Auf nach Kalifornien

>Bilder ganz unten!

…der Weg ist bekanntlich das Ziel der Reise

Unser Jeep war wieder voll bepackt, die letzten Reparaturen erledigt und schon steuerten wir nordwärts aus Flagstaff heraus. Da wir zeitlich relativ spät losfuhren, suchten wir südlich vom Sunset Crater – ein nationales Monument – auf einer Spielwiese für grosse Jungs eine Bleibe für die folgende Nacht. In diesen weiten Flächen dürfen sich alle Offroader, ATV- und OHV-Fahrer im Vulkansand legal austoben. Verrückt diese Amis! Auch wir genossen am Folgetag die Fahrt um verschiedene Vulkankegel herum und erreichten bald das Navajo- und Hobi-Indianerreservat.

Ob wir legal oder illegal im Indianerreservat unterwegs waren, wussten und wissen wir immer noch nicht so richtig. An gewissen Strassen stehen Schilder, die den Nutzer auf eine Bewilligung aufmerksam machen, bei anderen Wegen war nichts zu finden. Doch wir wollten quer durch das riesige Reservat hindurch zum Monument Valley, welches im Besitz des Navajo-Stamm ist.

Obwohl wir bereits vor 4 Jahren um die unzähligen Türme des Monuments Valley gefahren sind, war es erneut ein wunderbares Erlebnis. Damals erlebten wir es im Winter, jetzt befanden wir uns in der Frühsommerzeit und die zu jener Zeit braunen Pflanzen blühten nun mehrheitlich. Dass zu dieser Jahreszeit – kurz vor dem grossen Ferienbeginn der Amerikaner – einiges los war und sich die Fahrzeuge im Staubabstand folgten, mussten wir entsprechend akzeptieren.

Nach dem Monument Valley durchstreiften wir weiter das Indianerreservat und pendelten so zwischen Arizona, Utah, New Mexico und Colorado hin und her. In Colorado selbst besuchten wir Monumente, wo die Urbevölkerung richtige Steinhäuser gebaut hatten und mich gleich ans Mittelalter erinnerten. Zeitlich sind sowohl die europäischen Burgen als auch die Steinhäuser der indigenen Bevölkerung Nordamerikas etwa identisch. Schon vorgängig besuchten wir diverse Orte, wo die Ureinwohner in Steinhäusern lebten und unsere Vorstellung der wilden Urbevölkerung mit ihren Tipis etwas in Frage stellte.

Der Südwesten von Colorado ist, nebst den Indianerreservaten, über weite Gebiete als National Forest ausgewiesen und erlaubte uns grosse Bewegungsmöglichkeiten fernab der gut ausbebauten Strassen. Eigentlich wollte ich (Tom) mir den Wunsch erfüllen und über den Black Bear Pass mit fast 4‘000 m.ü.M. zu fahren. Doch der viele Schnee des letzten Winters liess diesen Wunsch platzen; die langen Wegtraversen lagen immer noch unter einer dicken Schneeschicht.

Im gleichen Tal versuchten wir es erneut bei einem südlich gelegenen Pass. Den Ohpir-Pass erreichten wir, doch eine grosse Schneewechte hinderte uns an der Weiterfahrt in westlicher Richtung. Ob wir die anschliessende Traverse ohne abzurutschen geschafft hätten, wäre vermutlich mehr Glück als Fahrkönnen gewesen. Chantal entdeckte auf unserer elektronischen Karte noch einen weiteren Übergang, der uns über den Bergrücken ins westlich liegende Tal hätte führen können. Schon kraxelten wir mit unserem Jeep erneut hinauf auf schwindelerregende Höhen, wo selbst zu der warmen Sommerzeit ein kalter Wind um die Ohren blies. Auch dort oben gab es für unsern Jeep kein Weiterkommen; zu viel Schnee lag zwischen Felsabbruch und dem Wald.

Nach einer Woche in den Wäldern und Bergflanken herum irren, gaben wir auf und folgten brav dem Teerband über den Red Mountain Pass ins nächste Tal. Bis nach Ouray wurden wir auch von der amerikanischen Vergangenheit und der Suche nach dem Edelmetall begleitet, wo noch heute viele alte Minen an diese Zeit erinnern. Die Menschen dachten seinerzeit, alles sei irgendwie möglich um das grosse Glück irgendwo im Untergrund zu finden.

Erneut drehten wir ab und folgten der Landstrasse in nordwestlicher Richtung; Moab stand als nächstes Ziel auf unserer Wunschliste. Doch die Berge im Manti-La Sal National Forest – wir waren bereits in Utah – zwang uns erneut für mehrere Rückzüge, da an den nördlichen Abhängen überall viel Schnee lag. Vielleicht verleiteten uns die grünen Wiesen mit den riesigen Rinderherden zu falschen Überlegungen. In wenigen Kehren oberhalb der saftigen Wiesen befanden wir uns bereits wieder auf 3‘000 Meter Höhe, Schnee und Matsch war in Schattenhängen daher keine Seltenheit. Doch rund um Moab muss man nicht unbedingt über die höchsten Erhebungen fahren; auch in tieferen Lagen gibt es einiges, was ein Abenteurer sucht. Auch wir fanden unsere abenteuerlichen Wege durch enge Schluchten und Felstürme hindurch bis hinunter zum Colorado-River.

Moab selbst ist ein wahres Mekka für Outdoor-Enthusiasten und Offroader. Gewollt oder ungewollt; im Zentrum bewegten sich die verrücktesten benzinfressenden Geländewagen, die man sonst nirgends mehr zu Gesicht bekommt. Wir wollten uns für die nächsten Tagen auf einem Club-Campingplatz nieder lassen, da Wäschewaschen, Pflege am Auto und am eigenen Körper anstand. Doch als die Empfangsdame uns den Preis nannte, drehten wir kopfschüttelnd um und verliessen den Platz umgehend. 111 US Dollar wollte sie für einen einfachen Stellplatz pro Nacht haben! Nein, nicht mit uns! Schon waren wir unterwegs hinaus in den nächsten Wald, wo der Stellplatz lächerliche $10 zu Buche schlug und die Körper- und Kleiderwäsche wurde im naheliegenden Bach erledigt.

Westlich von Moab liegt das Bridge-Canyon, wo sich vermutlich die wenigsten Touristen hin verirren. Der Weg hinauf ist steinig und verlangt doch einiges vom Fahrzeug als auch vom Fahrer. So erlebten wir erneut eine wunderbare Nacht in einem einsamen Canyon, wo nur ein paar Coyoten unsere Nachtruhe störten. Die Rückfahrt hinunter zum Colorado-River war erneut ein weiteres Highlight und nur für starke Nerven.

Nach dieser ruhigen Zeit fernab des Touristenstroms war es für uns fast Pflicht, den Arches-Nationalpark zu besuchen. Ungeahnt fuhren wir zum Eintrittstor, wo uns die Kassierin gleich wieder weg wies, da wir keine Reservation vorweisen konnten. Etwas unbeholfen kehrten wir um und suchten einen Hotspot, wo wir uns noch gleich ins laufende Stundenfenster eintrugen und auf die lange Rundfahrt durch den Arche-N.P. fahren konnten. Schon nach den ersten Kilometer war uns klar, warum alle hierher wollen; die Landschaft ist atemberaubend und unsere Kameras waren im Dauerbetrieb. Nach jeder Kurve oder Geländeübergang erfolgte ein neues „Wow“. Die jeweiligen Parkfelder waren überbelegt und alle wollten hinauf zu den jeweiligen Sandsteinbögen. Doch, sobald der Weg mehr als 500 Meter lang war, befand ich mich (Tom) alleine unterwegs und konnte die Landschaft alleine geniessen. Ganz am Ende der ausgebauten Parkstrasse fand Chantal einen anderen Rückweg über eine Schotterstrasse. Dass dieser Weg die Kletterfähigkeiten unseres Jeeps richtig forderte, wussten wir bei der Abzweigung nicht und waren bei den ersten Steigungen im Niemandsland überrascht, doch ich (Tom) hatte bei jeder Steigung und Gefälle meinen Spass.

Nach so viel Touristenrummel hatten wir beide genug vom Anstehen und überhöhten Preisen. Wir liessen Moab hinter uns und steuerten etwas ruhigere Gebiete an. Beim nationalen Monument der Natural Bridges oder den Capitol Reef N.P. konnten wir die einzigartigen Naturwunder fast alleine geniessen. Zwar waren bei den entsprechenden Hotspots die Campingplätze ausgebucht, doch die umliegenden National Forest boten uns immer eine gute Gelegenheit, um einen tollen Übernachtungsplatz zu finden.

Über weite Ebenen, wo Rinderzucht und Milchwirtschaft betrieben wird, erreichten wir die Uinta Mountains und den ultimativen Wintersportort Park City, einer der grössten Skiparks Nordamerikas. Was Skiorte angehen sind wir Schweizer wohl in bester Gesellschaft, doch hier ist einfach alles ein bisschen grösser und wir konnten uns das winterliche Treiben in den Strassen dieses noblen Wintersportorts regelrecht vorstellen.

Salt Lake City, am gleichnamigen Salzsee, konnte uns nicht gross in seinen Bann ziehen; die städtische Hektik war trotz der lokalen Sommerferien für uns zu gross und schon flüchteten wir in westlicher Richtung hinaus in die weite Welt. Wir umfuhren ein grosses militärisches Sperrgebiet und erreichten bald die Grenze zu Nevada, wo in der Ebene von Bonneville (Salzsee) noch heutzutage mit allmöglichen Boliden irgendwelche Rekorde aufgestellt werden.

In Nevada folgten wir der einsamsten Strasse Nordamerikas in westlicher Richtung und waren plötzlich überrascht, dass immer wieder das Schild „Pony Express“ auftauchte. Anscheinend waren wir auf dem Weg der früheren Pioniere unterwegs, die hier durch diese einsame und kahle Landschaft in westlicher Richtung ihrer Zukunft entgegen fuhren. Bei nachträglichen Nachforschungen entdeckten wir ebenfalls, dass wir bereits ab Salt Lake City auf dieser Strecke unterwegs waren, der ebenfalls als wichtiger Kurierweg früherer Boten diente.

Die einzelnen Abschnitte in nördlichen Nevada waren sehr monoton und die Kilometer um Kilometer zogen sich dahin. Nebst der langweiligen Fahrerei stiegen die Tagestemperaturen immer in Richtung 40°C. Um dieser Wärme zu entfliehen, hielten wir bereits nachmittags Ausschau für die nächste Erhebung, wo die abendlichen Temperaturen fürs nächtliche Camp meist angenehmer waren.

Nach dem Goldgräberort Berlin war es bis zur kalifornischen Grenze nicht mehr weit. In Benton erreichten wir endlich den Bundesstaat, der für viele eine Traumdestination ist. Bei der Zollkontrolle – Kalifornien hat in Bezug auf Gemüse, Früchte und Fleisch eine strenge Lebensmittelkontrolle – erklärten wir dem Beamten etwas schüchtern, dass wir unser Nachtessen dabei hätten und dieses nicht gerne wegwerfen möchten. Augenzwinkernd liess er uns gewähren und weiter in den Golden State fahren. Uff, unser Nachtessen war gerettet!

Bei der nächsten Tankstelle wollten wir ein paar Gallonen Diesel in unseren fast leeren Tank füllen. Meine europäische Kreditkarte funktionierte an der Zapfsäule nicht und die Barzahlung wurde von der Verkäuferin abgelehnt; sie hätte jetzt Feierabend und das Computerprogramm sei bereits herunter gefahren. In 51 Meilen gäbe es eine offene Tankstelle! Tja, herzlich willkommen in Kalifornien.

Mit fast leerem Tank setzten wir unsere Fahrt fort, mit der Hoffnung, dass es in Lee Vining auch wirklich Diesel gibt. Die 20 Liter im Reservekanister gaben uns entsprechenden Mut für die Weiterfahrt. Schlussendlich möchten wir so schnell als möglich über die Berge zum Yosemite N.P. und weiter zum Rubicon-Trail beim Lake Tahoe.

Chantal & Tom/Ende Juli 2023