La Gomera

>Bilder ganz unten!

Die Insel ragt wie eine uneinnehmbare Festung aus dem Atlantik, und steile Wände begrüssen den Ankömmling aus der Ferne. Die Verkehrswege sind schmal und winden sich entlang der Felswände, steigen steil bergan oder fallen fast in der Falllinie hinab. Die Häuser klammern sich oft an den unmöglichsten Stellen an Felsspitzen, und die frühere vulkanische Aktivität ist überall präsent.
Da es nirgends eine Infrastruktur für den Massentourismus gibt, fehlen auch die Massen an erholungssuchenden Menschen, und das Leben wird von der heimischen Bevölkerung sehr ruhig angegangen. Nebst der gelassenen Bevölkerung lassen sich immer mehr Festlandeuropäer in La Gomera nieder und geniessen das einzigartige Klima dieser Insel. Auf Sonnenschein können innert wenigen Minuten dicke Wolken aufziehen, begleitet von viel Wind und Feuchtigkeit; auf Regen folgt meist wieder Sonnenschein. Südseitig ist die Insel trockener und Bewässerungssysteme sorgen für genügend Wasser.
Der Inselhauptort San Sebastián hat das Flair eines Dorfes, und die Menschen kennen sich gegenseitig. Verlässt man den Ort auf einer der wenigen Ausfallstrassen, wird es gleich noch ruhiger, und man kann getrost einen Gang oder gleich zwei zurückschalten und die Seele baumeln lassen.
Im Herzen von La Gomera liegt der „Parque Nacional de Garajonay“, der rund 10% der Inselfläche mit einem fast undurchdringbaren Lorbeerwald bedeckt und auf fast 2000 Meter ansteigt. Nebst seiner wichtigen Funktion im Ökosystem ist dieser Wald, bzw. die ganzen Insel, ein wahres Eldorado für Wanderer.

Wir erreichten diese Festung an einem späteren Nachmittag nach einer stürmischen Überfahrt und waren froh, endlich von Board gehen zu können. Kaum an Land, folgte die nächste Herausforderung: Noch vor Einbruch der Dunkelheit ein ruhiges Plätzchen für unsere erste Nacht zu finden. Fast wie überall auf den Kanaren, gibt es auch auf La Gomera keine touristische Infrastruktur für Camper, die mit einem Offroader unterwegs sind und schon über eine Toilette dankbar wären.

Ob es Zufall war oder unsere Erfahrung im Interpretieren der Karte kann ich nicht so weiteres sagen. Die Sonne war bereits hinter den Bergen untergetaucht, als wir eine Bucht nördlich von San Sebastián fanden, wo wir etwas vor den kräftigen Böen geschützt waren. Da richteten wir uns am Rand des Parkplatzes für die erste Nacht auf La Gomera ein. Die Palmen schützten noch zusätzlich vor dem Wind und so überstanden wir die stürmische Nacht unbehelligt im Aufstelldach. Dafür mussten wir fürs Frühstück unseren Jeep anders parken, so dass der Wind nicht andauernd die Flamme des Kochers ausblies.

Die Wetteraussichten kündigten kräftigen Wind aus Nordosten an, und sofort passten wir unsere Reiseroute an den bevorstehenden Verhältnissen an. So ging es gleich an die Südküste, wo wir etwas wärmere Temperaturen und weniger Wind erwarteten. In Playa de Santiago fanden wir unseren gewünschten Ort, wo wir nicht gleich aus dem Auto gepustet wurden. Die Wärme erlaubte uns sogar gleich noch ein Bad im Meer.

Am nächsten Tag brachen wir erneut auf und stiegen die steilen Bergflanken hoch zum „Parque Nacional de Garajonay“. Doch schon weit unten erreichten wir die dicke Wolkendecke, die von Norden her über den inselüberspannenden Bergrücken drückte und entsprechend viel Feuchtigkeit niederliess. Nebst dem Nieselregen lagen die Temperaturen im einstelligen Bereich, so dass wir erneut zu unserem Ausgangspunkt zurück fuhren. Unten in Playa de Santiago war es angenehm warm und eine Erfrischung im Meer lenkte unsere Gedanken von der Kälte in den Bergen ab.

Auf Anraten anderer Camper steuerten wir eine weitere Bucht im südwestlichen Teil an, wo oben auf den Terrassen Bananen angebaut werden und wir in der tieferliegenden Bucht neben einer aufgegebenen Fischkonservenfabrik unser Camp aufschlagen konnten. Nach den vergangenen Nächten mitten in einer Ortschaft hörten wir hier nur die Meeresbrandung, waren von den Windböen relativ gut geschützt und als Krönung erlebten wir einen sternenklaren Himmel. Die nächtliche Ruhe wurde nur kurz nach dem Eindunkeln von den Gelbschnabel-Sturmtaucher (Sepiasturmtaucher) gestört, die mit seltsamen Geräuschen vom Meer her zurückkehrten.

Der Besuch des Valle Gran Rey ist auf La Gomera fast Pflicht, und auch wir schlängelten uns über unzählige Kilometer diesem Tal entgegen. Vermutlich denken viele andere auch so, und das wunderbare Tal wird vom touristischen Freizeitverkehr beinahe ertränkt. Ganz unten bei der Meeresbrandung war es für uns etwas zu eng, in den wenigen Orten direkt am Meer war einiges los und am Strand lagen die sonnenhungrigen Touristen trotz des frischen Windes. In dieser Enge fanden wir auch keine Bleibe für unser mobiles Heim und so war unser Entschluss bald gefällt, dass wir zurück nach La Rajita fahren um eine weitere ruhige Nacht neben der Fischfabrik zu geniessen. Kaum hatten wir uns für die zweite Nacht eingerichtet, schon wollte uns ein spanischer Camper frische (kopflose) Sardinen übergeben, die wir – angesichts Chantal’s Allergie – leider ablehnen mussten.

Auf unserer Karte entdeckte ich einen speziellen Weg durch die Seitenflanke des Taleinschnittes, in der wir mit unserm Camper standen, und schon war der Plan meiner (Tom) Wanderung gefasst. Chantal musste ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen Forfait geben, aber liess mich gewähren und die Wanderlust ausleben.

So erlebte ich einen wunderbaren Tag auf besonderen Fusswegen, die früher der Bevölkerung als Verbindungspfade dienten und teils abenteuerlich durch die steilsten Felsflanken führen. Den Aufstieg genoss ich auf einem „ausgetretenen Pfad“, wo viele Wanderer die Inselumrundung unter die Füsse nehmen. Für den Abstieg von Arguayoda wählte ich den Weg, der vom Dorf 500 Meter hinunter zum Barranco de la Rajita (Flusslauf) führt, wo noch heute ein benutzter Garten des Dorfes liegt. Einen anderen Zugang als diesen steilen Abstieg gibt es nicht! Wow, was haben die Menschen früher alles mit einfachsten Mittel erreicht und für ihren Lebensunterhalt getan.

Gemeinsam setzten wir unsere Fahrt am nächsten Tag fort und da es Samstag war, mussten wir unsere Vorräte für die nächsten Tage ergänzen. So kletterten wir wieder hinauf zum Berggrat, wo erneut ein kurzer Abstecher zum höchsten Berg der Insel geplant war. Doch schon ab 1000 Meter war die Landschaft in dicke Wolken eingehüllt und im Nebel wollte ich nicht herum irren. Der Parkplatz am Ausgangspunkt war, trotz Nebel, übervoll und viele Autos waren bereits entlang der schmalen Strasse parkiert, so dass sich selbst der öffentliche Bus um die Autos schlängeln musste.

Kurzerhand planten wir unser Vorhaben um und fuhren nach Alojera zur Westküste hinunter, wo sich das Zentrum der Palmhonigproduktion* auf La Gomera befindet. Leider war das Informationszentrum geschlossen und nur anhand der Internetinformationen konnten wir die Produktion des leckeren Saftes in groben Zügen erahnen. Doch die Palmen in der ganzen Region hinterliessen bei uns einen sehr erbärmlichen Eindruck. Wir vermuten stark, dass hier etwas zu viel Saft der jungen Triebe abgezapft wird und die Palmen auf uns keinen besonders vitalen Eindruck machten.
(* Honig ist eine geschützte Bezeichnung und darf eigentlich nur für Bienenhonig verwendet werden. Der Palmhonig ist eine Art eingedickter Pflanzensaft und hat mit Honig überhaupt nichts zu tun!)

Statt der Wanderung und der vertieften Information über den Palmhonig gab es eine Shoppingtour in Vallehermoso, gefolgt vom Schnuppern der frischen Meeresbrise an der Playa de Santa Catalina, bevor es wieder hinauf in die Berge ging. Irgendwo, kurz vor dem Nationalpark, entdeckten wir auf der Karte einen Campingplatz, der, so unsere Vermutung, ein Privatplatz sein könnte und sicher nicht wegen der Corona-Pandemie geschlossen ist. Der Platz war wie erwartet offen, doch hatte dieser keine Stellmöglichkeit für Fahrzeuge, da alles steil an einem Hang lag und die einzelnen Zeltplätze nur über Fusswege erreichbar waren.

Die Zeit drängte und wir mussten noch vor Dunkelheit einen geeigneten Platz für die Nacht finden. Der dichte Lorbeerwald liess nicht viele Möglichkeiten offen, oder der Boden war dermassen durchfeuchtet, dass wir bis in die Morgenstunden im Schlamm eingetaucht wären. Ein Parkplatz bei einem unbelegten Feriencamp, der nicht gleich ein Schlammbad war, ermöglichte uns eine Nacht auf über 1000 Höhenmeter. Da das Thermometer schon kurz darauf in den einstelligen Bereich fiel, surrte bald unsere Heizung hinten auf dem Fahrzeugheck und liess uns auf den Kanaren nicht gleich erfrieren. 😉

Nach der frischen Nacht beruhigte sich das Wetter, doch die Wolken hingen immer noch tief in den Bergen über uns. Unser Entschluss wieder an die Südküste zu fahren war in wenigen Worten gefällt. Wir waren überzeugt, dass es dort einiges angenehmer sein würde. Bald waren unsere Sachen im Jeep verstaut und schon kraxelten wir hinauf auf die Kammstrasse, die wir nachmittags erreichten. Zu unserer Überraschung besserte sich das Wetter und immer längere sonnige Abschnitte begleiteten uns auf der Fahrt. Die Wetteränderung war vermutlich für die Touristen und Wanderer zu kurzfristig. Somit war der Verkehr trotz Sonntag sehr ruhig, und bei den Ausgangspunkten von Wanderungen standen nur wenige Fahrzeuge. Es war auch meine Chance, doch noch den höchsten Berg von La Gomera zu besteigen und so hetzte ich (Tom) in rekordverdächtiger Zeit über den Wanderweg zum Gipfel, wo bei guten Wetterbedingungen normalerweise sehr viele Leute unterwegs sind.

Abends standen wir erneut in Playa de Santiago und mussten uns wieder auf eine etwas lärmige Nacht einstellen; auf dem Parkplatz und der angrenzenden Strasse war einiges los. Dafür hatten wir alle Annehmlichkeiten der modernen Welt und konnten unsere nächste Fährüberfahrt nach La Palma buchen.

Im nordöstlichen Teil der Insel gibt es eine Schotterstrasse durch den „Parque Natural de Majona“, die weit hinauf ins Gebirge führt und auf meiner Wunschliste stand. So stiegen wir ein Abermal von der Südküste hinauf, überquerten den Ost-West-Bergrücken und folgten der Nebenstrasse hinunter zur Nordküste. Im Naturpark schlängelten wir uns viele Kilometer den steilen Felswänden entlang und jeder Taleinschnitt liess uns erneut über diese einzigartige Welt erstaunen. Vor der grossen Steigung stand aber eine Infotafel, dass der Übergang infolge Bauarbeiten gesperrt sei und zähneknirschend wendeten wir unseren Jeep. So mussten wir den ganzen Weg zurück holpern und einen weiten Umweg in Richtung San Sebastián wählen. Dafür wussten wir im Voraus, wo wir die letzte Nacht auf La Gomera verbringen konnten: Wir steuerten die gleiche Bucht an, wo wir bereits die erste Nacht verbrachten. Nebst der Meeresbrandung und klaren Sternenhimmel war es erneut eine sehr ruhige Nacht.

Bei der Fährbuchung nach La Palma waren wir „Rappenspalter“ und wählten die günstigste Abendverbindung, die ca. 50 Euro billiger war. So mussten oder durften wir den Tag San Sebastián mit seinen Gassen und Plätzen erwandern, was angesichts der Grösse relativ schnell erledigt war. Ein Bad am Stadtstrand verkürzte die Warterei und bald war es Zeit sich im Hafen einzufinden.

Mit viel Vorfreude ging es weiter; es lebe die Inselhüpferei!
La Palma, wir kommen.