Nordargentinien

>Bilder ganz unten!

…weiter in der Warteschlaufe!

Unser zusätzlicher Loop zog sich von Bolivien weiter in den nördlichen Teil von Argentinien, mit der Hoffnung, das Unmögliche doch noch möglich würde. Zwar stand unsere Reiseorganisation im fernen Deutschland unter starkem Druck, doch solange das Auswärtige Amt der Bundesrepublik die Reisewarnung nicht minderte, ist eine Weiterreise nordwärts durch Peru kaum möglich – soweit die rechtliche Situation bei einer organisierten Reise eines deutschen Unternehmens. Trotz all diesen Problemen und Unstimmigkeiten möchten wir der federführenden Person von Panamericana und dessen Team vor Ort ein Kränzchen widmen; sie gingen auf fast all unsere Wünsche und Anregungen ein und machte aus dem fast Unmöglichen wieder eine akzeptable Weiterreise.

Trotz Warteschlaufe und einer gewissen Anspannung über unseren weiteren Reiseverlauf, erlebten wir schöne und spannende Landschaften und Ortschaften, die wir ansonsten nicht gesehen hätten.

Kaum wieder in Argentinien fiel uns sofort die Sauberkeit (es liegt viel weniger Müll herum als in Bolivien) und die meisten Häuser sind fertig gestellt. (In Bolivien sind die Häuser meistens in Rohbau und warten vermutlich ewig auf ihre Fertigstellung.)

Als nächstes Ziel steuerten wir Salta an, wo wir uns wieder mit der restlichen Gruppe treffen sollten. Doch der Weg war weit und nach anfänglich sehr flachem Weideland wechselte es bald in engere Täler. Aufgestellte Gesteinsschichten zeigten ihre Farbenpracht; um uns herum stiegen die Gipfel immer mehr in die Höhe, während wir zunehmend tiefer ins Tal hinunter fuhren. Nebst den unzähligen erloschenen Vulkane befinden sich im “Quebrada de Humahuaca“ viele Siedlungen aus der Vorinkazeit. Die vielen Highlights sind grosse touristische Anziehungspunkte und während den Sommerferien – in der südlichen Hemisphäre ist alles etwas anders – bewegen sich viele Menschen aus nah und fern durch die uralten Ruinen.

Kurz vor Salta bogen wir erneut von der breiten Landstrasse ab und folgten dem alten Strassenlauf der „Ruta 9“ durchs nördliche Gebirge der Stadt entgegen. Es war ein extremer Landschaftswechsel: Nach Trockenheit und mehr oder weniger intensiver Landwirtschaft folgte eine sehr schöne und abwechslungsreiche Landschaft mit ausgedehnten Urwäldern. Ich fühlte mich, als würde ich durch den heimischen Jura fahren. Gemäss unseren Informationen sollten sich im Kernbereich dieses Waldes noch Affen von Baum zu Baum schwingen.

In Salta gab es ein freundliches Hallo mit den restlichen Gruppenmitgliedern und das Erlebte wurde gegenseitig ausgetauscht. Nebst kleineren und grösseren Reparaturen an den Fahrzeugen, Wäsche waschen und die Seele baumeln lassen, gab es erneut einiges zu erleben. Die Stadtführung und Fahrt mit der Luftseilbahn in den Nebel, der Folkloreabend im Ausgehviertel und vieles mehr rundeten den Besuch in Salta ab. Für die Fahrradfans wurde in den umliegenden Bergen erneut eine Biketour organisiert, statt Singletrails war es schlussendlich eine kurze Passabfahrt und ich (Tom) kehrte enttäuscht vom Anlass zurück.

In der Zwischenzeit mussten wir uns definitiv über die Weiterreise entscheiden. Die deutsche Reisewarnung für Peru bestand immer noch und für einen möglichen Schiffstransport, d.h. für eine Umschiffung der Krisenregion, mussten wir uns definitiv anmelden. Eigentlich wären wir sehr gerne mit dem eigenen Fahrzeug weiter nordwärts gefahren. Doch die Highlights in Peru rund um „Cusco“ lagen eh im Epizentrum der Unruhen und wir hätten den Pazifik entlang fahren müssen. In Ecuador werden fast alle geplanten Ausflüge durch das Alternativprogramm abgedeckt, und mit der Dschungel-Lodge erhielten wir gleich noch ein Zusatzangebot. Die restlichen Ausfälle von Besichtigungen sind auf einer Langzeitreise immer möglich und ob wir in Kolumbien nun Kaffeeplantagen besucht haben oder nicht, spielt wohl eh eine untergeordnete Rolle. Auf dem Weiterflug nach Panama werden wir einen Stopp in „Cartagena“ einlegen und können diese Stadt, angeblich eine der schönsten in Südamerika, ohne Verladestress unserer Camper geniessen.
Anstatt nun hinter dem Lenkrad zu sitzen, werden wir zu „Punktehüpfern“, fliegen unsere Ziele an und werden zu Pauschalreisenden im Luxusbus, während unsere Wohnmobile eine Schifffahrt auf dem Pazifik erleben können. 😉

Von Salta aus, wo das Alternativprogramm weiterging, wäre der Besuch der nördlich liegenden Ruinen rund um „Tilcara“ geplant gewesen. Wir, Chantal und ich, hatten keine Lust auf diese Tour und meldeten uns kurzentschlossen bei der Reiseleitun: Wir wollten ins westliche Hinterland, bzw. Gebirgsland einen kurzen Abstecher machen und in drei Tagen wieder gemeinsam mit der Gruppe unterwegs sein. Leider schenkten wir der Regenzeit zu wenig Beachtung und unsere Planung ging buchstäblich den „Bach runter“: In Richtung „Abra Blanca“ (Pass) verliessen wir die gut ausgebaute Strasse und wollten der Eisenbahnlinie durchs Gebirge folgen. Irgendwo zu hinderst in einem engen Seitental blieben wir infolge eines Murganges stecken und mussten unsere Rückfahrt zur geteerten Strasse antreten. Zwischenzeitlich verschüttete ein Erdrutsch die „RN40“ (Strasse), so dass wir ebenfalls nicht über den Pass „Abra de Acay“ in Richtung „Cachi“ fahren konnten. Natürlich wollten wir nicht den gleichen Weg zurück fahren und studierten umgehend die Landkarte. Irgendwo fanden wir noch einen Weg, der uns durch die weite Landschaft zum Ziel bringen sollte. Kaum hatten wir die Strecke auf unserem Tablet markiert, ging unsere Weiterfahrt los. Noch ein kurzer Blick auf die Tankanzeige, so dass wir nicht irgendwo in der weiten Pampa infolge Dieselmangel stecken bleiben sollten.

Bis „San Antonio de los Cobres“ und zum Eisenbahnviadukt von „Polvorilla“ war es noch eine kurze Strecke. Doch ab dem „Salar de Pocitos“ wurde die Fahrerei fast zur Pflicht und der Weg zwischen den „Sierras de Calalaste“ und „Sierra de Aguas Callentes“ bis nach „Antofagasta de la Sierra“ war unendlich weit. Im letzt genannten Ort wollten wir an der einzig offenen Tankstelle unseren Tank wieder auffüllen, doch bis wir den Treibstoff erhielten, mussten wir eine längere Wartezeit in Kauf nehmen; der Tankwart hatte gerade Siesta.

Südlich von „Antofagasta de la Sierra“ erlebten wir beide fast irreale Wahrnehmungen bei der Durchfahrt der Ebene der „Laguna Carachimpampa“. Es war ein spezielles Erlebnis, wie das Gehirn die visuellen Eindrücke nicht mehr richtig aufnehmen oder verarbeiten kann. Wir waren jedenfalls froh, die „Sierra Laguna Blanca“ zu erreichen und wieder das visuell Gesehene als normal zu erleben.

Unser Abstecher verdoppelte sich zeitlich und bis wir wieder im Grossraum von Salta waren, mussten wir noch viele Kilometer zurücklegen. Ich (Tom) wollte unbedingt beim Rafting dabei sein und so durchstreiften wir das „Valle de Lerma“ mit seinen wunderbaren Felsformationen in sehr zügigen Tempo. Trotz der Eile gab es bei den verschiedenen Highlights immer einen Stopp und auch der Ort namens „Alemania“ durfte nicht ausgelassen werden.

Dass ich (Tom) bis nach Argentinien reisen musste um wieder einmal mit einem Schlauchboot auf einem Fluss in die Tiefe zu gleiten, ahnte ich bis vor kurzem nicht. Doch die Flüsse um Salta sind ein wahres Mekka für solche Abenteuer und unser Hauptreiseleiter der „Panamericana-Tour“ ist nebenbei in Salta Rafting-Guide. Das Vergnügen war der absolute Knüller und leider waren die 2 Stunden Rafting fast zu kurz. Wir alle waren nach den vielen Stromschnellen richtig süchtig nach diesen Wellen und ganz enttäuscht als wir das Schlauchboot verlassen mussten. Chantal und weitere Teilnehmer, die nicht daran teilnehmen konnten, durften die Zeit bei extremer Hitze mit vielen Moskitos verbringen

Weiter ging es gemeinsam in Richtung „Cafayate“, wo ein Ruhetag und der Besuch einer Ziegenkäserei auf dem Programm standen. Da wir die „Valle de Lerma“ bereits gefahren sind, jedoch wegen einem Erdrutsch „Cachi“ nicht besuchen konnten, kletterten wir westwärts die „Cuesta del Opispo“ hoch, erreichten dort das „Valle Calchaquíes“, wo unter andern grosse Weingüter zu finden sind, die sehr gute Weine erzeugen und in die ganze Welt exportieren.

Unser Tagesziel war eigentlich ganz klar: Zeitig zum Briefing wieder bei der Gruppe zu sein. Doch der schlammige Weg und den entsprechenden nassen Sandpassagen machten diesem Vorhaben erneut einen Strich durch die Rechnung. Nein, nicht wir sind im Sand stecken geblieben, aber unsere Hilfe wurde in dieser weiten und fast menschenleeren Gegend dankend angenommen. So schaufelten wir bis das stecken gebliebene Auto wieder frei war.

Nach einer Ziegenkäserei in „Cafayate“ besuchten wir die Ruinen der „Quilmes“, einer Volksgruppe die zwar durch die Inkas unterjocht wurden, jedoch später, als die Spanier die Inkas in einem kurzen Massaker beseitigten, über 130 Jahren den Spaniern Widerstand leisten konnten. Nach langer Belagerung mussten sie ebenfalls ihre Waffen strecken und wurden anschliessend auf einen „Todesmarsch“ an die Atlantikküste getrieben, wo schlussendlich noch ein Viertel ankam und in der Sklaverei endete. Reine „Quilmes“ gibt es heute nicht mehr, zu viel fremdes Blut ist in den Adern der heutigen Nachfahren, doch die Kultur überlebte und die Leute sind stolz auf ihre Vergangenheit. Bei der Führung und Besuch des Museums wurde uns – oder mir – klar, was wir heute in der modernen Gesellschaft anstreben, diese Menschen schon vor sehr langer Zeit lebten und die Gleichstellung von Mann und Frau ihnen kein Fremdwort war. Doch selbst Darwin missachtete auf seinen Südamerikareisen diese Menschen und ihre Kulturen zu tiefst und stellte sie unter die Würde der Tiere.

Bei der Weiterreise, gemäss dem Alternativprogramm, wurden erneut Städte angesteuert, Wellness angeboten und viele Ruhetage standen auf dem Programm. Für uns war dies nicht das Passende, da wir lieber die weite Landschaft geniessen wollten. Ausserdem reizte uns der „Paso San Francisco“ mit seinen 4‘720 m.ü.M. mehr als über den Pass von „Mendoza“ nach „Santiago/Chile“ zu fahren, den wir schon von Chile herkommend befuhren. Kaum hatten wir dieses Vorhaben unserer Reiseleitung kundgetan, schon steuerten wir wieder den Anden entgegen und genossen erneut ungebundene Tage im fast menschenleeren Argentinien.

Dass wir bis weit in die Morgenstunden argentinischer Folkmusik lauschen konnten, oder plötzlich mitten in der diesjährigen Argentinien-Rally standen, war ein grosser Zufall. Die Überquerung des „Paso San Francisco“ planten wir hingegen sehr genau, da dieser  – Covid bedingt – erst wieder seit diesem Jahr für zwei Tage pro Woche offen ist. Es war ein sehr weiter Weg bis zum argentinischen Grenzposten, der weit hinten in diesem Hochtal auf 4‘000 Meter lag. Die Sonne lachte uns entgegen, doch der kalte Wind blies erbarmungslos um unsere Ohren, als wir uns den Beamten an der Grenze näherten. Unmissverständlich wurde uns klar gemacht, dass heute der Pass geschlossen bleibe. Angeblich sollte weiter oben Schnee auf der Strasse liegen und ein Durchfahren nicht erlaubt sei, weder für Autos noch für Camper. Trotz höflicher Bitte und Erklärung, dass wir Winterreifen und Schneeketten dabei hätten, blieb die Schranke für diesen Tag geschlossen. Wir könnten es ja in drei Tagen erneut versuchen, mit der Hoffnung, dass die Strasse bis dahin schneefrei sei. Etwas enttäuscht wendeten wir unseren Jeep und machten uns auf den Rückweg; schlussendlich müssen wir bald unser Fahrzeug im Hafen abgeben und für weitere Experimente fehlte uns einfach die Zeit. So fuhren wir wieder mehrere hundert Kilometer durch die endlosen Weiten zurück. So konnten wir das argentinische Hochland noch einmal zwangshalber geniessen, doch es war sehr weit.  🙁

Die nächste Möglichkeit über die Anden nach Chile zu gelangen, wäre der „Paso Agua Negra“. Doch diesen Pass befuhren wir bereits von der argentinischen Seite her und die anschliessende Strecke auf chilenischer Seite bis zum Hafen für die Einschiffung in „San Antonio“ reizte uns plötzlich nicht mehr. So planten wir erneut um und genossen den Weiterverlauf der Anden in südlicher Richtung auf der argentinischen Seite. Zwar nicht auf unserem Wunschprogramm, doch wir steuerten den „Paso Cristo Redentor“ erneut an. Und, falls das Wetter mitspielt, würde ich endlich den höchsten Berg in Südamerika, den „Cerro Aconcagua“, zu Gesicht bekommen.

In der Zwischenzeit kam die Meldung, dass der Hafen für die Einschiffung unserer Wohnmobile eventuell von „San Antonio“ ins 500 Kilometer weiter nördlich liegende „Coquimbo“ verlegt würde. Wieder viele Kilometer für nichts? Hoffentlich wird sich das stürmische Wetter in der Magellanstrasse doch noch etwas legen, so dass unser Schiff pünktlich in „San Antonio“ anlegen kann. Wir hatten wirklich keine Lust, dem Schiff hinterher zu fahren und auf der chilenischen Küstenstrasse nordwärts zu fahren.

Zügig durchstreiften wir die weiten Flächen und folgten den Anden in entgegengesetzter Richtung als geplant gewesen war. Doch wir genossen unsere Ungebundenheit und Freiheit. So konnten wir die letzten Nächte fernab jeglicher Zivilisation bei wunderbaren Sternenhimmel und absoluter Ruhe geniessen. Vielleicht hörte man aus der Ferne noch irgendein Tier brüllen oder der Wind gleitete sanft über die Landschaft, doch diese Stille hatte für uns grosses Suchtpotenzial.

In „Uspallata“ drehten wir ein letztes Mal in westliche Richtung und folgten dem „Río Mendoza“ hinauf ins Gebirge. Da die Wetteraussichten für die nächsten Tage trotz Regenzeit vielversprechend waren, drosselten wir unser Tempo und genossen diese einmalige Gebirgslandschaft, wo das Gestein in all möglichen Farben schimmerte.  Weit oben konnten wir bereits schneebedeckte Berge erspähen. So stoppten wir unsere Fahrt bevor es auf der Schotterstrasse dem „Paso de Uspallata“ – so von den Argentinier genannt, bei den Chilenen heisst er „Paso Cristo Redentor“ – genossen die letzte Nacht am Fusse vom „Cerro Aconcagua“ bei klarem Himmel und Sterne zählen bis wir in den Tiefschlaf fielen.

Es lohnte sich wirklich – jedenfalls für mich (Tom) – die Nacht hier oben zu verbringen. Nebst Pferdeeintreiben durch einen „Gaucho“, konnte ich den „Cerro Aconcagua“ in seiner vollen Pracht vom Süden her sehen. Wow, dieser majestätische Berg; wäre sicher eine Besteigung wehrt. Statt weiter einer Besteigung nach zu träumen, kraxelten wir mit unserem Jeep hinauf zum 3‘860 Meter hohen Passübergang, während die neu ausgebaute Strasse auf rund 3‘100 Meter durch einen Tunnel führt. Oben, auf dem Pass, konnte ich (Tom) es nicht lassen, Chantal und unser „RuGa-li“ auf dem Pass zurück zu lassen und den kurzen Aufstieg zum „Pico del Cristo Redentor“ unter die Füsse zu nehmen. Auf der Spitze konnte ich mich kaum satt sehen von der Gebirgswelt. Ich hätte noch lange meine Blicke in die Ferne schweifen können. Links vom „Cerro Tolosa Oeste“ sah ich den Südwestgrat zu „Cerro Aconcagua“ und gedanklich war ich schon auf der Suche nach dem richtigen Weg für eine Gipfelbesteigung.

Noch fest in meinen (Tom) Träumen, machte ich wieder auf den Weg hinunter zum Pass. Schlussendlich sollte Chantal nicht unendlich auf mich warten müssen und wir wollten noch heute nach Chile einreisen, da uns viele Vorbereitungsarbeiten für die Fahrzeugverschiffung erwarten werden.

Kaum brummte unser Diesel wieder vor sich hin, schon überquerten wir die Grenze zu Chile und schauten mit etwas Wehmut in den Rückspiegel; tja, „adiós Argentina, te quedasen buen recuerdo“ und noch bevor es über die Schotterstrasse hinunter ins Tal ging, lasen wir „Buenvidos en Chile“.
Gespannt, was wir in den nächsten Tagen noch alles erleben werden.

Chantal & Tom/2023-03-12