Über Feuerland an die Abhänge des Fitz Roy

>Fotos ganz untern!

Der erste Grenzübertritt bei unserer Reise in den Süden machte uns allen – der ganzen Gruppe – etwas „“Bauchschmerzen“ und mit einer gewissen Unsicherheit steuerten wir dem Grenzposten entgegen. Nach der Ausreise aus Argentinien folgte die Einreise in Chile mit einem Prozedere, das auf dem europäischen Festland schon lange der Vergangenheit angehört. Doch, auch die Chilenen waren uns gütig und mit der Mithilfe unserer Reiseleiter war es im Nachhinein keine Hexerei. Ab diesem Zeitpunkt wechselten wir die Grenze zwischen Argentinien und Chile immer wieder öfters und mit der erlangten Gelassenheit steuerten wir die jeweiligen Grenzposten an. Manchmal war es wirklich einfach, bei anderen Übergängen schauten die Hütter der jeweiligen Nation sehr genau hin und schon dauerte es – ohne mit den Wippern zu zucken – gute 3 Stunden bis alle Papiere und Kontrollen erledigt waren.

Zurück auf unserem Weg in den Süden: Das Wetter war inzwischen etwas stürmisch und die Polarregion liess seinen Kräften freien Lauf. Selbst unser kleiner Camper wurde auf den weiten Flächen hin und her gerüttelt und bis zur Magellanstrasse wurden wir auf unsere Sturmfestigkeit geprüft. Bei der Magellanstrasse wurde der Fährbetrieb vorübergehend eingestellt, der Wind war so stark, dass ein sicheres Anlegen und Verladen der Fahrzeuge nicht möglich war. Wir stellten uns bereits auf eine windige Nacht am Fährhafen ein. Wäre jedenfalls für uns eine der schlechtesten Varianten gewesen! 🙁

Gottseidank klappte es doch noch mit der Überfahrt nach Feuerland, eigentlich die grösste Insel, die durch die Magellanstrasse vom Festland abgetrennt ist, so dass wir im nächsten Ort einen Stellplatz fanden, der uns einen gewissen Windschutz bot. Da bei der Einreise in Chile fast keine Lebensmittel mitgeführt werden dürfen, machten wir uns noch auf die Suche einer Einkaufsmöglichkeit. Doch in diesem Ort, der zur Blütenzeit der Ölbohrungen eine lebhafte Gemeinschaft hatte, gab es nicht mehr viel. Die Bank wurde schon vor langer Zeit geschlossen, im einstigen Supermarkt standen leere Regale und an der Fleischschneidmaschine nagten ein paar Mäuse an den letzten Fleischresten. Hier konnten wir unseren Hunger definitiv nicht stillen! Ein kleiner Tante-Emma-Laden war unsere letzte Rettung und wir mussten uns nicht mit einem knurrenden Magen unter die Decke verkriechen.

An der „Bahía Inútil“, einem Teil der Magellanstrasse, liegt eine der wenigen zugänglichen Kolonien von Königspinguine. Nach chilenischem Recht darf man solche Kolonien nicht mehr ohne Führer besuchen. So ging es mit einer Führerin, die uns viele Geschichten um und über die Pinguine erzählte, hinaus an die windige Küste, wo wir auf Distanz die Pinguine beobachten konnten.

Erneuter Wechsel nach Argentinien und weite Pampa durch „nichts“; Steppe und viel Wind! Was zog einmal die Menschen in diese unwirtliche Gegend? Doch vor Ushuaia veränderte sich die Landschaft und aus der Einöde wurde eine gebirgige Landschaft mit Laubwäldern und schneebedeckten Bergen. Auch viele kleine Orte säumten die Strasse und der Endpunkt der Strasse, die zum südlichsten Punkt dieser Erde führt, muss wohl für viele Menschen eine entsprechende Anziehungskraft haben. Auch wir strebten diesem Ziel entgegen! 🙂

Ushuaia ist die südlichste Stadt, die man mit einem Fahrzeug erreichen kann und ein reger touristischer Verkehr wälzte sich durch die Strassen der Stadt. Die Kreuzfahrtschiffe bringen noch viele Menschen ans Ende der Welt und alle möchten am Ende der Strasse „3“ ein Bild knipsen und beim südlichsten Postamt eine Karte aufgeben. Eigentlich verrückt, was am Ende der Welt so abgeht!

Bis zur Fährüberfahrt der Magellanstrasse mussten wir erneut den gleichen Weg wählen; nach den schneebedeckten Gipfeln und Laubwäldern erneut die unendlich windgepeitschte Pampa, wo es kein Grund für ein längeres Verweilen gab. Bis Punta Arenas (Chile) war es hinter der Windschutzscheibe einigermassen auszuhalten, während draussen der Wind über die Weiten Patagoniens blies.

In Punta Arenas gab es einen erneuten Stopp und wir durften unserer aufgestellten Führerin durch die Stadt folgen. Bevor sich die europäischen Siedler das Land unter sich aufteilten und Siedlungen gründeten, wiedersetzten sich über mehrere tausend Jahre die ersten Menschen dieser Umgebung und für viele Forscher ist es heute ein Rätsel, wie sie dies – im Gegensatz zur heutigen Menschheit – schafften. Die Ankunft der europäischen Eroberer läutete jedoch ihr Ende ein; was die eingeschleppten Krankheiten nicht schafften, erledigten die Neuankömmlinge mit ihren Waffen. Die spanischen Eroberer kannten keine Gnade!

Wir steuerten weiter den Anden entgegen und mit jedem Kilometer in nordwestlicher Richtung gab es Neues zu entdecken. Eigentliche eine wunderbare Landschaft nach diesen vielen flachen Kilometern an der Ostseite des Kontinentes. Doch Patagonien wäre nicht Patagonien: Der Wind fegte wild über die Landschaft und stellte uns immer wieder vor dieselben Probleme beim abendlichen Camp. In Puerto Natales mussten wir das gemeinsame Camp am Hafen verlassen und fanden nach kurzer Sucherei einen geschützten Platz im Garten eines Hostels. Während wir eine ruhige Nacht und den Komfort des Hostels geniessen konnten, wurden die restlichen Teilnehmer unserer Gruppen am Fjord vom Winde gut durchgeschüttelt.

Das nächste Highlight folgte im Nationalpark „Torres del Paines“, wo nebst vielem Wind und nass-kaltem Wetter die ersten Eisberge über den „Lago Grey“ uns entgegen geblasen wurden. Wetterbedingt liess ich (Tom) anderntags die Wanderungen aus. Der Folgetag bescherte uns mit viel Sonne und dank des nachlassenden Windes wurde es angenehm warm. So beschlossen einige der Gruppe sich ausserhalb des Nationalparks für ein freies Camp. Drei Pumas überraschten uns abends beim freien Stellplatz, was den Rangern, die mit vielen Fotografen den Pumas folgten, nicht passte und wir noch am selben Abend das „wilde Camp“ verlassen mussten. Dass sich drei freilebende Pumas einer grösseren Menschengruppe (wir) annäherten und auf Distanz viele folgende Personen mit ihren Kameras duldeten, war für uns ein surreales Erlebnis.

Wieder zurück in Argentinien, hielten wir für die kommende Nacht auf einer grösseren Schafzuchtstation in der weiten Pampa an. Bevor wir uns an den Tisch setzen durften und feines Lammfleisch serviert bekamen, gab es eine Treib- und Scherschau, gespickt mit sehr vielen Informationen über die lokale Schafzucht und  über die Geschichte dieser „Estancia“. Eigentlich verrückt, wie man vor 100 Jahren Menschen dazu veranlassen konnte, sich in einer einsamen Steppenlandschaft  nieder zu lassen um eine neue Existenz aufzubauen. Zwar war das Land gratis, dafür die Natur umso härter, obwohl „Esparanza“ als nächstgelegener Ort doch sehr versprechend klang.

„El Calafate“ war der nächste Stopp unserer Reise und ein Schmelztiegel aller Reisenden in Südpatagonien. Die Angebote für alle Neuankömmlinge sind sehr vielfältig und auch wir buchten eine Fahrt auf dem Katamaran hinaus auf den „Lago Argentino“ mit seinen unzähligen Seitenarmen zu den kalbernden Gletschern.
Obwohl diese Schiffstour totaler Komerz ist, war die Fahrt ein eindrückliches Erlebnis in diese weite einsame Bergwelt, wo wirklich weit und breit nichts ist. Leider hingen die Wolken sehr tief in den umliegenden Berggipfeln, sonst wäre dieser Ausflug ein fast unschlagbares Highlight gewesen.

Dafür bescherte uns der Fitz Roy – der wohl jedem Bergbegeisterten ein Begriff ist – von weitem einen wunderbaren Empfang – ämtliche Gipfelsäulen waren wolkenfrei. Mein Herz (Tom) schlug immer höher und ich konnte es kaum erwarten, am Fusse dieser wunderbaren Granittürmen zu stehen.

Am folgenden Tag stieg ich (Tom) um 5 Uhr leider vergebens auf den Hausberg von „El Chaltén“, um die Gipfelnadeln im ersten Sonnenlicht zu erspähen; der Berg war mit dicken Wolken umhüllt. Die geführte Wanderung zum „Lago de los Tres“ und zur „Laguna Sucia“ war ein tolles Erlebnis, doch den gesamten Fitz Roy mit all seinen Granittürmen enthüllte sich den ganzen Tag nie komplett. Schade. Trotz der vielen Wolken schmeckte das Bier nach der Tour aus der jüngsten Brauerei in den Anden ausgezeichnet.

Chantal und ich holperten noch zum „Lago del Desierto“ ans Ende der zivilisierten Welt. Bis zu diesem Punkt durchstreift man ein weites Tal mit Schafzucht und ausgedehnte Wälder. Ab dem See folgen nur noch Wälder, Fels, Schnee und Eis. Die Weiterfahrt über den „Paso dos Lagunas“ wäre zwar eine super Abkürzung gewesen, aber mit unserem vierräderigen Fahrzeug kaum zu schaffen und wir wollten auch nicht illegal in Chile einreisen; da verstehen die Grenzer keinen Spass!

Bei der Rückfahrt von „El Chaltén“ in die argentinische Pampa zeigte sich der „Fitz Roy“ richtig spitzbübisch im Rückspiegel und liess unsere Träumerei nach der Bergwelt noch lange aufrechterhalten. Ja, die Anden sind wirklich umwerfend schön.