende bieten, so dass ein Übersetzen aufs mexikanische Festland kaum notwendig war.
Bis San Felipe fanden wir es in der weitläufigen Deltaebene des Colorado-Rivers eher langweilig. Abgesehen von der westlich liegenden Bergkette war es wirklich nicht aufregend. San Felipe; tja, eine mexikanische Kleinstadt am Golf de California, wo alles irgendwie chaotisch war. Die Uferpromenade mit den unzähligen Restaurants zeigte einen relativ ordentlichen Eindruck, doch gleich dahinter begann das typische Durcheinander der mexikanischen Siedlungsräume. Wir deckten uns für die nächsten Tage mit Lebensmittel ein, so dass wir sicher bis zum nächst grösseren Ort kommen können und rechneten die Distanz bis zur nächsten Tankstelle aus.
Etwas sorglos setzten wir unsere Fahrt in südlicher Richtung fort und genossen die schöne Küstenlandschaft wie auch die wunderbaren Campingmöglichkeiten in der Nähe des Meeres. Zwischenzeitlich bewegte sich die Tankuhr in Richtung „¼“ und die ersehnte Tankstelle lag bald vor uns. Doch welch böse Überraschung: Weder Benzin noch Diesel war erhältlich! Die Lieferung des begehrten Safts sollte am nächsten Tag eintreffen, doch sicher war es nicht. Bis zur nächsten Tankstelle waren es in südlicher Richtung rund 250 Km oder zurück nach San Felipe, das in ca. 150 Km Entfernung lag. Wir füllten unseren Reservekanister in den Tank, der unsere Reise um rund 150 Km erweiterte und kehrten nach San Felipe zurück. Die Tankmöglichkeit in südlicher Richtung lag nicht auf unserer geplanten Wunschroute.
Mit vollem Tank kehrten wir zurück und konnten unseren Traumweg der östlichen Küste weiter folgen. Noch vor Bahía de los Angeles kraxelten wir über einen unmöglichen Weg zur Misión San Borja, die wirklich in einer absolut einsamen Gegend liegt und nur von sehr wenigen Reisenden aufgesucht wird. Dafür wird man von Besitzer persönlich durch die Kirche und deren Nebengebäude geführt, eh wir wieder über den Weg, der nur für 4×4-Fahrzeuge mit erhöhter Bodenfreiheit fahrbar ist, zurück zur geteerten Strasse fuhren.
Ab Bahía de los Angeles folgten wir weiter der Küste und kämpften uns durch sandige Flächen, Steinwüsten und ausgewaschenen Wegabschnitten. Bis Puerto San Francisquito war es eigentlich noch richtig angenehm. Doch später folgten Wegabschnitte durch die Sierra de San Borja, die fast „grenzwertig“ waren und wir uns glücklich schätzten, dass alles klappte. Ein Abrutschen in den Steilpassagen wäre wohl das Übelste gewesen; fernab jeglicher Kommunikationsmöglichkeit noch anderer Hilfe.
Irgendeinmal, nach vielen Stunden über diese 4×4-Wege erreichten wir die Baja California Sur und bessere Wege, die uns wieder zur Mex1 – die Hauptverbindungsstrasse durch die ganze Baja, die hier ziemlich in der Mitte der Halbinsel verläuft – führte. Hier konnten wir wieder unsere Vorräte ergänzen; nebst unserer Nahrung lechzte auch unser fahrbarer Untersatz nach etwas kostbarem Saft (Diesel).
Weit oben und viele Höhenmeter über der Talsohle lockte uns die Sierra San Francisco, wo noch erstaunlich gut erhaltene Felsmalereien zu besichtigen sind. Der Abstecher von der Hauptverbindungsstrasse hinauf in die Berge bescherte uns mit viel Staunen über die uralten Wandzeichnungen, die um die 10‘000 Jahre alt sein sollen. Der Führer erklärte uns auch die verschiedenen Motive und wie die Menschen einst hier gelebt haben könnten. Eigentlich wahnsinnig; 10‘000 Jahre! Halten unsere Kunstwerke auch eine so lange Zeit?
Den nächsten Stopp legten wir in San Ignacio ein, einer wunderbare Kleinstadt, wo wirklich alles fein säuberlich gepflegt wird. Selbst der Campingplatz war wunderschön und für wenige Pesos durften wir einen wunderbaren Stellplatz unter Palmen belegen. Ja, auch die Mexikaner könnten es anders machen und wunderbare Oasen hinzaubern. 🙂
Ab San Ignacio gab es nicht viele andere Möglichkeiten als auf der Mex1 zu fahren und so folgten wir schön brav der schmalen Hauptstrasse, die mit grossen und langen Sattelzügen befahren wird. Jede Kreuzung mit diesen riesigen Monstern war eine spezielle Begegnung; der gegenseitige Fahrtwind und die schmale Strasse löste in mir (Tom) immer gewisse Ängste aus. Die vielen Kreuze entlang der Strasse sprechen hier wohl ihre eigene Geschichte.
Wieder an der Ostküste der Baja erreichten wir bald Santa Rosalía, wo sich nördlich alles um den Kupfer- und Kobaltabbau dreht und die Landschaft entsprechend aussieht. Nebst Unmengen an Abfall entlang der Strasse, wird alles irgendwie in der Landschaft deponiert, in der Hoffnung, dass die riesigen Bulldozer von den Tagbauminen es einmal mit wertlosem Gestein begraben werden. Ein trostloser Anblick in dieser eigentlich wunderbaren Gegend! Dafür machte das alte Zentrum von Santa Rosalía auf uns einen besonders tollen Eindruck, wo die Gebäude in einem besonderen Baustil aus Holz gebaut wurden; ein grosses Kunterbunt an Farben und freudiges Leben der einheimischen Bevölkerung.
Noch ein kurzes Stück folgten wir der Strasse Mex1 in südlicher Richtung, von einer wunderbaren Bucht zur nächsten und entdeckten dort die unzähligen Campingmöglichkeiten, wo die „Snowbirds“ (Amerikaner die mit ihren riesigen Wohnmobilen) den kalten Winter in der Wärme verbringen. Nach der Bahía de Conceptíon hatten wir genug vom Asphaltband und bogen wieder landeinwärts in Richtung San Isidro/San Josde Comondú ab. Dass diese Strecke einiges anspruchsvoller und für unseren Jeep entsprechend härter sein würde, nahmen wir nach dem Verlassen der Mex1 irgendwie an. Wir freuten uns unheimlich auf den ruhigen Weg, fernab der Hauptstrasse. Doch die Freude wurde bald durch Verdruss verdrängt; nebst viel „Wellenblechpiste“ schüttelten grobe Steinpassagen unseren Jeep kräftig durch und das Tempo war entsprechend tief. Bis zur Misión San Javier, die südwestlich von Loreto liegt, benötigten wir ganze 3 Tage. Landschaftlich als auch vom Erlebnis her wohl eine gute Wahl, doch Chantal war glücklich, als wir wieder einen festen Strassenbelag unter den Räder hatten. Auch ich (Tom) war ganz unglücklich, dass die „Rüttelei“ vorerst vorbei war.
Vor der Misión San Javier mussten wir einen kurzen Abstecher hinunter nach Loreto einplanen; unsere Vorräte an Essen waren alle aufgebraucht, auch der Wasser- und Dieseltank wiesen einen sehr tiefen Stand auf. So gab es einen kurzen und unerwarteten Besuch in Loreto, das schon vor den europäischen Siedlern unter der indigenen Bevölkerung ein Kulturzentrum war. Obwohl eine kulturträchtige Stadt am Golf de California, uns gefiel es überhaupt nicht und wir waren froh wieder hinauf in die Berge fahren zu können.
Bevor es zur Misión San Javier weiter ging, durften wir am gleichnamigen Fluss eine wunderbare Nacht verbringen und die x-hundert Kaulquappen begleiteten uns in den Tiefschlaf, der am nächsten Morgen von aufkommenden Touristenverkehr ein schnelles Ende fand. So legten wir, gemeinsam mit den vielen weiteren Reisenden und Touristen, die letzten Kilometer bis zur Misión San Francisco Javier de Viggé-Biaundó zurück und waren vom kleinen aber sehr schönen Dorf, das von den Bergen umgeben ist, sehr überrascht. Unzählige Touristenführer begleiteten die Besucher um und durch die Missionskirche, während Souvenirverkäufer um ihre Gunst warben.
Noch am Vormittag setzten wir unsere Fahrt entlang des Flusslaufs vom San Javier fort und genossen wieder die ruhigere Landschaft durch ein immer breiter werdendes Tal. Die Bergkette der Sierra de la Giganta wurde im Rückspiegel immer kleiner und eine unendlich weite flache Landschaft folgte bis Santo Domingo. Es war am Ende eine monotone Fahrt durch Kleingewächs und Kakteen. Bis zum Meer, bzw. der Lagune von Santo Domingo rumpelten wir unzählige Kilometer über Wellenblech und sandigen Wegpassagen. Wir versuchten durch weiteres absenken des Reifendruckes die Fahrt so angenehm wie nur möglich zu gestalten, doch unser Auto und wir wurden trotz all den Massnahmen komplett durchvibriert.
Die Tour hinaus zu den Walen in Puerto Adolfo López Mateos liessen wir aus, da der Wellengang in den kleinen Booten für Chantal’s Rücken keine Wohltat gewesen wäre. Stattdessen deckten wir uns in Ciudad Constitución für die nächsten Tage ein, füllten den Tank randvoll; wir entdeckten eine Nebenstrasse durchs Gebirge zurück an die Ostküste der Baja und waren froh, dem Verkehr auf der Strasse Mex1 erneut den Rücken zukehren zu können.
Bis zum Dorf San Luis Gonzaga mussten wir erneut viel Wellenblech und Rüttelpassagen ertragen als auch eine flache langweilige Landschaft. Staub aufwirbelnd legten wir diese Kilometer möglichst schnell zurück und waren froh, dass es endlich wieder bergauf und bergab ging. Aber auch der Gebirgszug der Sierra de la Giganta zeigte immer mehr seine Konturen. Fast unbemerkt stieg es hinauf, begleitet von Tälern und Übergängen. Nach El Ciruelo wurden diese Täler immer enger und steile Wegpassagen führten uns immer weiter hinauf. Die gewählte Strasse, oder soll ich sagen Weg, entpuppte sich als Volltreffer. Je mehr wir in diese Sierra de la Giganta hinein fuhren, desto aufregender wurden die tiefen Täler und Schluchten. Der Weg führte uns über unzählige Höhenzüge, steile Auf- als Abfahrten und entlang von senkrechten Felswänden.
Wir waren sehr über den Wasserreichtum in diesen abgelegenen Tälern als auch über die dichte Besiedelung überrascht, was unsererseits das abendliche Camp erschwerte. Als das Quellgebiet des Flusses Caracol hinter uns lag, wo das nötige Wasser für einen Bauernbetrieb nicht mehr zur Verfügung steht, folgte wieder eine menschenleere Gebirgswelt.
Auf einem Übergang, der nur wenige Kilometer von der Ostküste lag, stoppten wir für eine Nacht in einer frischen Bergwelt und waren froh, dass genügend Holz fürs abendliche Feuer vorhanden war. Trotz der Frische; der Platz war exklusiv und der aufgehende Vollmond ein ganz spezieller Moment, wo sonst nur die Coyoten umherstreifen.
La Paz lag noch rund 100 Kilometer vor uns, aber sehr zeitaufwendig. Der Weg entlang der Bahía de Coyote schlängelte sich zwischen Küste und über Gebirgsausläufer, durch atemberaubende Schluchten und extrem steilen Wegabschnitten. In San Juan de la Costa war dann die ruhige Beschaulichkeit vorbei; eine Tagbaumine schleuderte uns aus der Traumwelt zurück in die Gegenwart. Riesige Lastwagen karrten Gesteinsmassen zum Meer, wo diese mit Schiffen abtransportiert wurden. Staub und Lärm gehörten ebenfalls dazu. Dafür gab es eine breit ausgebaute Strasse in Richtung La Paz.
Kaum auf dem Teerband unterwegs, schon standen in den Buchten und Strandabschnitten die vielen Wohnmobile und die dröhnenden ATVs röhrten der Küstenstrasse und den sandigen Strandabschnitten entlang. Tja, willkommen in der Neuzeit und den vielen Varianten des Vergnügens und der Freiheit. Auch wir stoppten an einem Strand, wo schon unzählige Wohnmobile ihr Nachtlager eingerichtet hatten. Nebst den ausländischen Weltenbummler gesellten sich an diesem Wochenende viele Mexikaner hinzu, die aus dem nahen La Paz flüchteten und einen frischen Abend am Meer verbringen wollten. Im Gegensatz zu den Wohnmobilisten ging es bei den lokalen Leuten etwas lärmiger zu und her und die Musikboxen sorgten für weitere Beschallung. Doch, erstaunlicherweise, nach dem Einbruch der Nacht leerte sich der Strand relativ schnell und es folgte eine sehr ruhige Nacht mit Meeresrauschen statt Rhythmen aus der Musikbox.
Sonntags stand die Fahrt nach La Paz in unserer Planung und war entsprechend kurz. Dies verleitete uns noch zu einer Fahrt hinaus auf die vorgelagerte Halbinsel, in der Hoffnung, dass wir einen Blick auf diese Stadt von der Meerseite aus haben könnten. Doch ganz draussen, nach unzähligen Kilometer war Ende der Fahrt; ein grosser Zaun mit Stacheldraht und Wachpersonal wies uns zurück, da das Gelände nur für Gäste des Ferienresort gedacht ist und kein Publikumsverkehr erwünscht wird.
Etwas ernüchternd holperten wir zurück zur befestigten Strasse, konnten – als Ausgleich der Enttäuschung – eine mexikanische Familie aus ihrer misslichen Lage befreien. Der Fahrer dachte, dass er mit seiner Honda-Limousine auch durch Sand und Schotter fahren könne und blieb mit der ganzen Fuhre in einem tiefen Sandloch stecken. Da war der Jeep das richtige Werkzeug und – ruck zuck – konnte die Familie den Sonntagsausflug fortsetzten.
Nun ging es definitiv nach La Paz, wo entsprechend gute Versorgungsmöglichkeiten vorhanden sind. Selbstverständlich gehörte auch das Flanieren an der Strandpromenade dazu, wo sich an diesem herrlichen Sonntag viele Menschen hin und her bewegten. Auch wir gesellten uns dazu und bevor es weiter zum südlichsten Punkt der Baja ging, gönnten wir uns einen kurzen Stopp unter Mexikanern.
Weiter unten soll angeblich alles sehr amerikanisch sein; wir sind gespannt, ob es wirklich so sein wird.
Chantal und Tom/Ende Februar 2024